DE / Reproduktionsmedizin: Fortpflanzungsfreiheit bedeutet nicht Recht auf Elternschaft
IEF, 10.09.2019 – Der Verein Spenderkinder nimmt auf die Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur Fortpflanzungsmedizin Bezug und kritisiert ihre einseitige Ausrichtung auf die Interessen von Wunscheltern und Medizinern. Ehrliche Sorge um das Kindeswohl sei nicht erkennbar.
Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaft Leopoldina und der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften haben sich in ihrer Stellungnahme „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“ vom 4.6.2019 für eine Lockerung des Embryonenschutzgesetzes und die Legalisierung der Eizellspende sowie Erleichterungen bei Leihmutterschaft und embryonaler Selektion ausgesprochen. Das IEF hat berichtet.
Der Verein Spenderkinder reagierte nun seinerseits mit einer Stellungnahme auf die Forderungen und wirft den Wissenschaftlern vor, die Verfahren der Reproduktionsmedizin und die Wunscheltern selbst in ein besseres Licht rücken zu wollen. Dabei vermisst der Verein die Einbeziehung der Expertise von Psychologen und Adoptionsfachkräften.
Die Perspektive von Spenderkindern einbeziehen
Der Verein weist in seiner Stellungnahme unter anderem darauf hin, dass die Annahme eine „emotionale Eltern-Kind-Beziehung“ würde sich alleine durch eine rechtliche Zuordnung regeln lassen, schlichtweg unbegründet sei und nicht der Realität entspreche. Die Erfahrung zeige vielmehr, dass Spenderkinder früher oder später den genetischen Elternteil/ ihre genetischen Eltern kennenlernen möchten. Aus dem Adoptionsbereich sei zudem die Tatsache bekannt, dass Kinder trotz gutem Verhältnis zu den rechtlichen Eltern eine emotionale Bindung zu den leiblichen Eltern, auch bei mangelndem Kontakt zu diesen, aufbauen können. Außerdem würden Spenderkinder das Desinteresse der genetischen Eltern an ihrem Leben als verletzend wahrnehmen, so der Verein weiter. Als Wunschkinder könnten Spenderkinder daher meist nur aus der Perspektive der Wunscheltern bezeichnet werden.
Kinderwunsch vs. Kindeswohl
Folge man den Ausführungen der Leopoldina, sei die Entstehung von Spenderkindern, bei denen es sich um Wunschkinder handelt, hingegen scheinbar immer im Sinne des Kindeswohls. Der Verein Spenderkinder vermisst bei dieser Feststellung jedoch einen Kausalzusammenhang zwischen dem Kinderwunsch und einer gelungenen Elternschaft. Als Folge vieler reproduktionsmedizinischer Verfahren würden Kinder vielmehr in schwierige familiäre Konstellationen hineingeboren werden, bei denen es neben den gesetzlichen Vertretern noch weitere genetische Elternteile gibt, die die Wunscheltern oft genug am liebsten vergessen oder zumindest nicht in ihrer Familie integrieren möchten. Außerdem würde es den Wunscheltern im Nachhinein nicht immer leichtfallen, das genetische Kind eines Dritten als „das Eigene“ anzunehmen, zumal sich die meisten Paare ja primär ein genetisches, gemeinsames Kind gewünscht hätten.
Der Wunsch der Kinder nach genetischen Eltern
Der Wunsch nach einer genetischen Verbindung mit dem Nachwuchs würde in der Stellungnahme der Leopoldina regelmäßig nur den Wunscheltern zugesprochen werden. Ein Bedürfnis auf Seiten des Kindes bei den genetischen Eltern aufzuwachsen, würden die Autoren der Stellungahme hingegen immer wieder mit dem Hinweis auf die mangelnde Datenlage zu möglichen Risiken einer Aufspaltung von rechtlicher und genetischer Elternschaft übergehen. Der alleinige Hinweis auf fehlende Studien sei für den Verein Spenderkinder jedoch nicht ausreichend. Mittlerweile gäbe es genug erwachsene Menschen, die zu dem subjektiven Erleben ihrer Entstehungsweise und der Familiensituation befragt werden könnten.
Forderungen des Vereins
Um einen entsprechenden Perspektivwechsel zu ermöglichen, fordert der Verein eine verpflichtende psychosoziale Information von Wunscheltern und genetischen Eltern beim Einsatz reproduktionsmedizinischer Verfahren. Außerdem sollten Samen- und Eizellspender als genetische Elternteile des Kindes und nicht lediglich als „Helfer“ und „Geber“ bezeichnet und bestenfalls ins Geburtenregister eingetragen werden. Der Verein schlägt zudem vor, nur solche Spender zuzulassen, die zum Zeitpunkt der Spende einem Kennenlernen des Kindes positiv gegenüberstehen.
Eizell- und Samenspende als zwei verschiedene Sachverhalte
Nach Meinung der Leopoldina sei das in Deutschland bestehende Verbot der Eizellspende diskriminierend. Einerseits würde es Frauen, denen aufgrund einer Erkrankung keine eigenen Eizellen zur Verfügung stünden, benachteiligen, und andererseits würde es die Erfüllung des Kinderwunsches von homosexuellen Männern verhindern.
Der Verein Spenderkinder hält dem entgegen und führt aus, dass die Eizellspende eine klare Unterscheidung zwischen einer biologischen und sozialen Mutter unmöglich mache. Bei der Eizellspende würden zwei Frauen „biologisch existenziell“ zur Entstehung des Kindes beitragen, wobei die eine das genetische Material beitragen und die andere das Kind durch die Schwangerschaft epigenetisch beeinflussen würde. Dabei hätte sich Laut einer Umfrage des Vereins, die dieser unter seinen Mitgliedern im Jahre 2017 durchführte, die Hälfte der Befragten gegen eine entsprechende Abstammung ausgesprochen.
Außerdem sei, im Unterschied zur Samenspende, die Eizellspende mit Gesundheitsrisiken für die Spenderin verbunden. Es sei daher fraglich, ob der Kinderwunsch Dritter den medizinischen Eingriff rechtfertige und nicht gegen das Gebot der Nicht-Schädigung verstoßen würde. Zu berücksichtigen sei auch die Gefahr der Kommerzialisierung im Falle der Eizellspende, bei der Frauen aufgrund der hohen Aufwandsentschädigung ihre Gesundheit aufs Spiel setzen würden. Für die so entstehenden Kinder sei es außerdem verletzend zu erfahren, dass ihre Entstehung eben nicht gewollt, sondern zumindest aus Perspektive der genetischen Mutter finanziell motiviert war.
Der Verein zeigt in seiner Stellungnahme zudem auf, dass bei der Eizellspende vor allem der Wunsch der Wunscheltern und nicht das Kindeswohl im Vordergrund stehe. Denn anders als etwa bei der Adoption, bei der man in einer Notsituation nach der bestmöglichen Lösung für das Kind sucht, würde bei der Eizellspende das Kind bewusst einer gespaltenen Mutterschaft ausgesetzt werden.
Leihmutterschaft steht immer im Widerspruch zum Kindeswohl
Auch bei der von der Leopoldina geforderten Aufweichung des Verbots der altruistischen Leihmutterschaft würde nicht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen. Das Kind würde vielmehr, auch bei einer unentgeltlichen Weitergabe, als Objekt anstatt als Subjekt behandelt werden. Dabei würden die Wunscheltern eine Trennung des Kindes von der austragenden Mutter, an deren Geruch und Stimme sich das Kind während der Schwangerschaft gewöhnt hat, in Kauf nehmen. Dadurch würde man den Säugling einer extrem belastenden Situation aussetzen und das nur damit sich die Wunscheltern ihren Kinderwunsch erfüllen könnten. Der Verein zweifelt in dem Zusammenhang auch an der von der Leopoldina geforderten, auf Kindeswohlüberlegungen gestützten, verbindlichen Zuordnung des Kindes zu dessen Wunscheltern. Es sei fraglich, ob diese immer „im Sinne des Kindes“ sei und „ob eine ordentliche Adoption durch den nicht-verwandten Wunschelternteil, bei der das tatsächliche Kindeswohl geprüft wird“, nicht eher dem Wohl des Kindes entsprechen würde.
Lesen Sie dazu auch die IEF-Beiträge zur „Sprachentwicklung des Babys schon im Bauch“ und „Deutschland hält an Eizellspende fest“. (AH)