EU / Bioethik: Neue Gentechnikverfahren als Herausforderung für Gesetzgeber und Gerichtsbarkeit

IEF, 25.7.2018 – Mit Spannung wird für heute die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu genetisch veränderten Organismen (GVO) erwartet. Die damit einhergehende Debatte könnte kaum zwiegespaltener sein.

Anlass zur Auseinandersetzung des EuGH mit den neuen Verfahren der Gentechnik war die Klage der „Confédération paysanne“, eines französischen Landwirtschaftsverbands, der die Interessen kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe vertritt. Die Kläger verlangten die Nichtigerklärung einer nationalen Bestimmung, die ein Gentechnikverfahren von den strengen Vorschriften, die für GVO gelten, ausnimmt. Weil die Materie auch das Unionsrecht tangiert, hat das französische Gericht die Rechtssache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die verfahrensrelevante unionsrechtliche Vorschrift befindet sich in der GVO-Richtlinie 2001/18EG. Diese regelt die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und ihr Inverkehrbringen in der Union. Sie verlangt eine strenge Umweltverträglichkeitsprüfung für genetisch veränderte Pflanzen und schreibt ihre Kennzeichnung, Überwachung und Rückverfolgbarkeit vor. Ausgenommen davon sind jedoch Pflanzen, die einem Mutageneseverfahren unterzogen wurden, bei dem keine Fremd-DNA eingefügt wird. Da sich die Mutageneseverfahren seit dem Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2001 weiterentwickelt haben, könne man jedoch nicht mehr pauschal davon ausgehen, dass diese unbedenklich und somit von den strengen Auflagen die für GVO gelten, ausgenommen seien – so die Confédération paysanne.

Die Kläger sehen die Mutagenese- Ausnahme außerdem im Widerspruch zum unionsrechtlichen Vorsorgegrundsatz, der sich auf die Verbraucherpolitik, die Rechtsvorschriften für Lebensmittel und den Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen erstreckt, und führen dabei an, dass die neuen Verfahren eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen und für die Umwelt darstellen würden.

Im einem Artikel der Wochenzeitung Die Zeit vom 18. Juli 2018 melden sich im Vorfeld der Entscheidung einige Experten zu dem Thema zu Wort. Darunter auch Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut in Tübingen. Er spricht unter anderem davon, dass sich die Ergebnisse der jüngst entwickelten genetischen Verfahren von den in der Natur auftretenden Mutationen kaum mehr unterscheiden, sodass man am Ende gar nicht mehr sagen könne, welche Pflanze genetisch behandelt wurde und welche auf natürlichem Wege entstanden sei. Dem pflichtet auch die Agrarwissenschaftlerin Stephanie Franck vom Bundesverband der Pflanzenzüchter in Deutschland bei. Beide setzen sich dafür ein, dass die mit neuen Verfahren, wie etwa der heiß diskutierten Crispr-Methode, erzeugten Produkte nicht strenger reguliert werden als konventionelle Züchtungen. Franck plädiert zudem dafür, diese nicht besonders kennzeichnen zu müssen, weil sich die Pflanzen einerseits kaum von den natürlichen Erzeugnissen unterschieden und zum anderen in der EU sonst keinen Absatzmarkt finden würden. Ihnen scheint auch Monsignore Marcelo Sánchez Sorondo, der Kanzler der Päpstlichen Akademie zuzustimmen, der in der Gentechnik eine „großartige Chance” sieht, die Menschheit “sicher und tragfähig” zu ernähren.

Dem gegenüber äußerten die Gegner der genetischen Manipulation ihre Bedenken. „Sicher“ und „naturidentisch“ könne man ihnen zu Folge die neuen Methoden kaum bezeichnen, da diese Verfahren noch viel zu jung sind, um derartige Behauptungen aufstellen zu können. Die Veränderung eines Genoms kann unerwartete Folgen nach sich ziehen, so Christoph Then vom Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie. Ihm spielt auch das renommierte Magazin “Science“ in die Hände, das die hochgepriesene Crispr-Methode neulich als unpräzise und „wackelig“ bezeichnete. Das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat jüngst auch eine Liste vorgelegt, die auf unterschiedliche Reaktionen einer Zelle auf natürliche Mutationen und gentechnische Einriffe hinweist. Dazu reihen sich wirtschaftliche Argumente. Denn mit dem genetisch veränderten Saatgut würden vor allem Chemie- und Saatgut-Konzerne das großer Geld machen, zum Nachteil von Klein und Mittelunternehmen, meinen zumindest die Kritiker. Alles in allem fordern die Kritiker, darunter viele Umweltschutz- und Bioverbände, Risikoprüfungen, Kennzeichnungspflichten und Anbauregulierung für alle neuen Verfahren beizubehalten bzw. einzuführen.

Die Entscheidung des EuGH können Sie hier einsehen: Rechtssache C528/16. Das IEF wird berichten.

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