FI / Menschenrechte: Freispruch für die Meinungsfreiheit
IEF, 11.04.2022 – Die öffentlich zu ihrem christlichen Glauben stehende finnische Abgeordnete Päivi Räsänen musste sich wegen ihres Glaubens vor Gericht verantworten.
Wegen angeblicher Hassrede wurde gegen die ehemalige finnische Innenministerin und Vorsitzende der Christdemokraten im April 2021 Anklage erhoben. Ein Bezirksgericht in der finnischen Hauptstadt Helsinki wies nun alle Anklagepunkte zurück.
Tweet mit Bibelspruch als Anlassfall
Wie das IEF berichtete, ist Päivi Räsänen schon seit Längerem für das öffentliche Bekunden ihres christlichen Glaubens bekannt gewesen. Die Ärztin und Frau eines Pastors hatte etwa im Jahr 2004 eine Broschüre mit dem Titel „Als Mann und Frau schuf er sie – Homosexuelle Beziehungen stellen das christliche Menschenbild infrage“ veröffentlicht, in der sie ihre Meinung zur Ehe und Homosexualität kundtat. 2019 folgte eine Radiodebatte, in der sie sich erneut kritisch zur Homosexualität äußerte. Zur Anklage kam es schlussendlich nach einem Tweet Räsänens im Kurznachrichtendienst Twitter im Juni 2019. Nachdem bekannt geworden war, dass die Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands (ELCF) die „Helsinki Pride 2019“, eine Parade von Homo-, Bisexuellen und Transgenderpersonen, als Partner unterstützen werde, meldete sich Räsänen, die selbst Mitglied der ELCF ist, mit einem Foto der Bibelstelle Röm 1, 24-27 („Darum lieferte Gott sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit aus, sodass sie ihren Leib durch ihr eigenes Tun entehrten. Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit. Amen. Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.“) zu Wort. „Wie passt es mit der Grundlage der Kirche, der Bibel, zusammen, Schande und Sünde zum Stolz zu erheben“, lautete Räsänens Tweet. Konkret wurde Räsänen die „mutmaßliche Aufwiegelung gegen sexuelle und Gender-Minderheiten“ vorgeworfen.
„Interpretation von Bibelversen nicht Aufgabe des Gerichts“
Neben Päivi Räsänen war auch der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Missionsdiözese Finnlands, Juhana Pohjola, wegen Hassrede angeklagt, da er die Broschüre Räsänens auf der Webseite seiner Kirche veröffentlicht hatte. Wie das Bezirksgericht nun kürzlich verkündete, wurde auch Pohjola von allen Anklagepunkten freigesprochen. Es sei nämlich nicht Sache des Bezirksgerichts, Bibelverse zu interpretieren“, lautete die Erklärung der Richter. Die Aussagen Räsänens seien zwar homosexuellen Menschen gegenüber verletzend, würden sich aber im Rahmen des Gesetzes befinden und von Räsenens Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt werden. Die Richter betonten zudem, dass es sicherlich nicht Räsenens Absicht gewesen war, beleidigende Aussagen zu tätigen. Sie habe viel eher aus Sorge über die christliche Ethik gesprochen. Um die freie Meinungsäußerung zu beschränken, brauche es einen zwingenden gesellschaftlichen Grund. Ein solcher sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, urteilte das Bezirksgericht.
Freie Meinungsäußerung als Jedermannsrecht
„Ich bin sehr dankbar, dass das Gericht die Bedrohung der Meinungsfreiheit erkannt und zu unseren Gunsten entschieden hat“, freute sich Räsänen nach der Urteilsverkündung. Der Prozess sei sehr belastend gewesen und sie hoffe, dass ihr Urteil andere vor einem ähnlichen Prozess bewahren würde. Räsänen unterstrich, dass das Urteil nicht nur auf Christen zutreffe, sondern auf all jene, die ihren Glauben äußern wollen.
Auch Paul Coleman, Executive Director der Menschenrechtsorganisation ADF International, die Räsenen Rechtsbeistand vor Gericht leistete, begrüßt das Urteil des Bezirksgerichts. Es sei ein wichtiges Urteil, das das Recht auf freie Meinungsäußerung in Finnland bestätige. In einer freien Gesellschaft sollte jeder öffentlich zu seinen Überzeugungen stehen können und zwar ohne Angst vor Zensur. Dies sei die Grundlage für jede freie und demokratische Gesellschaft. Stelle man die freie Rede durch sogenannte „Hassreden-Gesetze“ unter Strafe, so verhindere man wichtige öffentliche Debatten. Das stelle eine ernsthafte Bedrohung für unsere Demokratie dar, betonte Coleman.
Erneutes Vorgehen gegen Räsänen geplant
Das Urteil ist nicht rechtskräftig und die Staatsanwaltschaft hat in einer Stellungnahme bereits angekündigt, Berufung einlegen zu wollen. Dieses Bestreben sei insbesondere aufgrund des eindeutigen Urteils des Bezirksgerichts alarmierend, so Coleman. Menschen jahrelang von Prozess zu Prozess zu schleifen, sie stundenlangen Polizeiverhören auszusetzen und Steuergelder zu verschwenden, um ihre tiefsten Überzeugungen zu überwachen, habe keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft, ist sich Coleman sicher.
Räsänen zeigt sich indes bereit, für das Recht auf freie Meinungsäußerung für sich und für alle weiterzukämpfen. Wenn es sein müsse, würde sie ihren Fall auch vor dem Europäischen Gerichtshof verteidigen. (TS)