AT / Reproduktionsmedizin: Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“ fordert internationales Verbot

IEF, 7.3.2018 – Weder der Körper der Frau, noch die Geburt eines Kindes können in einem System von Produktion und Warenaustausch gehandelt werden, ohne dass dabei die Rechte des Einzelnen grob verletzt werden. Darauf wies der österreichische Verein „Stoppt Leihmutterschaft“  bei der Auftaktveranstaltung am vergangenen Montag hin und forderte ein internationales Verbot von Leihmutterschaft. Bei der Veranstaltung im Wiener Amerlinghaus, an der rund 40 Personen teilnahmen, bezogen Expertinnen aus verschiedenen Fachrichtungen Position gegen Leihmutterschaft. Leihmutterschaft bedeute die Ausbeutung von Frauen, stehe im Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention und degradiere das Kind zur Ware, heißt es in der gleichnamigen Petition, die online unterzeichnet werden kann.

Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“

Die Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“ entstand 2017 in Österreich aus einer Expertenrunde von Kinderärzten, Psychologinnen, Ethikerinnen, Juristen, Hebammen und Psychotherapeutinnen, die unabhängig von der jeweiligen Weltanschauung der Leihmutterschaft kritisch gegenüberstehen und sich für ein internationales Verbot einsetzen.
„Stoppt Leihmutterschaft“ will mehr Wissen über Leihmutterschaft und ihre Folgen vermitteln und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es sich hier um eine Menschenrechtsverletzung handelt.

Indische Expertin: Ausbeutung, illegaler Handel und reproduktives Unrecht

Im Einführungsvortrag „Behind the Baby Bed“ gab Dr. Sheela Saravanan, indische Wissenschaftlerin an der Universität Heidelberg und in Indien, Einblicke in den weltweiten Markt von Leihmutterschaft am Beispiel Indiens. Saravanan erläuterte, warum nur ein internationales Verbot die ausbeuterischen Praktiken der Leihmutterschaft stoppen könne. Die Wissenschaftlerin, die für ihre Studien an einer indischen Leihmutterschaftsklinik forschte und hierfür mit Leihmüttern und deren Familien, Bestellpaaren und Vermittlungsagenturen im Gespräch war, führte die Zuhörer zunächst imaginär in den Alltag der Betroffenen. Sie betonte, dass Leihmutterschaft ein klassenbasierter Markt sei, bei dem die Leihmütter aus unteren Schichten den besser situierten Bestelleltern ausgeliefert seien. Die Rechte von Leihmutter und Kind würden dem „Recht auf Reproduktion“ der Bestelleltern und dem Gewinnstreben der Vermittlungsagenturen geopfert, verurteilte die Inderin die Praxis der Leihmutterschaft. Leihmutterschaft sei ausbeuterisch, handle mit der Ware Mensch und sei durch die Verletzung der körperlichen und psychischen Integrität von Leihmüttern und Kindern „reproduktives Unrecht“.

Autorin Bachinger: „Verbot der Leihmutterschaft ist der ethisch logische Schritt“

Bei dem an den Vortrag anschließenden Panel, das von Dr. Barbara Breunlich, Juristin am Österreichischen Institut für Familienforschung (OIF) geleitet wurde, beschrieb die Journalistin und Autorin Eva Maria Bachinger Leihmutterschaft als kommerzialisierten Marktbereich, bei dem eine Auslagerung von Schwangerschaft und Geburt stattfinde, nach dem billigsten Angebot gesucht werde und Frauen in sozialen Notlagen ausgenutzt werden. Bachinger, die für ihr Buch „Kind auf Bestellung“ jahrelang recherchierte und mit Leihmüttern aus Russland und der Ukraine im Gespräch war, betonte, dass Leihmütter sich selbst oftmals nicht nur als Ausgebeutete und Unterlegene sehen würden, sondern vielmehr an einen Markt angepasst agierten, der buchstäblich alles zur Ware macht – Leihmutterschaft bedeute de facto Geld gegen Kind. In erster Linie sehe Bachinger dadurch die Rechte der Kinder verletzt, obwohl sie eigentlich durch die UN-Kinderrechtskonvention geschützt werden sollten. „Ein internationales Verbot der Leihmutterschaft ist der ethisch logische Schritt“, schlussfolgert die Autorin.

Adoptionsexpertin Eberstaller: „Brüche zu Beginn des Lebens werden den Kindern vorsätzlich aufgedrückt“

Die Psychologin Mag. Maria Eberstaller zeigte auf, dass bei Leihmutterschaft widersinnigerweise sämtliche bei Adoption geltende Mechanismen zur Berücksichtigung des Kindeswohls außen vor gelassen werden. Eberstaller, die Mitarbeiterin des Adoptionsvermittlungsvereins „Eltern für Kinder Österreich“ und Gerichtsgutachterin in Fragen der Obsorge, Besuchsrecht und Kindeswohl ist, betonte die Relevanz des begleitenden Adoptionsprozess. Dieser kläre einerseits die Absicht des Kinderwunschs der künftigen Eltern und bereite diese auf die Aufgabe vor, ein „fremdes“ Kind zu ihrem zu machen. Nur eine begleitete Adoption gebe dem Kind die Möglichkeit, seine Biografie positiv verarbeiten zu können, so die Psychologin. Bei Leihmutterschaft hingegen „werden die Brüche zu Beginn des Lebens den Kindern vorsätzlich durch den narzisstischen Kinderwunsch der Bestelleltern aufgedrückt“, kritisiert die Expertin die Verletzung des Kindeswohls. Adoption und Pflegeelternschaft seien die bessere Lösung für unerfüllten Kinderwunsch. Diese Kinder seien bereits am Leben und suchten einen Familie, verdeutlichte Eberstaller ihre Position.

Wissenschaftlerin Trallori: „Reproduktionsmedizin ist zu Wunscherfüllungsmaschinerie geworden“

Dr. Lisbeth N. Trallori, feministische Wissenschaftlerin und Autorin des Buches „Der Körper als Ware. Feministische Interventionen“, bezeichnete Leihmutterschaft als „eklatante Geschäftemacherei und Ausbeutung, die soziale Ungleichheit zwischen denen, die anschaffen und jenen, die alles tun, um zu überleben, verschärft“. Die Reproduktionsmedizin sei außerdem zu einer Wunscherfüllungsmaschinerie geworden, die mit der Behandlung von Infertilität nichts mehr zu tun habe, kritisiert Trallori.  „Die einzigen, die im Rahmen der Fortpflanzungsindustrie davon (von Leihmutterschaft Anm. d. R.) profitieren, sind IVF-Zentren, Nobelpraxen und global vernetzte Vermittlungsagenturen“, so die Wissenschaftlerin und Feministin.

Juristin Merckens: „Nationale Verbote werden sukzessive unterwandert“

Die Juristin und Leiterin der Abteilung Politik am Institut für Ehe und Familie (IEF), Dr. Stephanie Merckens, erläuterte, dass Leihmutterschaft zwar in Österreich verboten sei. Allerdings werde dieses Verbot hauptsächlich auf zivilrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Verbote gestützt und habe seine Grenze damit an der österreichischen Landesgrenze. Auf die Straftatbestände der Sklaverei oder des Menschenhandels habe man bis dato noch nicht zurückgegriffen. Auch das Verbot jeglichen Kinderhandels in der UN-Kinderrechtskonvention sei noch nicht ausreichend zur Interpretation der relevanten Normen berücksichtigt worden. Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zu Fragen der Anerkennung rechtlicher Elternschaft nach internationalen Leihmutterschaftsverträgen zeigten, dass „die Büchse der Pandora geöffnet wurde“, so Merckens. „Rechtliches Bollwerk gegen Leihmutterschaft“ sei allerdings die in Österreich und weiteren Staaten geltende Regelung, dass rechtliche Mutterschaft unabänderlich durch Geburt begründet werde. Eigentlich würden schon die geltenden internationalen Regelungen um Adoption die Praktik der Leihmutterschaft verbieten. Da man aber anscheinend davor zurückschreckt, diese konsequent umzusetzen, brauche es ein explizites Verbot von Leihmutterschaft. Man dürfe nicht übersehen, dass die bisherigen international verhandelten Standards von Adoption sowie das Verbot von Kinderhandel und der Sklaverei allesamt Normen seien, die generell präventiv sowohl das Wohl von Kindern als auch jenes von Frauen schützen wollten. Man müsse aufpassen, dass nicht das richtigerweise zu beachtende Kindeswohl eines konkret betroffenen Kindes missbraucht werde, um jene Normen zu unterwandern, die generell-präventiv für das Kindeswohl wirken sollten, so die Juristin.

Feministische Philosophin Krondorfer: „Leihmutterschaft reduziert Körper der Frau auf Rohstoff“

Für die feministische Philosophin und Mitbegründerin der „Frauenhetz“, Dr. Birge Krondorfer, sei Leihmutterschaft die Fortsetzung des „heiligen“ Mutterbildes religiösen und antiken Ursprungs, die Reduzierung der Frau auf ihren Körper durch das Patriarchat. Der weibliche Körper werde durch die „krude Verbindung von Technologie und Profit“ als Rohstoff „be- und vernutzt“, so Krondorfer. „Im ‚Zur-Ware-Werden’ von Leihmüttern vervollkommnete sich die Geschichte des Patriarchats von der Entwertung der Frauen hin zu ihrer kommerziellen Verwertung“, meint die Philosophin. Sie hinterfrage außerdem den Kinderwunsch im Sinne des Ausdrucks „Kinder haben wollen“, der doch an sich einen Besitzwille ausdrücke, obwohl Menschen nicht besessen werden könnten. Einem Verbot von Leimutterschaft stand Krondorfer als einzige der Expertinnen gespalten gegenüber. Im Sinne einer ethisch-gesellschaftlichen Wirkung eines Verbots von Leihmutterschaft könne sie mitgehen. Sie weise jedoch darauf hin, dass Verbote in der Vergangenheit schon oftmals zur Übertretung angeregt hätten. Krondorfer plädiere vielmehr für Bildung und Aufklärung im Bereich von Leihmutterschaft, damit Personen überhaupt den Kontext verstehen könnten und sich gegen Leihmutterschaft positionieren könnten.

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