FR_NL / Abtreibung: Lockerungen des Abtreibungsrechts in Europa

14.03.2022 – Während man in Frankreich die Frist für den straffreien Schwangerschaftsabbruch verlängern will, möchten die Niederlande die Bedenkzeit vor einer Abtreibung streichen.

Eine deutliche Mehrheit (135 zu 47) der französischen Nationalversammlung entschied kürzlich, dass die Frist für straffreie Abtreibungen von zwölf auf 14 Wochen ausgeweitet werden soll. „In dem Moment, in dem mehrere Länder dieses Grundrecht der Frau infrage stellen, bin ich stolz, dass Frankreich es bestätigt und ausweitet“, reagierte Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran mit einem Seitenhieb auf Polen auf die betreffende Gesetzesänderung. Polen sieht sich seit der Abschaffung der embryopathischen Indikation mit scharfer Kritik konfrontiert (das IEF hat berichtet).

Zu wenig bereitwilliges Gesundheitspersonal

Bereits im Jahr 2020 wurde das Anliegen einer Fristenausdehnung in der Nationalversammlung behandelt und auch mit einer Mehrheit beschlossen. Die konservative Mehrheit des französischen Senats sorgte für eine langwierige Verzögerung. Schließlich kam es nun aber doch zu einer Zustimmung, obwohl sich Präsident Emmanuel Macron dagegen ausgesprochen hatte. Für die Aufnahme eines Grundrechts auf Abtreibung in die Grundrechtecharta hatte Macron kürzlich allerdings sehr wohl plädiert (das IEF hat berichtet). Medienberichten zufolge möchte das französische Parlament mit der Fristverlängerung vor allem auf das Problem des Ärztemangels und der Schließung zahlreicher Abtreibungszentren reagieren. Durch die mangelnde Bereitschaft der Ärzte, Abtreibungen durchzuführen sei es vermehrt zu Wartezeiten gekommen. Viele Frauen wären deshalb ins Ausland ausgewichen, um die Abtreibungsfrist zu wahren.

Die Gewissensfreiheit, durch die Ärzte nicht zu der Durchführung einer Abtreibung gezwungen werden können, bleibt mit dem neuen Gesetz wider Erwarten weiterhin bestehen. Außerdem werden Hebammen neben medikamentösen künftig auch operative Schwangerschaftsabbrüche vornehmen dürfen.

NL: Bedenkzeit als Bevormundung der Frau

Ebenfalls Lockerungen im Bereich des Abtreibungsrechts hat das niederländische Parlament kürzlich beschlossen. 101 gegen 38 Abgeordnete stimmten für eine Streichung der Bedenkzeit von fünf Tagen für Frauen vor einer Abtreibung. Gemäß dem neuen Gesetz sollten der Arzt und die betroffene Frau entscheiden können ob eine Bedenkzeit eingehalten werden solle. Ein Schwangerschaftsabbruch könne somit schon am Tag des Gesprächs mit dem Arzt vorgenommen werden.

Geteilte Meinungen

Der niederländische Gesetzesentwurf sorgte besonders auf Seiten der christlichen Koalitionsfraktionen für Unmut. Es werde befürchtet, dass Frauen die schwerwiegende Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch überstürzt treffen könnten. Mit der Regelung untergrabe man außerdem den Schutz des ungeborenen Lebens. Anhänger der Gesetzesänderung entgegneten wiederum, dass eine verpflichtende Bedenkzeit zu einer Bevormundung der Frau führe. Die neue Regelung hingegen werde dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen besser gerecht.

Ob der Entwurf den Weg ins Gesetzbuch schafft, bleibt abzuwarten. Zuvor muss die erste Kammer des Parlaments zustimmen. (TS)