
GB / Sexualerziehung: Neue Studie gibt Einblick in Sexualleben Jugendlicher
IEF, 26.7.2018 – Eine neue Studie gibt Einsicht in das Sexualleben Jugendlicher in Großbritannien. Tendenz: Beziehungen verlagern sich ins virtuelle, Jugendliche haben immer weniger Sex und Teenagerschwangerschaften nehmen ab.
Starke Abnahme von Teenagerschwangerschaften
Die neue Studie  des British Pregnancy Advisory Service (BPAS) beschäftigt sich vor allem mit den Gründen für die starke Abnahme von Teenagerschwangerschaften im Vereinigen Königreich. Diese haben in England, Wales Schottland und Nordirland seit 1995 um jeweils ca. 50% abgenommen, teils sogar um noch mehr. Angesichts dieser Zahlen wollte man in einer Befragung von Jugendlichen zu den verschiedensten Themen erfahren, wie und warum es zu dieser Entwicklung kam. Dazu wurden über 1000 Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren mittels eines Fragebogens befragt. Um auch qualitative Ergebnisse in die Studie einfließen zu lassen, wurden zusätzlich  und zusätzlich Protokolle ausgewertet, die einige Jugendliche vier Tage lang über ihr persönliches Internetverhalten geführt haben.
Die Gründe für die starke Abnahme von Teenagerschwangerschaften sind vielfältig. Zum einen liegt es an den Vergleichsjahrgängen, die altersmäßig immer enger gesteckt werden, weswegen es an sich schon aufgrund der Kohortenzahl weniger Jugendliche gleichzeitig im Teenageralter gibt. Zum anderen ist die Bereitschaft, eine Abtreibung durchzuführen gestiegen. Aber es gibt auch noch gewichtige andere Erkenntnisse im Beziehungsverhalten, die die Zahl von Teenagerschwangerschaften beeinflussen.
Wahrnehmung von frühen Schwangerschaften in der Öffentlichkeit
Junge Frauen in der Studie berichten, dass Teenagerschwangerschaften als extrem negativ wahrgenommen werden und sie selbst diese ähnlich bewerten (38%). Männer haben hier sogar eine noch deutlichere Haltung. 46% beschreiben ihre Gefühle gegenüber einer so frühen Vaterschaft als extrem negativ. Als Hauptgründe werden vor allem Geldsorgen, die Angst um die eigene Ausbildung oder Karriere und die Tatsache, dass man sich noch nicht bereit fühle, Eltern zu werden, angeführt. Auch das große gesellschaftliche Stigma wird als wichtiger Grund angegeben.
Mehr online als offline- was das Internet mit Freundschaften macht
Wenn es um ihre Beziehungen und Kontakte geht, heben die Jugendlichen in der Studie vor allem ihre Familie hervor. Mit ihnen verbringen sie viel für sie bedeutsame und wichtige Zeit. Im Zweifel hat die Familie Vorrang vor freundschaftlichen Beziehungen. Abgesehen von der Familie verbringen Jugendliche die meiste Zeit außerhalb von Schule und Ausbildung online. Durchschnittlich fünf Stunden sind die Jugendlichen pro Tag im Internet. „Wenn ich nach Hause komme verbringe ich die meiste Zeit bis ich ins Bett gehe an irgendeinem elektronischen Gerät“, so zitiert die Studie eine weibliche Teilnehmerin. Auch 60-90% der Interaktionen mit Freunden finden online statt. Mehr als die Hälfte sieht ihre Freunde außerhalb der Schule zwar 2-3x in der Woche, 22% sehen ihre Freunde jedoch nur einmal im Monat oder sogar weniger. Dabei sehen männliche Jugendliche ihre Freunde häufiger persönlich als weibliche. Viele Jugendliche geben an, dies auch zu präferieren, es sei jedoch schwierig, dies mit der Ausbildung, der Schule und sonstigen Pflichten noch in den Alltag zu integrieren.
Beziehungen heute
Nur durchschnittlich 25% der Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren sind in einer Beziehung, der Anteil steigt mit dem Alter. 79% der Paare sehen sich wöchentlich, der Rest sieht sich weniger als 1x in der Woche und 9% sogar nur einmal im Monat oder weniger. Vor allem mit zunehmendem Altern sehen sich die Paare tendenziell weniger als mehr. Als Hauptbeschäftigung bei ihren Treffen gaben viele Jugendliche Fernsehen und Online-Streaming Dienste an. Ein Großteil der Interaktionen zwischen einem Paar findet außerdem online statt. Während sich lediglich 27% täglich sehen, schreiben und telefonieren 85% miteinander, teils für mehrere Stunden täglich. Die Studie stellt deshalb die Vermutung an, dass unter anderem die neuen Kommunikationswege für weniger Schwangerschaften sorgen, denn besonders die Paare, die sich häufiger persönlich sehen, sind sexuell aktiver. Die Jugendlichen bewerten die sozialen Medien vornehmlich positiv. Sie würden helfen miteinander im Kontakt zu bleiben.
Wie verhüten Teenies?
Verhütung ist ein wichtiges Thema für Jugendliche, auch weil die Angst vor einer Schwangerschaft groß ist. Die meisten Mädchen (30% der jungen Frauen zwischen 16 und 18) verhüten mittels der Pille oder einem Hormonimplantat. Männer benutzen vor allem Kondome.
Viele Frauen fühlen sich besonders mit der Pille am wohlsten, einige äußern sich jedoch auch negativ. Sie berichten von gesundheitlichen Problemen oder empfinden die körperlichen Veränderungen durch die Pille als Kontrollverlust. Notfallmaßnahmen wie die Pille danach oder auch eine Abtreibung werden allgemein akzeptiert, solange diese nicht als Form der Verhütung gesehen werden.
Jeder denkt es, kaum einer hat es – Sexualität im Jugendalter
Nur ca. ein Drittel hatte bereits vor dem 16. Lebensjahr Sex. Gleichzeitig schätzen in der Umfrage 70% der Jugendlichen, dass mindestens die Hälfte der Gleichaltrigen Sex haben oder hatten. Jugendliche fühlen sich von den Gleichaltrigen und den Darstellungen in den Medien diesbezüglich unter Druck gesetzt. Jungfräulichkeit wird als etwas Negatives angesehen und in den Medien scheint Sexualität in der Jugendzeit als selbstverständlich angesehen zu werden. Fragt man Jugendliche, wie sie selbst gerne Sexualität leben würden, so wünschen sie sich eine feste Partnerschaft. Diese muss nicht zwingend für immer halten – serielle Monogamie ist das präferierte Modell. Andere sagen, dass sie sich lieber auf ihre Ausbildung und Karriere konzentrieren möchten, als in eine Beziehung und ihr Sexualleben zu investieren. Diese beiden Modelle scheinen für Jugendliche in England attraktiv. Promiskuitives Verhalten wird von den meisten Jugendlichen negativ bewertet, Sex gehört für die Jugendlichen in eine romantische Beziehung.
Pornografie und Sexting
Pornografie lässt sich mittlerweile als normaler Bestandteil des Sexuallebens Jugendlicher beschreiben. Ca. 65% aller Jugendlichen zwischen 15 und 16 Jahren hatten bereits Kontakt mit Pornografie. Dabei ist der Anteil der Jungen deutlich höher. In der gesamten Zielgruppe gehen ca. 80% davon aus, dass Pornografie alltäglich für die Jugendlichen in ihrem Alter ist, bei den Jungen sind es sogar 85%. 47% der Männer und 34% der Frauen geben an Pornografie als Informationsquelle über Sex zu benutzen, obwohl 75% der Befragten angeben, dass sie nicht glauben, dass in Pornografie Sexualität realistisch dargestellt wird. 38% der Befragten werten das Ansehen von pornografischen Inhalten als schädlich für den Einzelnen und für Beziehungen. 39% stimmen zu, dass Pornografie Teil von einem gesunden Sexleben sein kann. Männer sind hier deutlich weniger kritisch als Frauen.
Sexting ist fast ebenso weit verbreitet wie Pornografie. Ca. die Hälfte der Jugendlichen hat bereits entsprechende Nachrichten erhalten, 31% auch schon aufreizende Bilder von sich versendet. Vor allem junge Frauen berichten jedoch, dass sie sich oft unter Druck gesetzt fühlen, Sexts von sich zu versenden und sie außerdem Angst davor haben, dass diese Bilder später an die Öffentlichkeit kommen. 40% der Befragten stimmen zu, dass Sexting dem Wohlbefinden und der Beziehung schaden kann, wiederum 44% stimmen zu, dass Sexting Teil eines gesunden Sexlebens sein kann. Diese eigentlich widersprüchlichen Angaben zeigen die Unterscheidung, die Jugendliche selbst bei Sexting machen zwischen einerseits riskantem Sexting mit nahezu unbekannten Personen oder aber Sexting innerhalb einer Beziehung mit einem vertrauten Gegenüber.
Sexualerziehung- oft eher schlecht als recht
Schließlich befragt die Studie die Jugendlichen nach ihren Erfahrungen mit ihrer Sexualerziehung. Hier zeichnet sich ein sehr deutliches Bild ab. Die Jugendlichen sich nicht zufrieden. Nur 25% empfanden ihre Aufklärung als gut oder sehr gut, 48% als schlecht oder sehr schlecht. Junge Frauen äußern sich besonders negativ. Doch woher beziehen die Jugendlichen ihre Informationen? Hier werden als erste Informationsquelle Freunde angegeben (64%). Die Schule kommt direkt danach an Platz zwei (54%). Filme (40%) und wie bereits erwähnt Pornografie (36%) sind die Quellen, die nach Freunden und der Schule am häufigsten Jugendliche Informationen zu Sexualität vermitteln. Die Eltern kommen erst auf Rang sieben nach „eigener Erfahrung“ und Informationswebites im Internet. Gespräche mit Eltern würden oft als unangenehm empfunden oder aber man hat Angst, dass diese das eigene Verhalten ablehnen würden.
Erneut weist diese Studie auf die wichtige Rolle von qualitativer, kompetenter und den Jugendlichen entsprechender Sexualerziehung durch Eltern und ergänzenden Initiativen hin. Die Unsicherheiten, denen Jugendliche unter anderem in Sachen Beziehungen, Medienverhalten, Sexting und Pornografie begegnen könnten hier aufgefangen werden und ihnen geholfen werden, sich zu orientieren. Eine erste Hilfe können hier Internetportale wie www.aufgeklärt.info sein.