AT_US / Reproduktionsmedizin: Hype um „Snowbaby“ Emma verschleiert IVF-Problematik
IEF, 16.1.2017 – Im November wurde im US-Bundesstaat Tennessee Emma Gibson geboren. „Snowbaby“ Emma wurde ihrer Mutter als bis dahin knapp 25 Jahre eingefrorener Embryo eingesetzt. Das Paar adoptierte den Embryo, da der Mann aufgrund einer Mukoviszidose-Erkrankung zeugungsunfähig sei. Die Geburt des Babys wird seit einigen Wochen medial gehypt. Die Geburt soll einen Weltrekord aufgestellt haben: Emma weise mehr Jahre als Embryo auf als jedes andere bekannte „Snowbaby“.
Während die Geburt von Emma zum großen reproduktionsmedizinischen Erfolg stilisiert wird, bleiben die Absurditäten des Falles weitgehend unbeachtet. Die 26-jährige Mutter von Emma, Tina Gibson, könnte theoretisch deren Sandkastenfreundin sein. Eine Tatsache, die Tina Gibson auch selbst so wahrnehme: „Wenn dieser Embryo schon damals geboren worden wäre, hätte wir beste Freundinnen werden können.“ Den Embryo hätten die Gibsons im National Embryo Donation Center in Knoxville aus mehr als 300 Profilen sogenannter Spenderpaare ausgewählt. Da sie selbst eher klein und schlank gebaut seien, adoptierten sie den Embryo eines ähnlichen Paares. Die biologischen Eltern von Emma hatten im Oktober 1992 Embryos für eine künstliche Befruchtung einfrieren lassen. In den USA können Paare die „überzähligen“ Embryos zu Forschungszwecken oder zur Adoption, wie im Fall von „Snowbaby“ Emma, freigeben. Dass es sich um einen Weltrekord handeln würde, sei Gibson nicht wichtig gewesen, denn für sie stand im Vordergrund: „Ich wollte ein Baby“, so Tina Gibson.
Für aktion leben Generalsekretärin Martina Kronthaler offenbare der Fall die durch Eizellspende und Leihmutterschaft ständig wachsende Problematik der In-Vitro-Fertilisation (IVF). Das berichtet kathpress unter Bezugnahme auf einen Gastkommentar Kronthalers. Es gebe immer mehr tiefgefrorene Embryonen, laut dem kürzlich veröffentlichten IVF-Bericht in Österreich mehr als 30.000 in 2016. „Im Grunde werden sie von Eltern im Stich gelassen“, gibt Kronthaler dem Dilemma eine weitere, menschliche Konnotation. In Emmas Fall bleibe zudem der Umgang mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Eltern ungelöst: „Emma wird irgendwann die Frage nach ihren biologischen Eltern stellen. Niemand wird sie beantworten können“, gibt Kronthaler zu bedenken.
Durch das geltende Fortpflanzungsmedizingesetz wäre ein Fall wie der von Emma zwar in Österreich rechtlich nicht möglich, da Embryonen maximal 10 Jahre aufbewahrt werden dürften, die ethische Problematik überzähliger Embryonen bliebe damit aber bestehen, erklärt Dr. Stephanie Merckens, Juristin am Institut für Ehe und Familie (IEF). Denn unabhängig davon, wie lange Embryonen aufbewahrt werden dürfen, stelle sich nach Ablauf dieser Zeit die Frage, wie mit ihnen umgegangen werden solle. Dieses Dilemma sei einer der großen Kritikpunkte an der Praxis künstlicher Befruchtungen. Auch wenn es immer wieder Lippenbekenntnisse zur Vermeidung von überzähligen Embryonen gebe, zeige die Praxis wenig Interesse der Anwender, die Zahlen zu reduzieren, meint Merckens.
Kronthaler wiederum kritisiert insbesondere, dass Fortpflanzungsmediziner die Sensationsmeldung von „Snowbaby“ Emma „nützen, um die in ihren Augen unzulässig eingeschränkten Möglichkeiten anzuprangern“, so die aktion leben Generalsekretärin. Emmas Geburt scheine das Motto „Alles ist möglich“ zu vermitteln. „Aus Sicht von Fortpflanzungsmedizinern, die Geld verdienen möchten“ sei dies eine Botschaft an verzweifelte Kinderwunschpaare, so Kronthaler.