
DE / Reproduktionsmedizin: Erneutes Ringen um Zulassung der Eizellspende
IEF, 15.02.2021 – Aufgrund eines von der FDP eingebrachten Gesetzesentwurfs fand im deutschen Bundestag Ende Jänner eine Anhörung zur Legalisierung von Eizellspenden statt.
Da Eizellspenden – anders als Samenspenden – in Deutschland aufgrund des Embryonenschutzgesetzes verboten sind, weichen immer mehr deutsche Paare in andere Länder mit liberalerer Gesetzgebung aus. Nach Ansicht der FDP könne für die so gezeugten Kinder das in Deutschland bestehende Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht durchgesetzt werden. Daraus leite sich die Notwendigkeit ab, die Eizellspende in Deutschland zu legalisieren.
FDP: „Wir stehen an der Seite der Menschen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen.“
Bereits seit geraumer Zeit setzt sich die FDP-Fraktion im deutschen Bundestag für eine Novellierung des Embryonenschutzgesetzes ein – das IEF hat berichtet. Begründend wird vorgebracht, dass die Verbotsnormen wie auch das gesamte Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1990 stammen würden. Seitdem seien nicht nur moderne medizinische Möglichkeiten etabliert und weiterentwickelt worden, sondern auch neben traditionellen Familienkonstellationen weitere vielfältige Formen des familiären Zusammenlebens zur gesellschaftlichen Lebensrealität geworden. Für die Qualität des konkreten Familienlebens sei „nach heutigem Kenntnisstand, vielmehr das Eltern-Kind-Verhältnis nach der Geburt entscheidend“. Forderungen nach einer Reform des Embryonenschutzgesetzes in Deutschland würden auch seitens der Wissenschaft, unter anderem durch Ausarbeitungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, unterstützt.
Problem der „prekären Selbstbestimmung“
Wie das Ärzteblatt berichtet, spricht sich der Theologe Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied im Deutschen Ethikrat, gegen die Umsetzung des FDP-Vorstoßes aus. Eine Eizellspende erfordere, anders als eine Samenspende, neben der hormonellen Stimulation einen invasiven Eingriff und setze damit die potentielle Spenderin einem Risiko aus. Zudem sehe er die Gefahr einer „prekären Selbstbestimmung“. Diese liege vor, wenn eine Frau zwar formal eine selbstbestimmte Entscheidung für eine Eizellspende treffe, sie sich aber materiell zu dieser Entscheidung durch die eigene Lebenslage oder wegen der Erwartungshaltung Dritter gedrängt sehe. Eine Legalisierung der Eizellspende in Deutschland verhindere gerade keinen Reproduktionstourismus. Vielmehr würde der „Tourismus“ nun in anderer Richtung erfolgen und zwar durch spendewillige Frauen aus dem Ausland, für die die in Aussicht gestellte Aufwandsentschädigung Anreiz für die Spende sein könne.
Drang zur Reproduktionsmedizin als ein „Muss“
Kritik kommt auch vom Feministischen Frauengesundheitszentrums Berlin (FFGZ) sowie vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB). Birgit Mock, Vizepräsidentin des KDFB befürchtet, dass die Legalisierung der Eizellspende die Normalisierung von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen an sich zur Folge haben könnte. In der Presseaussendung des KDFB heißt es dazu: „Wir sehen mit großer Sorge, dass mit allen Maßnahmen, die in Deutschland nicht nur machbar, sondern auch erlaubt sind, Frauen immer mehr in Zugzwang geraten und der Rechtfertigungsdruck ihnen gegenüber steigt, wenn sie Maßnahmen dieser Art nicht in Anspruch nehmen.“
„Spende“ ist irreführender Begriff
Sowohl das Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften (BioSkop) als auch die Soziologin Susanne Schultz von der Universität Frankfurt am Main wiesen im Rahmen der Anhörung auf die Gefahr der Kommerzialisierung der Eizellspende hin. Laut BioSkop würden Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass ohne finanzielle Anreize die Spendenbereitschaft der Frauen gering ausfalle; diese neuen Ausbeutungsverhältnisse würden sich dann auch in Deutschland nicht vermeiden lassen. Schultz betonte, dass der Begriff „Spende“ irreführend sei, denn es gehe nicht „um eine selbstlose Gabe, sondern um einen Vorgang, der in einen global expandierenden, reproduktionsmedizinischen Markt eingebettet sei“, so im Ärzteblatt.
Ärztekammer wünscht sich Novelle des gesamten ESchG
Die deutsche Bundesärztekammer wiederum befürwortet den Vorstoß der Liberalen und fordert in diesem Zusammenhang erneut konsistente rechtliche Regelungen für die Reproduktionsmedizin insgesamt. Auch die Ärztin und Medizinethikerin Claudia Wiesemann von der Universitätsmedizin Göttingen sprach sich für ein Streichen des Verbots aus. Viele Argumente gegen die Zulässigkeit beruhten auf einem veralteten Kenntnisstand, wird Wiesemann zitiert. Studien hätten gezeigt, dass die Risiken für die Spenderinnen „vertretbar“ seien.
IVF-Boom während Pandemie
Überraschendes zeigt hierzu das letztjährige Zahlenmaterial des deutschen IVF-Registers. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, ergebe sich aus „Sonderauswertung Covid-19“, die der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nach eigenen Angaben exklusiv vorliege, dass noch nie so viele Paare in den deutschen Kinderwunschzentren behandelt wurden wie im vergangenen Jahr. Trotz unsicherer Zeiten und Erschwernissen beim Zugang zu Krankenhäusern und Praxen hätten mehr Paare denn je reproduktionsmedizinische Angebote in Anspruch genommen.
Kinderwunsch größer denn je?
Verglichen wurden die Behandlungszahlen aus 113 der 131 deutschen Kinderwunschzentren – Unikliniken wie Praxen: Während 2019 in diesen 113 Zentren noch rund 99.000 Behandlungen vorgenommen wurden, stieg die Zahl im Jahr darauf auf gut 108.000 an. An den Zahlen sei nach Ansicht der FAZ „einiges bemerkenswert“: „Im Frühjahrs-Lockdown von Mitte März an zum Beispiel konnten viele Einrichtungen keine Behandlungen anbieten. Die meisten Unikliniken (17 von 19) fuhren ihren Betrieb herunter, auch jede vierte Praxis nahm in dieser Zeit keine neuen Behandlungen vor. Folgerichtig brachen die Behandlungszahlen in den Frühlingsmonaten März und April im Vergleich zum Vorjahr um fast 30 Prozent ein. Doch es folgte eine Gegenreaktion: Schon im Mai und Juni registrierten die Kliniken und Praxen eine Steigerung um 27 Prozent. In der zweiten Jahreshälfte lagen die Behandlungszahlen dann konstant weit über dem Vorjahresniveau.“ Auch wurde von der Möglichkeit, das Einsetzen der Eizellen nach Entnahme aufgrund der Pandemie auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, kein Gebrauch gemacht.
Mehr Zeit und mehr Geld
Zwei weitere Gründe würden nach Ansicht der Fachleute eine Rolle für den Anstieg der Behandlungszahlen spielen: die neu gewonnene Zeit und das übrig gebliebene Geld. Neue Homeoffice-Möglichkeiten, aber auch die Kurzarbeit würden die zeitliche Flexibilität erhöhen. Außerdem hätten viele Menschen „trotz aller wirtschaftlicher Widrigkeiten unterm Strich im vergangenen Jahr mehr Geld übrig als in normalen Zeiten, etwa weil sie nicht mehr ausgehen konnten und ihre Urlaubspläne aufgeben mussten“. Auf einen generellen Babyboom, abseits von Kinderwunschbehandlungen, könne aufgrund der Zahlen jedoch noch nicht geschlossen werden: die ersten „Corona-Babys“ seien erst im Dezember geboren worden, die derzeitige Datenlage lasse weitere Ergebnisse noch nicht zu. (KL)