AT_EU / Familie: EU-Debatte über Indexierung der Familienbeihilfe
IEF, 28.2.2018 – Der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel diskutierte am 27.2.2018 über Reformen der Sozialversicherungen in der EU, darunter auch über die von Österreich geplante Indexierung der Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten im EU-Ausland.
Familienbeihilfe soll Beitrag zu tatsächlichen Lebenshaltungskosten sein
Laut österreichischem Regierungsprogramm soll eine europarechtskonforme Anpassung der Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten jener Staaten, in denen die begünstigten Kinder leben, erfolgen. Wie das Nachrichtenportal news berichtete, rechnete der ÖVP-Europaabgeordnete Heinz K. Becker in der gestrigen Debatte vor, dass Österreich für Kindergeld im Ausland 2016 rund eine Viertelmilliarde Euro ausgegeben hätte, aktuell werde der Betrag wohl schon 300 Millionen Euro ausmachen. Durch eine Indexierung könnte knapp die Hälfte dieser Gelder für Österreich eingespart werden. In einer Pressemeldung vom 4.1.2018 stellte Becker klar, dass es Zweck der Familienbeihilfe sein müsse, dazu beizutragen, die tatsächlichen Lebenshaltungskosten abzudecken. Becker unterstrich allerdings, dass Österreich die Indexierungspläne „nicht im Alleingang, sondern nur nach Klärung der EU-Rechtskonformität umsetzen kann“.
Auch deutsche und belgische Abgeordnete für Indexierung der Familienbeihilfe
Der deutsche Abgeordnete Arne Gericke von der Fraktion Europäische Konservative und Reformer (EKR) betonte in der EU-Parlamentsdebatte, es müsse zumindest die Frage zulässig sein, ob ein Staat Kindergeld für Kinder im Ausland zahlen müsse, und ob eine Indexierung nicht gerechter wäre. Deutschland zahle Kindergeld für rund 200.000 Kinder im Ausland, die vor allem in Polen, Rumänien, Kroatien und Tschechien lebten. Pro Kind ergäben sich zwischen 194 und mehr als 200 Euro monatlich bei einem Durchschnittsgehalt von 641 Euro in Rumänien, erläuterte Gericke. Auch die belgische EU-Abgeordnete Helga Stevens (EKR) sprach sich für eine Indexierung des Kindergelds in der EU aus. Damit würden keine Rechte eingeschränkt, sondern gleiche Leistungen für das gleiche Kind am gleichen Ort gewährt, stellte sie klar.
Anfang Jänner war auf Initiative der slowenischen Europaabgeordneten Romana Tomc (EVP) eine parlamentarische Anfrage an die EU-Kommission zur Rechtmäßigkeit der von der ÖVP-FPÖ-Regierung geplanten Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder eingebracht worden. Eine Antwort der EU-Kommission werde in Kürze erwartet.
Kritik an Indexierungsplänen
Peter Kolba, Klubobmann und Gesundheitssprecher der Liste Pilz, befürchte durch die Indexierung der Familienbeihilfe das Zusammenstürzen der Versorgung Österreichs mit ausreichend Pflegepersonal. Die 24-Stunden-Betreuung und auch die mobile Pflege würden in großem Ausmaß von Frauen aus Osteuropa geleistet. Diese Frauen verdienten in der 24-Stunden-Betreuung zwischen 20 und 80 Euro am Tag. Aufgrund der Fiktion, dass sie selbstständig tätig seien, fielen davon oft noch Sozialabgaben weg. Daher sei die Familienbeihilfe ein wesentliches Zubrot, damit sich für diese Frauen diese Tätigkeit in Österreich auszahle, erläutert Kolba in einer Pressemitteilung vom 20.2.2018 seine Bedenken gegen die geplante Indexierung. Die gleiche Sorge teilt auch die Gesundheits- und Pflegesprecherin der Grünen Wien, Birgit Meinhard-Schiebel. Zudem bezeichnete sie den „Schritt zur Gerechtigkeit“ als „massive[n] Schritt in Richtung Ungerechtigkeit“ und befürchte eine weitere „Spaltung zwischen Arm und Reich“.
In einer Stellungnahme zum entsprechenden Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden soll, sprach sich der Katholische Familienverband gegen eine Indexierung der Familienbeihilfe aus. Der Verband verweist in seinem dem Institut für Ehe und Familie (IEF) vorliegenden Statement insbesondere auf die armutsvermeidende Wirkung der Familienbeihilfe. So minderten Familienleistungen nachweislich die Armutsgefährdungsquote von Familien in Österreich. „Diese armutsvermeidende Wirkung der Familienbeihilfe wird in Ländern mit niedriger Kaufkraft als in Österreich nicht anders sein“, vermuten Rosina Baumgartner und Alfred Trendl. Außerdem sei zu erwarten, dass sogenannte 24-Stunden-Pflegekräfte das durch die Anpassung der Familienbeihilfe entgangene Einkommen durch höhere Tagsätze ausgleichen würden oder in Ländern arbeiten würden, in denen sie mehr verdienten als in Österreich. Sollte sich die Entlohnung der Pflegekräfte erhöhen, wären damit höhere Sozialabgaben und letztlich auch höhere Pensionen verbunden. Die dann höheren Kosten in Österreich müssten durch höhere Forderungen und/oder höherer steuerlicher Berücksichtigung einen Ausgleich finden, vermutet der Katholische Familienverband.