Normierungsdurck auf "gesundes" Leben - Feministische Podiumsdiskussion in Wien
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AT / Pro-Life: Feministinnen setzen sich mit Normierungsdruck auf „gesundes“ Leben auseinander

IEF, 30.1.2018 – Am 12.1.2018 lud die feministische Bewegung gemeinsam mit dem Referat für Barrierefreiheit der ÖH Uni Wien zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Normen behindern. Pränataldiagnostik im Spannungsfeld zwischen dem Recht von Frauen auf Abtreibung und dem Normierungsdruck auf ‚gesundes‘ Leben“. Über 150 hauptsächlich junge Besucher folgten einer Diskussion zwischen der Juristin Brigitte Hornyik, der Buchautorin Kirsten Achtelik („Selbstbestimmte Normen“), der  Frauenärztin Kerstin Boka sowie der Peer-Beraterin Elisabeth Löffler unter der Moderation von Vera Schwarz.

Hauptthema war die Frage wie ein etwaiges Selbstbestimmungsrecht in Bezug auf Schwangerschaftsabbruch mit der Forderung nach Nichtdiskriminierung auf Grund von Behinderung in Einklang gebracht werden könne.

Brigitte Hornyik vom Verein Österreichischer Juristinnen bemängelte, dass es in Österreich kein Recht auf Schwangerschaftsabbruch gebe. Sie vertrat zudem den Standpunkt, dass Schwangerschaftsabbruch nach dem Vorbild Kanadas am besten gar nicht vom Gesetzgeber geregelt werden sollte. Vielmehr müsse man darauf vertrauen, dass die Frauen in ihrer jeweiligen Situation die richtige Entscheidung treffen würden.

Dem widersprach Autorin Kirsten Achtelik und meinte, dass eine positive Regelung notwendig sei, da man ansonsten durch Gewissensklauseln und Kosten den Zugang zur Abtreibung beträchtlich einschränken könnte. Sie sprach sich auch gegen eine selektive Pränataldiagnostik aus und forderte Regelungen die eine embryopathische Abtreibung verhindern würden. Dies erfordere ebenfalls ein Umdenken in der Gesellschaft, da entsprechende Gesetze ansonsten, wie dies in Deutschland der Fall ist, mit dem Hinweis auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Frau umgangen werden. Achtelik stellte auch eine Unterscheidung zwischen sinnvollen und nicht sinnvollen Pränataldiagnostiken auf. Sinnvoll seien ihrer Meinung nach jene, die die Frau auf die Geburt vorbereiten und zum Beispiel einen Herzfehler beim Fötus diagnostizieren. Ablehnend steht sie Diagnostiken gegenüber, die bloß darauf ausgerichtet sind, Normabweichungen beim Fötus festzustellen, anhand derer ein Schwangerschaftsabbruch erwägt werden soll. Die einzige legitime Unterscheidung sei ihrer Ansicht nach jene, ob eine Frau gewollt oder ungewollt schwanger ist. Es sei schlichtweg falsch, die Abtreibung als reine Bewältigungsstrategie zu sehen. Achtelik betonte schlussendlich, dass der Schutz von Menschen mit Behinderung nicht „frauenfeindlichen und homophoben“ Abtreibungsgegnern überlassen werden dürfe.

Frauenärztin Kerstin Boka gab während der Podiumsdiskussion einen Überblick über die momentan zur Verfügung stehenden Pränataldiagnostiken und ihren jeweiligen Anwendungsbereich. Sie wies auch auf möglichen Missbrauch von medizinischen Diagnostiken hin – wie dies etwa bei der Geschlechtsdiagnostik in einigen Ländern der Fall ist -, fügte jedoch hinzu, dass die Entscheidung, ob eine Frau ein behindertes Kind bekommen möchte, ihr überlassen werden sollte. Niemand entscheide sich, so Boka, leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch. Für sie persönlich sei die Fristenregelung viel relevanter. Sie könne es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, einen Fötus ab der 16. Schwangerschaftswoche, bei dem bereits „alles vorhanden sei“, abzutreiben und würde es niemandem aus ihrer Kollegenschaft vorhalten, die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs aus Gewissensgründen zu verweigern.

Elisabeth Löffler machte schließlich darauf aufmerksam, dass Diagnostiken nicht immer stimmen und die Ethik dem technischen Fortschritt auch im medizinischen Bereich in vielerlei Hinsicht nachhinke. Sie bemängelte darüberhinaus die Tatsache, dass Behinderung noch immer nicht als Normalität in der Gesellschaft anerkannt werde und es noch einen weiten Weg hin zu echter Inklusion gebe. Sie wies auch darauf hin, dass die feministische Bewegung in der Frage der embryopathischen Abtreibung gespalten sei und der Anstoß zur Debatte hauptsächlich von Seiten der Behindertenbewegung kam. Sie würde es sich wünschen, dass auch bei den Feministinnen die Angst vor behinderten Menschen abgebaut werde.

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