INT / Abtreibung: Ungeborene empfinden Schmerzen
IEF, 10.01.2023 – Schon bevor Ungeborene eine gut entwickelte Großhirnrinde haben, empfinden sie Schmerzen.
Die Frage, ab wann ein Kind im Mutterleib Schmerzen empfindet, prägte immer wieder politische Debatten um das Thema Abtreibung. So zum Beispiel vor knapp über einem Jahr in Irland, als das Parlament ein Gesetz begutachtete, welches ein verpflichtendes Schmerzmittel für Föten vor einer Abtreibung vorgesehen hätte, um „unnötige Schmerzen und Leiden zu lindern“ (das Institut für Ehe und Familie (IEF) hat berichtet). Ein anderes Beispiel ist das Verbot, nach der 20. Schwangerschaftswoche abzutreiben, welches 2017 in den Vereinigten Staaten damit begründet wurde, Föten würden ab diesem Zeitpunkt Schmerzen empfinden (das IEF hat berichtet).
Wie der Experte für pränatale Schmerzen, Carlo Bellieni, in einem Interview kürzlich erklärte, sei es naheliegend, dass „die Beendigung eines Lebens, das keinen Schmerz empfindet, als weniger unangenehm empfunden wird als das Gegenteil“. Seiner Meinung nach sei das der Grund, warum Menschen „die Fähigkeit des Babys im Mutterleib Schmerzen zu empfinden, nicht gerne betonen“.
Wie und ab wann nehmen Babys im Mutterleib Schmerzen wahr?
Bellieni, der als Neonatologe an der Universität von Siena tätig ist, erklärte, dass der Fötus zwischen der 20. und der 22. Schwangerschaftswoche beginne, Schmerzen wahrzunehmen. Vor der 20. Schwangerschaftswoche sei es schwer, medizinisch von Schmerzen zu sprechen, da der Thalamus, die Struktur an der Basis des Gehirns, die der Wahrnehmung von Schmerzen dient (und oft als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet wird), noch nicht vollständig entwickelt sei. Trotzdem sei es ein Irrtum, zu glauben, Kinder würden so lange keine Schmerzen empfinden, bis sie eine gut entwickelte Großhirnrinde haben.
Schon in Vergangenheit hatten Mediziner für eine neue Definition des Schmerzbegriffs plädiert, die nicht nur das selbstreflektierte, „wahrnehmende“ Schmerzempfinden von Erwachsenen umfasse, sondern auch eine lediglich unmittelbare Schmerzerfahrung wie sie Ungeborene machten (das IEF hat berichtet).
Bellieni begründet die Tatsache, dass Babys eine noch nicht vollständig entwickelte Großhirnrinde (Cortex) brauchten, um Schmerzen zu empfinden, folgendermaßen: Zunächst einmal würden auch Babys, die unter einer Anenzephalie litten, Schmerzempfindungen haben, genauso wie Babys mit schweren Schäden am Cortex. Außerdem sei die Großhirnrinde eine Struktur, die sich nach und nach, und zwar während der gesamten Schwangerschaft und darüber hinaus, entwickle.
Der Irrglaube, Säuglinge würden keinen Schmerz empfinden, weil ihre Großhirnrinde noch nicht vollständig entwickelt sei, habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass Säuglinge ohne Betäubung operiert wurden, indem sie nur ruhiggestellt wurden. Dies habe bei den betroffenen Kindern nachweislich zu schweren Hirnschäden geführt, da Schmerz zu einem Anstieg des Blutdrucks führt und die Produktion von Giftstoffen anregt, die das Gehirn schädigen.
Zu behaupten, dass Babys, die abgetrieben werden, nicht in der Lage wären, Schmerzen zu empfinden, sei „eine Lüge, um die Abtreibung ein weiteres Mal zu rechtfertigen“, so Andrea Bartelloni, Autor des Interviews, der ebenfalls ärztlich tätig ist.
Ab der 20. Schwangerschaftswoche: Babys sind empfindsam für Geräusche, Gerüche und Geschmäcker
In dem Interview erklärt Bellieni ebenfalls, dass Kinder nach der mittleren Schwangerschaftsphase „aktive Subjekte“ werden, indem „die Fähigkeit beginnt, Geräusche, Gerüche und Geschmäcker wahrzunehmen“ und sich daran zu erinnern. So werde beispielsweise der Geschmacksinn schon vor der Geburt gebildet, in Abhängigkeit davon, welche Nahrungsmittel die Schwangere zu sich nehme. (SM)