DE / Lebensende: Gesundheitsministerium wendet sich gegen die Ausgabe tödlicher Medikamente
IEF, 10.7.2018 – Das deutsche Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wendet sich gegen eine Ausgabe tödlicher Medikamente zum Zweck der Selbsttötung durch staatliche Verwaltungsbehörden. In einem Schreiben forderte Staatssekretär Lutz Stroppe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn auf, Patienten keine tödliche Dosis eines Betäubungsmittels auszuhändigen.
Keine Ausgabe von tödlichen Betäubungsmitteln
Wie das Ärzteblatt berichtet, soll Stroppe BfArM-Präsident Karl Broich „nach intensiver Beratung im Bundesministerium für Gesundheit“ gebeten haben, Anträge auf den Erhalt tödlicher Betäubungsmittel abzulehnen. In dem Schreiben des Gesundheitsministeriums betonte Stroppe weiter, die Vergabe von tödlichen Medikamenten sei nicht mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes vereinbar, das die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen müsse. Eine Selbsttötung könne keine Therapie sein. Eine staatliche Ausgabe tödlicher Betäubungsmittel sei zudem nicht zu vereinbaren mit den Grundwerten der Gesellschaft und dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Suizidhilfe, das der Bundestag im Dezember 2015 beschlossen hatte, so der Staatssekretär. Er soll zudem darauf verwiesen haben, dass die Vorgänger-Regierung mit mehreren Gesetzesinitiativen die Palliativ- und Hospiz-Versorgung gestärkt habe.
Seit Urteil des BVerwG 108 Anträge eingegangen
Am 2.3.2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig entschieden, dass Schwerkranke in „extremen Ausnahmesituationen“ Anspruch auf Medikamente zur schmerzlosen Selbsttötung haben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dürfe schwer und unheilbar Kranken in Extremfällen den Zugang zu Betäubungsmitteln nicht verwehren. Seither sollen beim BfArM 108 Anträge gestellt worden seien, denen bislang weder ent- noch widersprochen worden sei.
Ehemaliger Richter Di Fabio: Urteil „verfassungsrechtlich nicht haltbar“
In einem Gutachten für das BfArM bezog der frühere Richter des Bundesverfassungsgerichts Udo Di Fabio klar Position gegen die Freigabe von tödlichen Betäubungsmitteln für Suizidenten. Di Fabio, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn, stellte in einem Rechtsgutachten klar, dass den Staat keine Schutzpflicht treffe, seine Bürger beim Suizid zu unterstützen. Er legte dar, dass eine Mitwirkung des Staates an Selbsttötungen vielmehr „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ sei.
Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe: „Sterben ist kein Verwaltungsakt“
Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, begrüßte in einer Pressemitteilung die Ministeriumsentscheidung: „Die Begleitung sterbenskranker Menschen ist eine urärztliche Aufgabe. Es kann und darf nicht sein, dass staatliche Behörden schwerstkranken und unheilbaren Patienten einen Schierlingsbecher verschreiben oder das Rezept zur Selbsttötung ausstellen. Sterben ist kein Verwaltungsakt.“ Ärztinnen und Ärzte trügen eine große Verantwortung bei der Sterbebegleitung. In der Stunde der Not lasse der Arzt seinen Patienten und auch dessen Angehörige nicht im Stich. „Jede Ärztin, jeder Arzt ist ein Sterbebegleiter, aber kein Sterbehelfer“, betont Windhorst. Würdiges Sterben werde nur möglich sein, „wenn wir das Thema Sterben und Tod in unserer Gesellschaft enttabuisieren und den Prozess des Sterbens als untrennbar mit dem Leben verbunden akzeptieren“, mahnt Windhorst an.