Gendern
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DT / Gender: Gendern sexualisiert die Sprache

IEF, 09.09.2022 – Linguisten fordern einen „regelkonformen, verantwortungsbewussten und ideologiefreien“ Sprachumgang im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Über 300 Sprachexperten, darunter Mitglieder des deutschen Rechtschreibrates und Professoren an deutschen, österreichischen und internationalen Universitäten, haben sich im Juli 2022 an einem öffentlichen Aufruf beteiligt. In diesem haben sie sich gegen die vermeintlich “gendergerechte” Sprache ausgesprochen, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) propagiert werde. Einige alltägliche Beispiele dieser Genderpraxis sind Formen, wie zum Beispiel “Studierende” oder “Demonstrant-innen”. Diese werden meistens damit begründet, dass das generische Maskulinum “Demonstranten” diskriminierend sei. Es beachte nicht-männliche “Demonstrant*innen” nicht, oder “denke diese nur mit”. Die Linguisten und Philologen, die den Aufruf unterzeichnet haben, lehnen diesen veränderten Sprachgebrauch ab. Stattdessen fordern sie vom ÖRR „mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei“ umzugehen. Doch warum wird das Gendern von renommierten Linguisten, Philologen und Sprachwissenschaftlern so negativ bewertet?

Sprache kennt Regeln und ist nicht bloß eine soziale Konvention

Zunächst würden Gendersonderzeichen schlichtweg nicht dem Amtlichen Regelwerk zur Deutschen Rechtschreibung entsprechen; und dies aus einem wissenschaftlich einfach zu erklärenden Grund. Wie der österreichische Sachbuchautor, Robert Sedlaczekdarlegt, trete der sogenannte Knacklaut oder Glottisschlag, wie er z.B. beim Wort “Demonstrant-innen” “gendergerecht” ausgesprochen werden sollte, in der deutschen Sprache automatisch auf: Bei dem Verb “beobachten” artikulieren wir beispielweise die beiden Vokale e und o automatisch getrennt, sodass die deutsche Rechtschreibung im Allgemeinen keine Sternchen, Doppelpunkte oder Striche benötige, wie es hingegen in anderen Sprachen, zum Beispiel im Hebräischen, der Fall ist.

Gegen den Einwand, das generische Maskulinum sei grundsätzlich eine diskriminierende Sprachkonvention, heißt es im Aufruf, dass es im Deutschen schon lange eine neutrale, verallgemeinernde Verwendung des Maskulinums gegeben habe. Die Tatsache also, dass bis vor ein paar Jahren immer nur von “Studenten” anstelle von “Student-innen” die Rede war, habe also nicht damit zu tun, dass in Vergangenheit das Studieren tatsächlich ein Männerprivileg war. Wie Eva Trutkowski und Helmut Weiß, zwei Sprachwissenschaftler, ebenfalls pointiert näherbringen: Frauen können seit 1000 Jahren Sünder und Freunde sein; dass sie aber „nicht gesündigt hätten und niemandes Freunde oder Nachbarn waren, ist recht unwahrscheinlich“.

Gendern fördert keine Geschlechtergerechtigkeit

Bleibt noch das Argument der Gerechtigkeit. Was ist, wenn die vielen nicht-männlichen “Demonstrant*innen” ohne Sternchen unter den Demonstranten verschwinden und vom Kollektiv als nicht gleichwertige Mitglieder betrachtet werden? Ein häufiges Argument betrachtet den aktiven Eingriff in die Sprache als Mittel zur gesellschaftlichen Veränderung. Doch – so heißt es in dem Aufruf – Grammatik kann nicht “gerecht” sein und dementsprechend auch keine Geschlechtergerechtigkeit herbeizaubern. Vielmehr betone das Gendern permanent Geschlechterdifferenzen, wo sie eigentlich irrelevant seien. Wie Trutkowski und Weiß erklären: „Während gegenderte Formen wie Lehrer*innen auf Lehrer aller möglichen Geschlechter verweisen, verweist das generische Maskulinum ‘Lehrer’ auf Lehrer unabhängig von deren Geschlecht“. Bleibt also die Frage: Warum geht der Trend hin zu einer Sexualisierung der Sprache? Wo hat die Gendersprache ihren Ursprung?

Gendersprache stammt aus der feministischen Linguistik und ist „stark ideologisch motiviert“

Die Gendersprache komme ursprünglich aus der feministischen Linguistik, die von universitären Gruppierungen vorangetrieben worden sei, so die Wissenschaftler im Aufruf.  Dabei seien es hauptsächlich psycholinguistische Studien, die die Entwicklung einer Gendersprache untermauern würden. Solche Studien konzentrieren sich auf die kognitive Verarbeitung und Interpretation von Sprache, so zum Beispiel auf die Frage, inwiefern wir beim Aussprechen des generischen Maskulinums überwiegend männliche Bilder vor Augen hätten.

Die Diskussion um das Gendern solle allerdings „auf sprachpragmatischer, kommunikationstheoretischer und sprachwissenschaftlicher Basis“ geführt werden. Man fordert „die Abkehr von einem Sprachgebrauch, der stark ideologisch motiviert ist“ und somit „nicht mit dem Bildungsauftrag öffentlicher Medien“ vereinbar sei. Am Ende des Aufrufs heißt es, dass Geschlechtergerechtigkeit selbstverständlich ein legitimes und begrüßenswertes Ziel sei. Das Gendern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehe allerdings einer sachlichen und wissenschaftlichen Diskussion darüber, inwiefern die Gendersprache wirklich zu mehr Gerechtigkeit führe, im Wege.

Großteil der Bevölkerung lehnt das Gendern ab

Obwohl, wie Trutkowski und Weiß beschreiben, nicht nur in den Medien, sondern auch in großen Institutionen und Unternehmen gegendert werde, um „awareness“ zu signalisieren, lehnt laut Umfragen interessanterweise die Mehrheit der deutschen Bevölkerung das Gendern ab.

Befürworter des Genderns verwenden meistens zwei Argumente für die Sprachpraxis, die gegensätzlich zu sein scheinen. Laut dem ersten erscheint Sprache nur als soziales Konstrukt, das künstlich verändert werden könne und von “mündigen Bürgern”, die eine “gendergerechte Gesellschaft” anstreben, auch verändert werden sollte. Laut dem zweiten sei das Gendern einfach eine Form von Sprachwandel, der beobachtet und (dankbar) hingenommen werden sollte. Was beide Argumentationen gemeinsam haben, ist, dass sie die normative Schlussfolgerung und Handlungsmaxime mitschwingen lassen: “Gendern ist richtig und gut”. Doch genau dies scheint wissenschaftlich umstritten zu sein. (SM)

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