INT / Reproduktionsmedizin: Exzesse der Reproduktionstechnologie
IEF, 24.03.2021 – Fälle von durch IVF gezeugten Kindern, die der Obhut der Mutter entzogen werden, und im Stich gelassene Babys von Leihmüttern veranschaulichen erschreckende Dimensionen.
Neuerliche IVF trotz Kindesabnahme
Im Jahr 2010 brachte die damals 58-jährige Spanierin Mauricia Ibañez mit Hilfe einer In Vitro-Fertilisation eine Tochter zur Welt wie BioEdge berichtet. 2014 wurde ihr das Kind abgenommen und in die Obhut ihrer in Kanada lebenden Nichte übergeben. Sie sei „nicht in der Lage“ gewesen, sich um ihre Tochter zu kümmern, hatte das zuständige Gericht damals geurteilt. Dies hielt Ibañez jedoch nicht davon ab sich 2017 in einer amerikanischen IVF-Klinik erneut künstlich befruchten zu lassen. Im Alter von 64 Jahren brachte sie vergangenes Jahr schließlich Zwillinge zur Welt. Zehn Tage nach ihrer Heimkehr aus dem Krankenhaus, wo sie nach der Kaiserschnittgeburt einen Monat verbracht hatte, sahen die Behörden die Zwillinge „gefährdet“ und brachten sie – getrennt voneinander – in Pflegefamilien unter.
Schwierigkeiten, die späte Elternschaft zu bewältigen
„Seit sie nach Hause kam, hat ein multidisziplinäres Team Ibañez Fortschritte verfolgt, und in den Berichten kommen alle zu dem Schluss, dass die Zwillinge in einer anderen Umgebung betreut werden müssen“, sagte damals ein Sprecher des Sozialdienstes in Burgos. Ibañez, eine ehemalige Beamtin, hatte den Entschluss, eine Familie gründen zu wollen, gefasst, nachdem sie wegen psychischer Probleme in den Vorruhestand versetzt worden war. In seiner Anordnung betonte das Gericht, dass die Entscheidung, die Kindern der Obhut der Mutter zu entziehen, nicht aufgrund des Alters oder geistigen Gesundheit der Frau getroffen habe. Vielmehr würden die Kinder bei Ibañez nicht unter „optimalen Bedingungen“ leben, es gäbe „kein soziales Unterstützungsnetzwerk“ oder eine Familie, die helfen könnte, die „Schwierigkeiten ihrer späten Elternschaft zu bewältigen“.
Kritische Stimmen zu Leihmutterschaft
In Russland scheint sich die öffentliche Meinung in einem anderen Bereich der Reproduktionsmedizin, der Leihmutterschaft, zu wandeln. Wie BioNews berichtet, ist diese Entwicklung zum Teil auf Verhaftungen von Reproduktionsmedizinern zurückzuführen, die im Juli 2020 in Moskau wegen Kinderhandels angeklagt wurden, nachdem ein durch Leihmutterschaft geborenes Kind im Jänner 2020 unter der Obhut einer Krankenschwester am plötzlichen Kindstod gestorben war, als seine ausländischen Eltern aufgrund des mit COVID-19 verbundenen Reiseverbots nicht nach Russland einreisen konnte. Das IEF hat berichtet.
Russland berät Abkehr von liberaler Gesetzgebung
Im Januar 2021 erklärte die russische Duma, eine Änderung der aktuellen Regelung zur Leihmutterschaft in Russland zu beabsichtigen. Der Gesetzentwurf sehe vor, dass es Ausländern und unverheirateten Paaren verboten ist, eine Leihmutterschaft in Russland anzustreben. Derzeit sei die kommerzielle Leihmutterschaft für verheiratete und unverheiratete heterosexuelle Paare und alleinstehende Frauen, russische Staatsbürger, Einwohner und Ausländer gleichermaßen erlaubt. Alleinstehende Männer werden im Gesetz zwar nicht explizit erwähnt, Gerichtsverfahren haben jedoch Präzedenzfälle geschaffen, die Leihmutterschaft für alleinstehende Männer und gleichgeschlechtliche Paare gleichfalls etabliert hätten. Der neue Gesetzesentwurf solle nun die Leihmutterschaft auf verheiratete heterosexuelle Paare mit Aufenthaltsgenehmigung in Russland beschränken. Bestelleltern, die eine Leihmutterschaft anstreben, sollen mindestens ein Jahr verheiratet sein und mindestens 25 Jahre, aber nicht älter als 55 Jahre alt sein. Darüber hinaus brauchen die Paare künftig einen gültigen medizinischen Grund für die Inanspruchnahme der Leihmutterschaft.
Die wahren Beweggründe?
Wie BioNews analysiert, könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei der potenziellen Einschränkung der Leihmutterschaft in Russland jedoch weniger darum gehe, sich in Richtung eines Verbots der Leihmutterschaft zu bewegen, als vielmehr darum, die Leihmutterschaft für Geburten zu reservieren, die“ im nationalen Interesse“ lägen und bei denen nur die „richtige Art von Menschen“ Eltern werden dürfe. In der Diskussion um die Novellierung ginge es selten um das Wohl der Leihmütter, vielmehr scheinen die Hauptinteressen der Stopp des Kinderexports und der Schutz traditioneller russischer Familienwerte im Sinne der domgrafischen und reproduktiven russischen Politik zu sein, so BioNews. (KL)