Baby ohne Mann
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IEF-Kommentar: Ö1-Sendung „Baby ohne Mann“ vom 09.08.2022

Stellungnahme zur Ö1 Sendung Journal Panorama „Baby ohne Mann“ von Antonia Holewik, Leiterin der Abteilung Politik am IEF

Der unerfüllte Kinderwunsch und der damit verbundene Schmerz, die Schwierigkeit, einen geeigneten Partner zu finden, die Angst vor Beziehungsproblemen und dem Scheitern dieser – all das sind ganz reale und existenzielle Probleme, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben. Die in der Ö1 Sendung präsentierten Lösungen klingen jedoch vielfach wie eine Werbeeinschaltung für Kinderwunschzentren und Samenbanken. Generell leidet die Sendung an einem Gebrechen, das unsere Medienlandschaft in weiten Teilen befallen hat – an einer mehr oder weniger bewussten Reduktion der Wirklichkeit.

Wenn man die oben erwähnten Schwierigkeiten rein aus der Perspektive von Frauen mit Kinderwunsch betrachtet und sowohl Männer als auch Kinder ausklammert, mögen künstliche Befruchtung, Insemination oder ein One-Night-Stand als geeignete Abhilfen erscheinen. Aber auch hier werden bereits medizinische und psychische Risiken für Frauen, die mit künstlicher Befruchtung einhergehen, sowie finanzielle und erzieherische Herausforderungen für Alleinerziehende ausgespart bzw. schnell abgetan. Präsentiert wird der Idealfall einer Frau, die im Vorhinein alles geplant hat, finanziell abgesichert ist und sich ein geeignetes Beziehungsumfeld aufgebaut hat. Ein Idealfall, der in Wirklichkeit selten in dieser Form existieren wird.

Beinahe gänzlich fehlt im Ö1 Journal Panorama die Perspektive des Kindes. Diese wird mit der Zusicherung einer Frau, die sich für ein Kind ohne Mann entschieden hatte, abgetan, ihr Kind sei glücklich. Erwähnt wird außerdem eine Studie, die besagen soll, dass Kinder, die bei gewollt alleinerziehenden Müttern aufwachsen, sich genauso gut entwickeln würden, wie Kinder, die mit Vater und Mutter aufwachsen. Doch wo bleibt die Erwähnung der Studien, die belegen, dass die beste familiäre Konstellation für Kinder eine stabile Vater-Mutter-Beziehung ist?

Der Vorwurf, Frauen, die sich ein Kind ohne Vater wünschen, würden egoistisch handeln, wird in der Sendung sofort als Vorurteil abgetan. Aber ist es wirklich nur ein Vorurteil? Ist es verantwortungsvoll und im besten Interesse des Kindes, dass es ohne Vater aufwächst, oder steht vielleicht doch die unbedingte Erfüllung des Kinderwunsches und damit das Interesse der Frau im Vordergrund? Warum wird nicht auch die Perspektive von Spenderkindern in die Sendung einbezogen (siehe Verein Spenderkinder in Deutschland), die oft unter der Unkenntnis und dem Desinteresse eines genetischen Elternteils (beispielsweise eines Samenspenders) leiden, ohne dieses Leid thematisieren zu dürfen? Auch ihre eigenen Bedenken werden schließlich damit quittiert, dass sie glücklich sein müssen, da sie gewollt sind.

Und warum schauen wir nicht einmal auf unsere Gesellschaft und überlegen, was dazu geführt hat, dass Frauen immer seltener einen Partner finden, mit dem sie eine Familie gründen können und wollen? Warum Männer lieber Samenspender werden, als Verantwortung für ein Kind zu übernehmen und an gelingenden Beziehungen zu arbeiten? Und warum Frauen die Familienplanung und den Kinderwunsch so lange aufschieben, bis es (fast) zu spät ist. Kann es sein, dass uns von der Kultur vermittelt wird, dass Spaß, Karriere und Selbstverwirklichung an erster Stelle stünden, wir aber tief drinnen wissen und mit den Jahren immer besser und selbstbewusster artikulieren können, dass Dinge die sinnstiftend sind, hingebungsvolle Beziehungen, wie die zwischen Eltern und Kindern, Solidarität und ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebensressourcen, die Dinge sind, die uns wirklich und dauerhaft glücklich machen?

Die Ö1 Sendung vom 09.08. thematisiert reale und wichtige gesellschaftliche Probleme. Schade nur, dass die Reportage nicht zum Anlass genommen wird, um nach echten und nachhaltigen Lösungen zu suchen, sondern lieber Werbung für Reproduktionskliniken, Samenbanken und eine vaterlose Gesellschaft mit Männern, die keine Verantwortung übernehmen sollen, promotet werden.

Was wäre die Alternative?

Das Großziehen von genetischem Nachwuchs ist nicht alles. Elternschaft kann auch auf andere als nur biologische Weise gelebt werden. Gerade wenn die Umstände einen nicht auf den erwünschten Lebensweg geführt haben, gilt es, auch andere Optionen wie etwa Adoption zu erwägen. Damit mehr Menschen eine glückliche Beziehung führen können und sich trauen, eine Familie zu gründen, muss auch die Beziehungskompetenz von Paaren gestärkt und ihnen Auswege aus Krisen aufgezeigt werden. Man kann auch Jungs zu verantwortungsvollen Männern erziehen, die nicht nur den Weg des geringsten Widerstands wählen. Schließlich gilt es in unserer Gesellschaft, Familien wieder die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen, damit junge Menschen nicht glauben, sie müssten zuerst alles für die Ausbildung, den Job, den sozialen Status und die Selbstoptimierung tun, bevor sie sich ihren Herzenswunsch nach einer gelingenden Beziehung und Familie erfüllen.

Alles leichter gesagt als getan. Aber bekanntlich brauchen wirklich wertvolle Dinge im Leben auch viel Einsatz. Lassen wir uns als Individuen und als Gesellschaft nicht von schnellen, vermeintlichen „Lösungen“ verführen. Denn die bringen schlussendlich meist mehr Leid als den erhofften Erfolg. (AH)

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