Hass im Netz
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AT / Meinungsfreiheit: Gesetzesentwurf zu „Hass im Netz“ ruft gemischte Reaktionen hervor

IEF, 14.09.2020 – Der nun von der Regierung vorgestellte Entwurf legt die Bewertung der Rechtmäßigkeit von Meinungen in die Hand von Unternehmen.

Am Donnerstag, den 03. September, stellten die Justizministerin Alma Zadic, die Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die Frauenministerin Susanne Raab und die Klubobfrau der Grünen Sigrid Maurer den gemeinsamen Entwurf für ein Gesetz gegen „Hass im Netz“ vor.

Umfassendes Gesetzespaket an Europäische Kommission geleitet

Der Gesetzesentwurf, für den das Notifizierungsverfahren bei der Europäischen Kommission bereits eingeleitet wurde, behandelt verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit sogenannten Hasspostings im Internet. Laut Justizministerium ist einer der Schwerpunkte des Entwurfs, dass mittels eines Mahnverfahrens über ein Formular auf der Justizwebsite eine Löschung von Postings, die die Menschenwürde verletzten, per Unterlassungsauftrag ohne ein Verfahren erwirkt werden kann.

Weiters soll die Ausforschung eines Täters in Zukunft auf Antrag durch die Behörden erfolgen statt wie sonst in Privatanklagedelikten durch das Opfer. Auch soll das Kostenrisiko für die Opfer entfallen. Bisher müssen diese im Falle eines Freispruchs die Prozesskosten tragen. Auch die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung der Opfer soll ausgebaut werden.

Darüber hinaus soll der Tatbestand der Verhetzung ausgeweitet werden, sodass er bereits erfüllt ist, wenn nur eine Einzelperson wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit bedroht oder gegen sie gehetzt wird. Das Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen einer Person, soll bereits ab dem ersten Posting strafbar sein. Für das unbefugte Fotografieren des Intimbereichs, das sogenannte „Upskirting“, soll künftig bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe drohen.

Plattformen sollen Beschwerden erleichtern, sonst drohen empfindliche Strafen

Um Hasspostings zu melden sollen mediale Plattformen künftig eine ständig erreichbare und leicht handhabbare Meldemöglichkeit einrichten und je nach Eindeutigkeit des strafbaren Inhalts die Postings innerhalb von 24 Stunden bis hin zu 7 Tagen löschen müssen. Außerdem werden sie verpflichtet, einen Zustellungsbevollmächtigten als Ansprechperson für die österreichischen Behörden, Unternehmen und Bürger zu ernennen.

Bei „systematischem Versagen“ der Plattformen sollen Geldbußen in der Höhe von bis zu 10 Millionen Euro drohen, „damit auch Milliardenkonzerne den Opferschutz ernst nehmen“.

Unternehmen sehen österreichischen Alleingang kritisch

Wie der ORF berichtet, unterstützten große Internetkonzerne wie Google oder Facebook den Kampf gegen „Hass im Netz“ sowie Maßnahmen, die zu einem größeren Schutz von Nutzern führten. Auch begrüßten sie die Rechtssicherheit für Unternehmen. Allerdings warnten sie vor Alleingängen europäischer Mitgliedsstaaten, da diese zu einer „Fragmentierung des digitalen europäischen Binnenmarktes“ führten. Ein gemeinsamer europäischer Ansatz wäre hingegen zu begrüßen.

Organisationen sorgen sich um Meinungsfreiheit

Von Amnesty International, der Beratungsstelle ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) und der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works wurde das Gesetz zwar im Großen und Ganzen gelobt, allerdings hat man Sorge, dass die Maßnahmen zulasten der Meinungsäußerungsfreiheit gingen. Außerdem würden die Regeln für kleinere Plattformen kaum umsetzbar sein. Dieser Kritik schloss sich auch die Oppositionspartei NEOS an.

Die FPÖ kritisierte hingegen, dass durch das Gesetz statt „österreichischer Juristen zukünftig Praktikanten von Großkonzernen – auf Zuruf – über Österreicher urteilen“ würden, wie die Verfassungssprecherin Susanne Fürst mitteilen ließ. Klubomann Herbert Kickl sprach hingegen von einer „geplanten Ausübung der Zensur“.

Sorge kommt auch aus den eigenen Reihen

Auch Nationalrätin und ÖVP-Parlamentsklub-Bereichssprecherin für Menschenrechte Gudrun Kugler zeigte sich kritisch gegenüber einer spezifischen Regelung von „hate speeches“. In ihrem Plädoyer für eine Debattenkultur sprach sie sich dafür aus, die bestehenden „Tatbestände wie gegen üble Nachrede, Verhetzung bzw. Ehrenbeleidigung“ auszuschöpfen statt neue Begrifflichkeiten einzuführen.  Als „schlechtes Beispiel“ verwies sie auf Deutschland, wo das aktuelle Gesetz unter anderem von Reportern ohne Grenzen scharf kritisiert wird. Grundtenor der Kritik ist auch hier die „überbordende Einschränkung der Meinungsfreiheit“.  (MM)

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