INT / Abtreibung: Studie liefert umstrittene und widersprüchliche Ergebnisse
IEF, 05.12.2019 – Eine im „Lancet“ veröffentlichte Studie untersucht den Zusammenhang zwischen einer Abtreibung und dem Risiko eines nicht tödlichen Suizidversuchs.
Die in der medizinischen Fachzeitschrift Lancet Psychiatry veröffentlichte Studie von Steinberg et al. analysiert die Daten von über 500.000 dänischen Frauen im Alter zwischen 18 und 36 Jahren, die zwischen 1980 und 1998 geboren wurden. Die Studie ist nicht unumstritten und wurden teilweise von sich für die Abtreibung einsetzenden Organisationen, wie etwa der „Society of Family Planning“ finanziert.
Die Wissenschaftler verglichen im Rahmen der Studie die Daten von Frauen mit und ohne Abtreibungen im Zeitraum zwischen Januar 2000 und Dezember 2016. Bei den Frauen mit einer ersten Abtreibung wurden ausschließlich Frauen mit Schwangerschaftsabbrüchen im ersten Schwangerschaftsdrittel berücksichtigt.
Als Anlass für die Studie nennen die Autoren restriktive Abtreibungsgesetze in einigen US-Bundestaaten, die sich unter anderem auf das Argument einer erhöhten Suizidrate von Frauen nach Abtreibungen stützen.
Der Zusammenhang von Suizidversuch und Abtreibung: Eine Frage nach Henne oder Ei?
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass nach Berücksichtigung der Faktoren wie Alter, Kalenderjahr, weitere Geburten, psychische und körperliche Gesundheit sowie sozioökonomischer Status kein Zusammenhang zwischen einer Abtreibung und einem erhöhten Risiko für Suizidversuche festgestellt werden könne. Obwohl sich bei der Auswertung der Daten herausstellte, dass Frauen nach einer Abtreibung ein erhöhtes Risiko für erste nicht tödliche Suizidversuche aufwiesen, wurde dieses Ergebnis wurde durch die Tatsache relativiert, dass das Risiko sowohl ein Jahr vor als auch ein Jahr nach der Abtreibung erhöht war. Somit konnte die erhöhte Suizidversuchsrate nicht auf Abtreibungen zurückgeführt werden.
Wie es in einem Artikel des Department of Family Science der University of Maryland zur Steinberg-Studie heißt seien vielmehr bereits bestehende psychische Gesundheitsprobleme ausschlaggebend. Den stärksten Einfluss auf ein erhöhtes Risiko eines Suizidversuchs hätten Faktoren wie Besuche beim Psychiater und die Einnahme von Antidepressiva. Trine Munk-Olsen von der Universität Aarhus, eine Co-Autorin der Studie, schlägt daher vor, Frauen, die Rat und Unterstützung rund um eine Abtreibung suchen, auf psychische Gesundheitsprobleme zu untersuchen, um so der Abtreibung vorausgehende Probleme zu identifizieren und zukünftige zu vermeiden.
Für die Biopolitikerin Dr. Stephanie Merckens ist dieses Ergebnis insofern besonders interessant, weil es den – nachvollziehbaren – Zusammenhang von psychisch angespannter Situation und ungeplanter Schwangerschaft nahelegt. Dass Abtreibung von psychisch bereits leidendenden Personen nicht als wünschenswerte Lösung ihrer Probleme empfunden wird und dadurch eine suizidale Tendenz noch unterstützen könnte, scheint ebenfalls nachvollziehbar und wert, näher untersucht zu werden, so Merckens.
Schwachstellen der Studie
National Review weist in seiner Analyse auf einige Schwachstellen der Studie hin. So würde sich die Studie bei der Auswertung der Daten lediglich auf nicht tödliche Suizidversuche beschränken und vollendete Suizide außer Acht lassen. Selbstverletzung auch ohne Suizidabsicht würde hingegen als eine Unterkategorie von nicht tödlichen Suizidversuchen gewertet werden.
Außerdem würden in der Studie lediglich Daten von über 18-jährigen Frauen analysiert. Möglicherweise könnten Abtreibungen bei Minderjährigen die Wahrscheinlichkeit eines Suizidversuchs jedoch erhöhen. Die Studie geht auch nicht auf die Frage ein, ob ein Schwangerschaftsabbruch das Risiko multipler Suizidversuche erhöhen würde.
Gewertet werden in der Studie nur Abtreibungen im ersten Schwangerschaftsdrittel. Auswirkungen von Spätabtreibungen auf das Risiko eines Suizidversuchs bleiben unberücksichtigt. Dabei würden bereits Studien existieren, die einen Zusammenhang zwischen Spätabtreibungen und dem erhöhten Risiko einer Reihe psychischer Erkrankungen nachweisen.
Was in der Zusammenfassung der Studie nicht erwähnt werde, sei die Tatsache, dass die Studienergebnisse auf einen Zusammenhang zwischen Abtreibungen und einem erhöhten Suizidversuchsrisiko im ersten Monat nach dem Schwangerschaftsabbruch hinweisen. Das würde sowohl auf Frauen zutreffen, die bereits vor dem Abbruch in psychiatrischer Betreuung standen, als auch jene die es nicht waren.
National Review zitiert noch weitere Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen Abtreibung und Suizid hinweisen. Die Ergebnisse zweier Studien aus Italien und Finnland belegen, dass Frauen nach einer Abtreibung suizidgefährdeter sind, als jene die ihr Kind austragen. Eine andere Studie aus dem Jahr 2002, die die Daten von über 170.000 Frauen in Kalifornien analysierte, wies zudem nach, dass Frauen nach einer Abtreibung eine 154 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit aufwiesen einen Suizid zu begehen, als jene, die ihr Kind zur Welt brachten.
Der Artikel weist auch auf die Finanzierung und die Verbindungen der an der Studie teilnehmenden Wissenschaftler hin. Wie bereits erwähnt, gehört die „Society of Family Planning“, die offen für legale Abtreibungen eintritt, zu den Geldgebern der Studie. Die Studienleiterin, Julia Steinberg, hat zudem als Beraterin bei der Planned Parenthood Federation of America gearbeitet. (AH)