EU / Ehe: EuGH spricht homosexuellen „Ehegatten“ aus Drittstaaten ein Aufenthaltsrecht zu
IEF, 12.6.2018 – Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg hat entschieden, dass ein Rumäne nach seiner Heirat in Belgien mit einem Amerikaner diesen auf Dauer bei sich in Rumänien aufnehmen darf. Der EuGH kommt in der Rechtssache „Coman u.a.“ (C-673/16) zu dem Schluss, dass Mitgliedsstaaten das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers nicht dadurch behindern dürften, indem sie einem gleichgeschlechtlichen Ehepartner aus einem Drittstaat das Aufenthaltsrecht verweigerten. Gleichzeitig stellt der Gerichtshof fest, dass es den Mitgliedsstaaten weiterhin frei stehe, gleichgeschlechtliche Ehen zu erlauben oder nicht.
Rumäne heiratete Amerikaner in Brüssel und will mit ihm in Rumänien leben
Im Anlassfall hatte der Rumäne Relu Adrian Coman mit seinem amerikanischen Freund Robert Clabourn Hamilton vier Jahre zusammen in den USA gelebt. 2010 heirateten Hamilton und Coman, der zu dieser Zeit in Brüssel arbeitete, in Belgien. Im Dezember 2012 wollten die Männer erreichen, dass Hamilton als Familienangehöriger von Coman das Recht erlange, sich für eine Dauer von mehr als drei Monaten in Rumänien aufzuhalten. Die rumänischen Behörden lehnten den Aufenthalt Hamiltons von mehr als 3 Monaten im Sinne eines Familiennachzuges ab, da in Rumänien eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern rechtlich nicht anerkannt werde.
EU-Prinzip der Freizügigkeit und Diskriminierung
Die Männer klagten und beriefen sich u.a. auf das Prinzip der Freizügigkeit des Personenverkehrs innerhalb der EU. Demnach können Ehegatten von EU-Bürgern, ihrem jeweiligen Ehegatten in den EU-Staat nachziehen, in dem dieser sich aufhält. Sowohl der Begriff „Ehegatte“, als auch das englische Äquivalent „spouse“ oder das französische „conjoint“ hätten dabei keinen geschlechtlichen Bezug, weswegen die Verwehrung des Familiennachzugs aufgrund der Gleichgeschlechtlichkeit eine Diskriminierung nach der sexuellen Orientierung darstelle.
EuGH: Freizügigkeit auch für gleichgeschlechtliche „Ehegatten“
Der EuGH schlussfolgert in seinem Urteil am 5.6.2018, dass die Weigerung Rumäniens, die in Belgien rechtmäßig geschlossene Ehe der beiden Männer anzuerkennen und damit das Aufenthaltsrecht des Amerikaners zu verweigern, das Recht des Unionsbürgers auf Freizügigkeit des Personenverkehrs beschränke. Die Zulässigkeit einer solchen Weigerung hätte laut EuGH zur Folge, dass der freie Personenverkehr von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgestaltet wäre. Es sei in der Richtlinie über die Freizügigkeit nicht definiert, was unter dem Begriff „Ehegatte“ zu verstehen sei. Vielmehr sei für den Begriff „Ehegatte“ das „verbürgte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens von grundlegender Bedeutung“, so der EuGH.
Weitereichende Folgen
Die Entscheidung Coman habe für die nationale Souveränität in Fragen des Ehe- und Familienrechts weitgehende Konsequenzen, befürchtet Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF). Zwar betonte der EuGH in seinen Ausführungen, dass seine Entscheidung „nur“ den Personenverkehr innerhalb der EU betreffe und es jedem Mitgliedstaat offen stünde, die Voraussetzungen für eine Eheschließung selbst zu regeln. Allerdings führe die nun eröffnete Möglichkeit des Aufenthaltsrechts eines gleichgeschlechtlichen Partners im Rahmen des Rechts auf Familienzuzug eine Zweigleisigkeit in der Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare in Rumänien. Zu befürchten seien daher weitere Verfahren in Rumänien, die nunmehr mit dem Argument der Diskriminierung von Inländern gegenüber EU-Bürgern anderer Mitgliedstaaten versuchen werden, auch in Rumänien eine „Ehe für alle“ zu erwirken, wie bereits ein offener Brief von LGBT Aktivisten in der Slowakei an den zuständigen Minister zeige, so die Juristin.
Unabhängig von der Frage der Definition der Ehe könnte der Fall Coman aber auch in anderen familienrechtlichen Fragen Relevanz entwickeln. So konnte man etwa in Bezug auf die Anerkennung elterlicher Rechte nach Leihmutterschaft bisher von einer nationalen Kompetenz ausgehen. Der Fall Coman zeige aber, dass über den freien Personenverkehr durchaus auch dort in nationale Kompetenz eingegriffen werden könne, wo es um grundlegende Wertentscheidungen gehe. Eine eingehende Befassung mit dieser Entscheidung sei daher notwendig, so Merckens.