Bioethikgesetz
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FR / Bioethik: Nationalversammlung verabschiedet weitreichendes Bioethikgesetz

IEF, 01.07.2021 – Frankreich hat seit kurzem eines der liberalsten und kontroversesten Bioethikgesetze weltweit und dass trotz einer Ablehnung durch den Senat.

Nach fast vierjährigen Beratungen, angefangen mit einer öffentlichen Konsultation (das IEF hat berichtet) über eine anschließende parlamentarische Debatte (das IEF hat berichtet), verabschiedete die französische Nationalversammlung am 29.06. ein neues Bioethikgesetz mit weitreichenden Folgen. Mit 326 zu 155 Stimmen fiel die Abstimmung im Unterhaus recht eindeutig zu Gunsten eines neuen Verständnisses von Bioethik aus. Das Parlament blieb jedoch bis zum Schluss uneinig. Es sei das erste Mal, wie Kathpress berichtet, dass ein Bioethikgesetz ohne die Zustimmung des Senats beschlossen wurde. Der Senat hatte am 24. Juni eine dritte Lesung des Gesetzes verweigert, nachdem ein mit der Erarbeitung eines gemeinsamen Gesetzestextes beauftragtes Spezialkomitee die gegensätzlichen Positionen der beiden Parlamentskammern als unüberwindbar deklariert hatte.

Von künstlicher Befruchtung für Alleinstehende bis Embryonenforschung

 Als größten Erfolg feiert die Partei von Emmanuel Macron, La République en Marche, die Öffnung der auf Kassakosten angebotenen künstlichen Befruchtung für lesbische Paare, alleinstehende Frauen, sowie heterosexuelle Paare ohne medizinische Indikation, also ohne, dass beispielsweise Unfruchtbarkeit vorliegen muss. Damit ginge ein Wahlversprechen des französischen Präsidenten in Erfüllung, berichten zahlreiche Medien. Allen Beteiligten wird auch die Inanspruchnahme der Embryonenspende ermöglicht. Doch das Gesetz geht noch weiter. Es erlaubt erstmals auch das Einfrieren von Eizellen, das so genannte Social Egg Freezing, ebenfalls ohne medizinische Indikation. Auch im Bereich der Forschung bringt das Bioethikgesetz erhebliche Änderungen. So soll künftig die Forschung an Embryonen bis zu 14 Tage nach der Befruchtung erlaubt sein. Außerdem sieht das Gesetz eine Liberalisierung der Forschung an embryonalen und pluripotenten Stammzellen, sowie die Möglichkeit der Erzeugung transgener Embryonen durch Genmanipulation vor. Damit jedoch nicht genug. Erlaubt ist in Zukunft auch die Herstellung von Mensch-Tier-Chimären, sowie das Klonen von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken.

Leihmutterschaftsverbot, Kenntnis der Abstammung und Bedenkzeit

Weiterhin verboten bleibt die Praxis der Leihmutterschaft. Eine erleichterte Anerkennung der Elternschaft bei Kindern, die im Ausland von Leihmüttern ausgetragen wurden, fand laut Le Monde bereits im Vorfeld keine Mehrheit. Außerdem trägt das neue Gesetz dem Recht der Kinder auf Kenntnis der Abstammung Rechnung. So sollen künftig die durch eine Gametenspende gezeugten Kinder ab der Volljährigkeit die Möglichkeit erhalten, Auskunft über ihre genetischen Eltern zu bekommen. Bisher garantierte das Gesetz Spendern volle Anonymität. Eine Neuerung bringt das Bioethikgesetz auch in Bezug auf die Abtreibung. Hier soll künftig die einwöchige Bedenkzeit bei der embryopathischen Indikation wegfallen. Die vormals geplante explizite Ausweitung der medizinischen Indikation auf psychosoziale Motive wurde hingegen nicht umgesetzt.

Bioethikgesetz in der Bevölkerung großteils unbekannt

Wie Alliance Vita im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Bioethikgesetzes berichtet, soll eine kurz vor der Abstimmung im Parlament veröffentlichte IFOP-Umfrage gezeigt haben, dass die Franzosen wenig Wissen über den eigentlichen Inhalt des Gesetzes haben. Dreiviertel der Befragten sollen sich zudem dafür ausgesprochen haben, dass der Forschung Grenzen gesetzt werden und das Verbot von Mensch-Tier-Chimären und der genetischen Manipulation von Embryonen beibehalten werde. Alliance Vita kritisiert weiters, dass das neue Gesetz ethisch rote Linien überschreite und von einer Geringschätzung der „fundamentalen menschlichen Ökologie“ gekennzeichnet sei. Es stelle die Wünsche der Erwachsenen über das Interesse von Kindern und verletze damit die Rechte jener, die am vulnerabelsten seien. Kinder würden durch das Bioethikgesetz vorsätzlich ihrer Väter beraubt und der Ausbau des reproduktiven Marktes werde gefördert, beanstandet Alliance Vita.

Verschiedene Visionen der menschlichen Würde

Erzbischof Pierre d’Ornellas, der Leiter der Bioethikgruppe der französischen Bischofskonferenz, sieht in der vergangenen Debatte rund um das Bioethikgesetz “zwei widersprüchliche Visionen vom Menschen und seiner Würde“ aufeinanderprallen. Wie Kathpress berichtet, kritisiert der Erzbischof, dass durch den mangelnden ethischen Rückbezug das neue Gesetz die Inanspruchnahme der Reproduktionstechnologie einzig und allein an den Kinderwunsch knüpfe. Damit reagiere „künstliche Fortpflanzung auf ein elterliches Projekt“ und vergesse auf die Menschenwürde der Kinder, die daraus hervorgehen. Die Christen hätten angesichts der neuen Entwicklungen eine klare Entscheidung zu treffen. Denn es gäbe hier keine „halbe Wahl“. „Es kann nicht gleichzeitig eine Ethik des Respekts gegenüber dem Planeten geben und eine Ethik der Technik, die den Menschen beherrscht,” macht d’Ornellas in seiner Stellungname deutlich. (AH)

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