DE / Lebensende: Erste Suizidbeihilfe in Altenheim
Hören statt lesen:
IEF, 22.06.2020 – Nach Aufheben des Verbots der geschäftsmäßigen „Sterbehilfe“ in Deutschland wurde im ersten Altenheim ein begleiteter Suizid durchgeführt.
Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, habe der vom früheren Hamburger Justizsenator Roger Kusch gegründete Verein einem 83-jährigen Mann Beihilfe zur Selbsttötung geleistet, nachdem der Altenheimbetreiber dies ausdrücklich erlaubte.
Wie berichtet, hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil im Februar 2020 das in Deutschland bislang geltende Verbot geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe aufgeboben. Die Richter stellten trotz gewichtiger Bedenken gegen Suizidbeihilfe fest, dass es ein Grundrecht auf Suizid gebe und dieses die Freiheit umfasse, dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Obwohl das Urteil seither scharf in der Kritik steht, haben die Anbieter geschäftsmäßiger Sterbehilfe erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten lassen.
So fordert etwa der „Verein Sterbehilfe“ nun auf seiner Website alle Alten- und Pflegeheime in Deutschland auf, „ihre Hausordnungen so zu ergänzen, dass für Bewohnerinnen und Bewohner sowie für potentiell Suizidhelfende klar ist, dass das Grundrecht auf Suizid und das Grundrecht auf Suizidhilfe gemäss dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 jederzeit ausgeübt werden können.“
Widerstand gegen verpflichtende Information über Suizidbeihilfe
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte demgegenüber jedoch, dass kein Pflegeheimbetreiber in Deutschland dazu gezwungen werden könne, organisiertem Suizid Tür und Tor zu öffnen. „Das bleibt allein eine individuelle Entscheidung des Vertragsrechtes zwischen Bewohner und stationärem Pflegedienst“, sagte Vorstand Eugen Brysch laut Ärzteblatt.
Die Christdemokraten für das Leben (CDL) kritisierten die Forderung des „Vereins Sterbehilfe“ ebenfalls und warnten in einer Stellungnahme vor einem Zwang zu Suizidbeihilfe in Pflegeheimen. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil an mehreren Stellen festgestellt, dass das Recht auf Suizid auch die Freiheit einschließe, bei Dritten Hilfe zu suchen, gleichwohl leite sich aber kein Anspruch gegenüber Dritten zur Suizidbeihilfe ab. In dem letzten Satz der Urteilsbegründung schreibe das Gericht ausdrücklich fest: „All dies lässt unberührt, dass es eine Verpflichtung zur Suizidbeihilfe nicht geben darf.“ Im Gegenteil: Das Gericht billige dem Staat zu, einer Entwicklung entgegenzusteuern, „welche die Entstehung sozialer Pression befördert, sich unter bestimmten Bedingungen, etwa aus Nützlichkeitserwägungen, das Leben zu nehmen“. Diese Feststellung sei vor allem vor dem Hintergrund des steigenden Kostendrucks und von Versorgungslücken – Stichwort: Pflegenotstand – in unserem Gesundheits- und Pflegesystem von Bedeutung, so die CDL.
Der Deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ließ verlauten, dass der vom Höchstgericht genehmigte Spielraum genutzt und ein „legislatives Schutzkonzept“ beschlossen werden müsse. Laut CDL gehöre zu einem solchen Schutzkonzept „zwingend auch die Festschreibung des Gewissensvorbehaltes nicht nur für Ärzte, medizinisches Personal und Apotheker, sondern auch für Betreibergesellschaften von Gesundheitseinrichtungen, wie Pflege- und Seniorenheimen.“
„Corona hat gezeigt, wie wichtig es den Mitarbeitern der Pflegeeinrichtungen ist, ihren Bewohnern den größtmöglichen Schutz zukommen zu lassen“, so Susanne Wenzel, Pressesprecherin der CDL. Das Vertrauen sei nötig, damit ein Mensch beruhigt den Rest seines Lebens in einer Pflegeeinrichtung verbringen könne. (TSG)