EU / Abtreibung: EU-Parlament pervertiert Idee der Menschenrechte
IEF, 24.06.2021 – Bei der endgültigen Abstimmung am 24. Juni wurde der umstrittenen „Matić-Report“ mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Mit 378 Stimmen für, 255 Stimmen gegen und 42 Enthaltungen wurde der Bericht über „die Situation der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte in der EU im Rahmen von Frauengesundheit“ von den Abgeordneten zum Europäischen Parlament angenommen. Im Vorfeld wurde auch über einzelne Paragraphen des Berichts abgestimmt, wobei alle bis auf einen die Zustimmung fanden. Bei der abgelehnten Bestimmung (§38 zweiter Satz) handelt es sich um eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Forderung, „wirksame Regulierungs- und Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, mit denen sichergestellt wird, dass durch die „Gewissensklausel“ der rechtzeitige Zugang von Frauen zur Gesundheitsversorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit nicht gefährdet ist“.
Alternative Entschließungsanträge der EKR und EVP abgelehnt
Einige Tage vor der Abstimmung im Plenum wurden noch zwei eigenständige, alternative Entschließungsanträge von den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) sowie von der Europäischen Volkspartei (EVP) eingebracht. Beide verzichteten bewusst auf die kontroversen Bestimmungen des „Matić-Reports“, wie etwa ein aus den sexuellen und reproduktiven Rechten abgeleitetes Recht auf Abtreibung oder die Forderung, die Gewissensklausel für medizinisches Personal abzuschaffen (mehr zum „Matić-Report“ erfahren Sie hier). Beide Entschließungsanträge fanden jedoch keine Mehrheit bei der Abstimmung am Donnerstagvormittag.
Unzulässigerklärung fand keine Mehrheit
Abgelehnt wurde ebenfalls ein von der EKR Fraktion eingebrachter Antrag auf Unzulässigerklärung nach Artikel 197 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments. Bei einer tags zuvor abgehaltenen Abstimmung wurde der Antrag mit 391 Stimmen gegen 280 bei 10 Enthaltungen abgelehnt.
Die EKR begründete den Antrag damit, dass die Annahme des „Matić-Reports“ eine unzulässige Kompetenzüberschreitung seitens der EU sei, zumal Angelegenheiten der Gesundheit und Bildung in die Sphäre der Mitgliedstaaten fielen. Im Antrag wurde auch darauf hingewiesen, dass die mangelnde Kompetenz der EU in diesem Bereich bereits bei der Abstimmung über den sogenannten „Estrella Report“ im Jahr 2013 festgestellt wurde und sich die Kompetenzverteilung seither nicht geändert hätte. Auch die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, hätte bestätigt, dass die legislative Befugnis im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechten (SRHR) und der Abtreibung bei den Mitgliedstaaten liegen würde. Ferner handle es sich um eine Verletzung von Grundrechten, wenn Abtreibung als eine vermeintliche Gesundheitsleistung in die Definition der SRHR im „Matić-Report“ aufgenommen wird. Der Unzulässigkeitsantrag mahnte weiter ein, dass das EU-Parlament in strikter Übereinstimmung mit den Menschenrechten agieren sollte und Berichte, die jene, die das unveräußerliche Recht auf Leben schützen wollen, einer angeblichen Menschenrechtsverletzung beschuldigen und die Gewissensfreiheit ausschalten möchten, nicht zur Abstimmung gelangen sollten. Eine Mehrheit der Abgeordneten aus den Fraktionen der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), Die Linke, Güne/Europäische freie Allianz (Grüne/EFA) und Renew sah das anders. (AH)