Abtreibung - EU
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EU / Abtreibung: Annahme des „Matić Berichts“ schlägt Wellen

IEF, 29.06.2021 –Zahlreiche kritische Reaktionen folgten auf das Ergebnis der Abstimmung im EU-Parlament, bei der kontroverse Forderungen verabschiedet wurden.

Nachdem das EU-Parlament den Bericht über „die Situation der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte in der EU im Rahmen von Frauengesundheit“ mit überwiegender Mehrheit angenommen hatte (das IEF hat berichtet), folgten von mehreren Seiten Empörung, Kritik und Bedauern über die Einschränkung der ärztlichen Gewissensfreiheit und die Überhöhung der Abtreibung als Menschenrecht.

EU auf Irrwegen

In einer ersten Reaktion auf den Beschluss des EU-Parlaments unterstrich der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, dass die dem Bericht zugrunde liegende Einordnung der Abtreibung als Gesundheitsmaßnahme und Menschenrecht das ungeborene Kind entwürdigten. Außerdem bagatellisiere der Bericht die Situation von schwangeren Frauen in Not und klammere generell das Lebensrecht ungeborener Kinder aus. Damit würden sich die europäischen Institutionen auf einem Weg befinden, „von dem wir überzeugt sind, dass er falsch ist“, so der Erzbischof in seiner Stellungnahme zum Ergebnis der EU-Abstimmung.

Kniefall demokratischer Institutionen vor der Abtreibungslobby

Stephanie Merckens, Juristin und Leiterin der Politikabteilung am Institut für Ehe und Familie (IEF), hielt in ihrer Stellungahme zum „Matić Report“ außerdem fest, dass die Behauptung eines Rechts noch kein Recht mache und verwies dabei auf die im Bericht enthaltene Annahme, ein Recht auf Abtreibung ließe sich aus den Menschenrechten ableiten. Eigentlich sei diese Behauptung, so Merckens, viel eher eine Pervertierung der Idee der Menschenrechte. Die Juristin warnte auch davor, die vom EU-Parlament beschlossene Resolution als unverbindlich und damit als harmlos abzutun. Die Erfahrung zeige, dass auch nicht-bindende Dokumente und Empfehlungen zu einer geänderten Rechtspraxis beitragen und schließlich in bindendem Recht münden können.

Keine Zustimmung zum „Matić Bericht“ von Seiten der ÖVP

Alle ÖVP-Abgeordnete zum EU-Parlament stimmten letzten Donnerstag geschlossen gegen den „Matić Bericht“. Eine kritische Stellungnahme zu der kontroversen EU-Resolution kam auch von den Wiener ÖVP-Gemeinderäten Hannes Taborsky (Europasprecher) und Ingrid Korosec (Gesundheitssprecherin) sowie dem ÖVP-Sprecher für Christdemokratie, Jan Ledóchowski. Ledóchowski wies in der gemeinsamen Presseausendung darauf hin, dass die Aufgabe des EU-Parlaments primär jene wäre, alles daran zu setzen, die Abtreibungszahlen zu senken. Denn Abtreibung sei keine Form der Empfängnisverhütung. Taborsky bedauerte, dass das Europäische Parlament einerseits „eigenmächtig neue Grundrechte“ formuliere und andererseits etablierte Rechte, wie die Gewissensfreiheit versuche auszuhebeln. Nicht zuletzt würde die Resolution auch gegen die Kompetenzverteilung zwischen EU und ihren Mitgliedstaaten verstoßen, so Koresec in der Presseaussendung. „In Österreich haben wir höchste gesundheitliche Standards und als Neue Volkspartei stehen wir für lückenlose Beratungs- und Unterstützungsangebote von Frauen mit Konfliktschwangerschaften“, betonte die Gesundheitssprecherin weiter.

Sowohl Frauen im Konflikt als auch ungeborene Kinder haben Menschenwürde und Menschenrechte

Enttäuscht über das Abstimmungsergebnis zum „Matić Report“ zeigte sich zudem die Aktion Leben  und der Katholische Familienverband Österreichs (KFÖ). Der Bericht sei in den Kernpunkten und Forderungen einseitig und konterkariere mühsam errungene Kompromisse in Zusammenhang mit der Abtreibung. Für die Aktion Leben ändere das jedoch nichts daran, dass die Menschenwürde und die Menschenrechte weiterhin „Frauen in Konflikt genauso wie ungeborenen Kindern“ gelten würden. Es gelte nun gegenüber Politikern deutlich zu machen „was wir wollen und was nicht und vor allem warum“. Denn man müsse sich nicht dem Druck beugen, Radikalpositionen, die zudem die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten ignorieren, umzusetzen.

„Historischer Anschlag auf die Menschenrechte“

Das Salzburger Ärzteforum für das Leben kritisierte in seiner Stellungnahme wiederum, dass der „Matić Bericht“ unter Berufung auf vermeintliche Menschenrechte, tatsächliche Rechte wie das Grundrecht auf Leben und auf Gewissensfreiheit untergrabe. Das Ärzteforum befürchtet zudem, dass die Annahme des „Matić-Berichts“ und die darin enthaltenen Forderungen und Empfehlungen an die EU-Mitgliedsstaaten, „mittelfristig Ärztinnen und Ärzten sowie medizinische Institutionen“ nicht nur in Bezug auf die Abtreibung sondern auch im Zusammenhang mit dem assistierten Suizid und der Tötung auf Verlangen daran hindern wird, die Gewissensfreiheit geltend zu machen. Aus Sorge um die ihnen anvertrauten Patienten und die Menschenwürde der Ärzte selbst müsse dieses Recht und die Freiheit zur Ablehnung aus Gewissensgründen unter allen Umständen gewahrt und verteidigt werden, hält das Salzburger Ärzteforum abschließend fest.

Kritik und Bedauern auch aus Deutschland

Auch der deutsche Verein „Ärzte für das Leben“ erwartet, dass die Einschränkung der Gewissensfreiheit sich auch auf alle anderen Medizinbereiche auswirken wird. Im Hinblick darauf, dass der „Matić-Bericht“ von einem Recht auf Abtreibung spricht, hielten die Ärzte für das Leben fest, dass damit „das elementarste Menschenrecht eines der Beteiligten, nämlich das Recht überhaupt zu existieren, vollkommen ausgeblendet“ werde. Beim Recht auf Leben und der Gewissensfreiheit gäbe es jedoch keine Abstufungen. Entweder gelte die „Gewissensfreiheit für alle Bereiche der Medizin oder für keine“ und entweder hätten alle Menschen gleiche Menschenrechte, oder keiner habe sie.

Trotz der positiven Anliegen, die in dem Bericht auch zu finden seien, wertet auch die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) die Verabschiedung des „Matić-Reports“ als einen „brutalen Anschlag auf das Recht eines jeden Menschen auf Leben“. Die Europäische Union würde sich oft als eine Wertegemeinschaft bezeichnen. Die Verabschiedung einer Resolution auf Basis des „Matić-Berichts“ deute jedoch entweder auf einen Wertemangel oder auf Werte, „die zwar von totalitären Systemen, nicht jedoch in freiheitlich-liberalen geschätzt“ würden, schreibt ALfA in ihrer Presseaussendung.

Auch Uwe Heimowski, der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Bundestages und der Bundesregierung befürchtet gravierende Auswirkungen der Anerkennung der Abtreibung als eines Menschenrechts. „Fristenlösungen würden fallen, die Gewissensentscheidung von Ärzten und Hebammen, an Abtreibungen nicht mitzuwirken, könnte als Verletzung der Menschenrechte uminterpretiert werden, konfessionelle Träger könnten gezwungen werden, Abtreibungen durchzuführen,“ warnte Heimowski gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur IDEA. (AH)

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