DE / Familie: Gesetzesentwurf des Justizministeriums zu Kinderrechten
IEF, 14.01.2020 – Trotz anhaltender Kritik legte Justizministerin, Christine Lambrecht, im Dezember einen Gesetzesentwurf zur Ressortabstimmung der Bundesregierung vor.
Neuer Absatz im deutschen Grundgesetz
Laut der Süddeutschen Zeitung, welcher der genannte Gesetzesentwurf vorliegt, soll im Artikel 6 Grundgesetz eine neuer Absatz 1a eingefügt werden. Dieser soll folgendermaßen lauten:
„Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichem Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.“
Die gesetzgeberische Absicht sei es die bereits geltenden Grundrechte der Kinder zu verdeutlichen, auf die Pflicht zur Berücksichtigung des Kindeswohls und das Anrecht auf rechtliches Gehör der Kinder hinzuweisen und deutlich zu machen, „welch hohe Bedeutung Kindern und ihren Rechten in unserer Gesellschaft zukommt“.
Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat
Der Gesetzesentwurf basiert auf dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die im Auftrag der Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD Vorschläge zur Ausgestaltung eines Kindergrundrechts ausgearbeitet hatte. Das IEF hat berichtet. Wie die Süddeutsche Zeitung verdeutlicht, setzt der Gesetzesentwurf jedoch nicht alle Vorschläge der Arbeitsgruppe um. So soll sich die Justizministerin beispielsweise für eine „angemessene“ und nicht, wie von der Arbeitsgruppe vorgeschlagen, „wesentliche“ oder „vorrangige“ Berücksichtigung des Kindeswohls entschieden haben, um dadurch interventionswilligen Richtern nicht allzu viel Spielraum zu geben. Nicht übernommen wurde demnach auch der Vorschlag, jedem Kind einen Anspruch auf „Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ einzuräumen.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet außerdem, dass laut den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf möglichst wenig am Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat geändert werden soll. Elternrecht und Elternverantwortung sollen demnach „inhaltlich unverändert“ bleiben.
Anhaltende Kritik
Kritiker der Aufnahme von expliziten Kinderrechte in die Verfassung zeigen sich von den Adaptierungen jedoch nicht überzeugt. Laut dem Bundesarbeitskreis Christlich Demokratischer Juristen (BACDJ) hätten „neu positivierte Kinderrechte“ das Potential, „Entscheidungsbefugnisse, die bisher den Eltern vorbehalten sind, auf den Staat zu verlagern“. Mehr zum Gutachten des BACDJ lesen Sie hier.
Öffentlichrechtler spricht von „Verfassungstrojaner“
Arnd Uhle, Professor für öffentliches Recht an der Universität Leipzig, betont, dass Kinder sowieso schon Grundrechtsträger sind. In dem Gesetzesentwurf sieht er daher viel eher einen „Verfassungstrojaner“, der die Gefahr birgt die Elternverantwortung zugunsten einer Stärkung des staatlichen Einflusses auf Kinder und Familien zu schwächen.
In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen bestätigt Uhle die Ansicht des Justizministeriums, wonach die Schaffung eines neuen Kinderrechtsartikels juristisch nicht zwingend wäre, da Kinder ohnehin bereits als Grundrechtsträger anerkannt sind. In dem Zusammenhang stellt sich dem Richter und Rechtsprofessor Uhle die Frage nach der Rechtfertigung und dem Sinn der Verfassungsänderung.
Die momentane Gesetzeslage würde davor schützen, „dass der Staat auch gegen den Willen der Eltern für eine aus seiner Sicht optimale Entwicklung des Kindes“ Sorge tragen könnte. Die geplante Ergänzung des Grundgesetzes hätte jedoch das Potenzial, das „bislang ausbalancierte Verhältnis zwischen der elterlichen Primärverantwortung und dem staatlichen Wächteramt zu Lasten des Elternrechts in eine Schieflage zu bringen“. Der Entwurf enthalte auch keinerlei Hinweis auf die Elternrechte, sondern spreche davon, dass Kinder ein Recht auf Entwicklung „in der sozialen Gemeinschaft“ hätten. Damit würde gerade der staatliche Schutz der Grundrechte von Kindern und die staatliche Verantwortung für das Kindeswohl hervorgehoben. Die Absichtserklärung des Gesetzgebers, das Elternrecht oder die Elternverantwortung nicht einschränken zu wollen, wäre in dem Fall unzureichend, zumal eine entsprechende Sicherungsklausel im Gesetzestext fehle, so der Rechtsexperte weiter.
Die Verankerung der Kinderrechte noch vor den Elternrechten im Artikel 6 Absatz 1a spräche zudem dafür, dass die „kinder- und familienbezogenen Einwirkungskompetenzen des Staates“ dem Elternrecht „gleichberechtigt gegenüberstehen, ihm im Einzelfall sogar vorgehen“ könnten. Laut Uhle berge die Verfassungsänderung zudem das Risiko einer Prüfung und Neubewertung des Elternrechts durch das Bundesverfassungsgericht. Diesem könnte nämlich die einerseits deklarierte Erfordernis einer Verfassungsänderung mit einer gleichzeitig geäußerten Absicht, keine Änderung der Verfassungslage vornehmen zu wollen, als „korrekturbedürftige Annahme erscheinen“.
Lobbying-Papier gegen Elternrechte
Dass es eine generelle Tendenz gibt Elternrechte zu beschränken, zeigt auch ein jüngst bekannt gewordenes Lobbying-Papier unter dem Titel „Only adults? Good practice in legal gender recogition for youth“. Der Leitfaden möchte Aktivisten weltweit Werkzeuge in die Hand geben, um Gesetze so zu ändern, dass Kinder die rechtliche Definition ihres Geschlechts auch ohne das Einverständnis der Eltern oder Ärzte ändern können. Explizit heißt es darin, dass Staaten gegen Eltern vorgehen sollten, die „die freie Entwicklung der Transidentität ihrer Kinder behindern, in dem sie ihre elterliche Einwilligung, wo diese gefordert wird, verweigern“. Gesetze sollen so geändert werden, dass eine Altersbeschränkung aufgehoben und eine Einwilligung der Eltern für die rechtliche Änderung des Geschlechts oder die rechtliche Anerkennung einer selbst definierten geschlechtlichen Identität von vornherein gar nicht nötig ist. Die Autoren des Leitfadens treten auch für eine selbst gesteckte geschlechtliche Identität, ohne das Erfordernis einer medizinischen Untersuchung oder der Diagnose einer Geschlechtsdysphorie, ein. (AH)