aktive sterbehilfe in spanien
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ES / Lebensende: Parlament stimmt für aktive Sterbehilfe

IEF, 11.01.2021 –  Mit deutlicher Mehrheit hat das spanische Unterhaus für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zum Suizid gestimmt.

Mit einer Mehrheitsentscheidung von 60 Stimmen wird Spanien zum sechsten Land weltweit und zum vierten Land europaweit, das ein Recht auf aktive Sterbehilfe anerkennt. Die befürwortenden Stimmen kamen vorherrschend aus der linken Fraktion des spanischen Parlaments, die konservativen Parteien stimmten gegen das Gesetz. Das Gesetz ist das Ergebnis einer langen hitzigen Diskussion in Spanien, die unter anderem zu vielen Protesten führte (das IEF hat berichtet).

Viermalige Willensbekundung

Dem Wortlaut des neuen Gesetzes zufolge sei die aktive Sterbehilfe eine Handlung, bei der ein Angehöriger der Medizinberufe das Leben eines Patienten absichtlich und auf dessen Wunsch hin beendet, weil dieser eine schwere, unheilbare Erkrankung habe, die unerträgliches Leiden mit sich bringe. Bei der Beihilfe zum Suizid stelle man lediglich das Medikament zur Verfügung, das den Tod des Patienten herbeiführen soll, verabreiche es jedoch nicht. Das Gesetz sieht vor, dass der Patient viermal unter ärztlicher Aufsicht seinen Willen zum Sterben bekunden soll, ehe ihm Sterbehilfe gewährt wird. Sollte der Patient nicht bei Bewusstsein sein, so kann Sterbehilfe trotzdem geleistet werden, vorausgesetzt eine entsprechende Patientenverfügung ersetzt die Einverständniserklärung des Patienten. Die Sterbehilfe soll im Krankenhaus oder auch in der Wohnung des Patienten durchgeführt werden. Das medizinische Personal hat grundsätzlich das Recht, die Beteiligung an der aktiven Sterbehilfe aus Gewissensgründen zu verweigern. Beantragt werden kann die Sterbehilfe von Spaniern und ausländischen Staatsbürgern, die legal in Spanien leben oder seit mindestens zwölf Monaten im Land gemeldet sind.

Maximal 40 Tage für Todesentscheidung

Um den wahren Willen des Patienten zu erforschen, sieht das Gesetz ein ganzes Prozedere vor, das mit einem Antrag des Sterbewilligen beginnt, in dem er zu erklären hat, dass seine Entscheidung frei von äußeren Zwängen zustande gekommen ist. Daraufhin hat ein Beratungsgespräch mit dem zuständigen Arzt über Diagnose, die Behandlungsmöglichkeiten und die zu erwartenden Resultate sowie über eine mögliche Palliativversorgung zu erfolgen. Im Rahmen des Gesprächs hat der Patient erneut seinen Willen kundzutun. Ein zweiter Antrag und ein damit erneut verbundenes Gespräch mit dem Arzt ziehen den Schlussstrich der Prozedur, wie dem spanischen Wochenblatt zu entnehmen ist. Die finale Antragsbewilligung erfolgt durch eine Bewertungskommission. Der gesamte Prozess inklusive der Sterbehilfe darf nicht länger als 40 Tage in Anspruch nehmen. Bei Ablehnung des Antrags steht dem Patienten ein Rechtsmittelweg offen.

Klares „Nein“ zur Sterbehilfe von Bioethikkommission und Kirchenvertretern

Wie das IEF bereits berichtet hat, übte die Spanische Bioethikkommission massivste Kritik an dem neuen Gesetz. Es sei ein zivilisatorischer Rückschritt, außerdem sprächen neben ethischen auch gesundheitliche, rechtliche, wirtschaftliche und soziale Gründe gegen ein subjektives Recht auf Sterbehilfe als öffentliche Dienstleistung. Im Lichte der Covid-Pandemie sei Sterbehilfe zudem keine adäquate Antwort. Gemäß Livenet meldeten sich nun die Vertreter von sechs Religionsgruppen mit einem Manifest gegen die Sterbehilfe in Spanien. Die Evangelische Allianz Spaniens etwa rief die Regierung auf, sich mehr darauf zu konzentrieren, der Hoffnungslosigkeit und den Schmerzen der Kranken ein Ende zu setzen. Dann würde die Anzahl der Menschen, die den Tod als Ausweg wählten, drastisch zurückgehen. Das neue Gesetz verbreite Sichtweisen über den Tod im Volk, durch die todkranke Menschen zu einer Belastung erklärt würden, so die Evangelische Allianz. Gemeinsam mit der hinduistischen, jüdischen, muslimischen, anglikanischen und katholischen Gemeinschaft plädiert die Evangelische Allianz für eine Gesellschaft, die auf dem unverletzlichen Recht auf Würde und Menschenleben aufbaut. Das Thema sei dringend genug, um theologische Unterschiede beiseite zu lassen, so der Präsident der hinduistischen Gemeinschaft.

Die letzte legale Hürde, die das Gesetz nun noch nehmen muss, ist eine Zustimmung des Senats, die in den kommenden Wochen erwartet wird. (TS)

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