UN-Bevölkerungsgipfel in Nairobi
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INT / Abtreibung: UN-Bevölkerungsgipfel in Nairobi stößt auf scharfe Kritik

IEF, 21.11.2019 – Von unterschiedlichen Seiten wurde den Veranstaltern des Gipfels Einseitigkeit und Parteilichkeit sowohl in Bezug auf Inhalte als auch die Auswahl der Teilnehmer vorgeworfen. Bei der Vorbereitung des Gipfels und Verfassung der „Erklärung von Nairobi“ soll auch Transparenz und Inklusivität zu kurz gekommen sein.

In Kenias Hauptstadt Nairobi fand vom 12. bis 14 November ein dreitägiger Bevölkerungsgipfel anlässlich des 25. Jahrestags der Weltbevölkerungskonferenz (ICPD) von Kairo im Jahre 1994 statt. Wie auf der offiziellen The Nairobi Summit on ICPD25-Website zu lesen ist, nahmen hunderte von NGOs sowie Vertreter von über 170 Staaten an dem Gipfel teil. Veranstaltet wurde er vom Bevölkerungsfond der Vereinten Nationen (UNFPA) sowie den Regierungen Dänemarks und Kenias. Unter den „Sponsoren“ der Veranstaltung fanden sich neben einigen Regierungen, wie der österreichischen, deutschen, französischen und italienischen, unter anderem auch die Ford Foundation, der Konzern „Johnson & Johnson“, „Philips“ und die christliche Organisation „World Vision“.

Ziele und Ausrichtung des Gipfels in der Kritik

Die Zielsetzung des Gipfels laut den Organisatoren war die Motivation der Teilnehmer zu mehr politischem Engagement und finanziellen Zusagen, um eine beschleunigte Umsetzung des in Kairo beschlossenen Aktionsplans zu gewährleisten. Der Themenfokus der im Rahmen des Gipfels stattfindenden Veranstaltungen lag neben der „Verringerung der Müttersterblichkeit“ vor allem auf der Schaffung eines „universellen Zugangs zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten“ (SRHR) sowie der „Wahrung des Rechts auf sexuelle und reproduktive Gesundheit auch in humanitären und fragilen Kontexten“.

Die zwei letzteren Ziele seien sehr wichtig oder gar unabdingbar, wolle man die Entwicklungsziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung  erreichen, heißt es in der „Erklärung von Nairobi“ (Nairobi Statement), die bereits im Vorfeld des Gipfels von einem internationalen Leitungskomitee ausgearbeitet und veröffentlicht worden war. Die Teilnehmer des Gipfels wurden dazu aufgefordert, konkrete und präzise Verpflichtungserklärungen zur Umsetzung der „Erklärung von Nairobi“ abzugeben.

Staatenallianz veranstaltet „Gegenkonferenz“

Einige Länder und Organisationen nutzten diese Gelegenheit auch dazu, um sich in ihrer Verpflichtungserklärung von der „Erklärung von Nairobi“ zu distanzieren. Die USA haben in ihrem “Commitment” beispielsweise im Vorhinein finanzielle Unterstützung für „internationale Programme, die die Kompetenzen, Chancen und die Entwicklung von Frauen fördern, ohne dabei die Würde und den angeborenen Wert des menschlichen Lebens zu verletzten“ zugesagt.

Während des Gipfels formte sich auch eine Allianz von 10 Staaten unter der Führung der USA, die sich explizit der „Erklärung von Nairobi“ entgegenstellte. In einer eigens dafür organisierten Konferenz am letzten Tag des Gipfels wurde auch eine gemeinsame Erklärung der Ländergruppe, zu der neben den USA auch Polen, Ungarn, Brasilien, Ägypten und Senegal zählte, von einer Vertreterin des US-amerikanischen Gesundheitsministerium verlesen.

Darin streichen die Staaten zwei Prinzipien des Aktionsplans der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo heraus, nämlich die Tatsache, dass „jeder ein Recht auf Leben, auf Freiheit und persönliche Sicherheit hat, und dass „die Familie die Keimzelle der Gesellschaft darstellt und als solche gestärkt werden muss“.

Widerstand gegen Begriff „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“

Man lehne zudem Bezugnahmen auf mehrdeutige Begriffe und Ausdrücke, wie „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ (SRHR) in internationalen Dokumenten ab. Diese würden keinen internationalen Konsens genießen und würden die Vorbehalte der Ergebnisse der Kairoer Konferenz nicht gehörig berücksichtigen. Außerdem würden SRHR oft dazu verwendet, um aktiv Abtreibungen zu fördern. Es gäbe jedoch kein internationales Recht auf Abtreibung und auf der Konferenz von Kairo sei darüber hinaus beschlossen worden, dass Länder geeignete Maßnahmen treffen sollten, um Frauen dabei zu helfen eine Abtreibung zu vermeiden und diese keinesfalls als Methode der Familienplanung zu fördern.

In der Gegenerklärung wird des Weiteren eine Sexualerziehung abgelehnt, die die „Eltern nicht angemessen einbezieht und Abtreibung als Methode der Familienplanung fördert“.

Mangelnde Ausgewogenheit schon in der Vorbereitung

Die genannte Staatenallianz kritisierte zudem den Mangel an Transparenz und Inklusivität bei der Vorbereitung des Gipfels. Im Gegensatz zur Weltbevölkerungskonferenz von Kairo wäre der Gipfel in Nairobi weder zwischenstaatlich ausgehandelt worden, noch wäre er das Ergebnis eines Konsensprozesses. Für die Unterzeichner der Erklärung folgt daraus, dass die Ergebnisse des Gipfels auch nicht als normativ oder in zukünftigen Dokumenten als zwischenstaatlich ausgehandelte Ausdrucksweise, anerkannt werden sollten.

Der Heilige Stuhl sagte Teilnahme am Gipfel ab

Der Heilige Stuhl sagte bereits im Vorfeld seine Teilnahme am Gipfel ab. In einer Pressemeldung hielt der Heilige Stuhl fest, dass er ein „überzeugter Verfechter der Förderung einer gerechten, nachhaltigen und integralen menschlichen Entwicklung ist und bleibt, welche die Menschenwürde und das Gemeinwohl jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes fördert”. Die einseitige Ausrichtung des Gipfels auf „einige strittige und spaltende Themen, die keinen internationalen Konsens finden und die nicht genau die breitere Bevölkerungs- und Entwicklungsagenda der ICPD widerspiegeln”, veranlassten den Heiligen Stuhl seine Teilnahme am Gipfel jedoch abzusagen.

Der ständige Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen begründete dies Entscheidung damit, dass die ICPD und ihr umfassendes Aktionsprogramm nicht auf „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ sowie „umfassende Sexualerziehung“ reduziert werden sollten. Viel eher hätte man den Fokus auf die kritischen Aspekte des Aktionsprogramms, wie Frauen und Kinder, die in extremer Armut leben, Migration, Strategien für Entwicklung, Alphabetisierung und Bildung, Förderung einer Kultur des Friedens, Unterstützung der Familie als Grundeinheit der Gesellschaft, Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Gewährleistung des Zugangs zu Beschäftigung, Land, Kapital und Technologie usw. “, legen sollen.

Etikettenschwindel: Konferenz nur scheinbar unter UN-Dach?

Als weiteren Grund für das Fernbelieben vom Gipfel nannte der Heilige Stuhl das Fehlen “wesentlicher und grundlegender Beratungen“ beim Abfassen der „Erklärung von Nairobi“. Die Konferenz hätte außerdem „außerhalb des Rahmens der Vereinten Nationen“ stattgefunden, wodurch „transparente Regierungsverhandlungen ausgeschlossen“ gewesen seien. Gleichzeitig hätte man den „irreführenden Eindruck eines `Konsenses‘ über die Erklärung von Nairobi vermitteln“ wollen. Der “Gipfel von Nairobi” können jedenfalls nicht „als ein von den Vereinten Nationen gefordertes oder unter seiner Schirmherrschaft abgehaltenes Treffen angesehen werden.”

Weitere Proteste und eine Gegenveranstaltung

Kritik kam auch von der Kenianischen Bischofskonferenz und mehreren afrikanischen Bischöfen. Wie Vatican News berichtet, sollen die Bischöfe bei einer Pressekonferenz die einseitige Ausrichtung des Gipfels auf Verhütung und Abtreibung getadelt haben. „Von einem sinnvollen Gipfel würde man ein Programm erwarten, das Frauen und Kinder stärkt, die in extremer Armut leben“, so die Bischöfe.

Entgegen den Bekundungen der Veranstalter, dass der Gipfel „Regierungsvertretern, Vertretern aus Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, internationalen Institutionen und religiösen Organisationen sowie Fachleuten und Führungskräften“ offen stünde, durften eine Reihe von Pro-Life Organisationen, wie etwa C-FAM, International Family Watch oder CitizenGO nicht am Gipfel teilnehmen.

Die Organisationen nahmen dies zum Anlass um mit Unterstützung der Katholischen Universität von Ostafrika und des Erzbistums Nairobi eine weitere Gegenveranstaltung zum Gipfeltreffen zu organisieren. Neben zahlriechen Pro-Life-Organisationen nahmen auch der päpstliche Nuntius in Kenia sowie Ländervertreter aus Süd-und Nordamerika, Europa und Asien daran teil. (AH)

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