INT / Abtreibung: Amnesty International interpretiert Menschenrechte um
Hören statt lesen:
IEF, 16.11.2020 – Die Organisation fordert in einem Positionspapier ein universelles „Recht auf Abtreibung“.
Vollständige Entkriminalisierung und universeller Zugang zu Abtreibungen
Bereits am 28. September hat Amnesty International (AI) eine aktualisierte Position zur Abtreibung veröffentlicht. Darin fordert die Menschenrechtsorganisation ausgehend von der reproduktiven Autonomie „jeder Frau, jedes Mädchens und jeder Person, die schwanger werden kann“, die vollständige Entkriminalisierung und den universellen Zugang zu „sicheren Abtreibungen“, deren Durchführung „so früh wie möglich und so spät wie nötig“ gewährleistet werden sollte.
Den Staaten will die „Menschrechtsorganisation“ eine positive Verpflichtung auferlegen, alle existierenden Beschränkungen des Zugangs zur Abtreibung zu beseitigen und diese „verfügbar, zugänglich, erschwinglich, akzeptiert und in guter Qualität“ anzubieten. Die Abtreibungen sollen dabei in allen Gesundheitseinrichtungen, mobilen Kliniken und über Telemedizin, sowohl in Form eines chirurgischen, wie auch medikamentösen Abbruchs zur Verfügung gestellt werden.
Die Staaten sollten sich zwar dafür einsetzen, dass Frauen nicht aufgrund einer Verweigerung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Rechte zur Abtreibung gedrängt würden. Gesetze sollten sich aber explizit an der Schwangeren orientieren. Das ungeborene Kind wird mit keinem Wort erwähnt.
Für „Recht auf Abtreibung“ sei sogar Genderzid in Kauf zu nehmen
In den FAQs zur aktualisierten Abtreibungsposition spricht sich AI für den Zugang zur Abtreibung unabhängig von Motiven aus, also unter anderem auch für geschlechtsbezogene Abtreibungen von vorwiegend weiblichen Föten. Abtreibungsbeschränkungen seien in diesem Fall nicht die „Lösung für strukturelle Diskriminierung“.
Für Antonia Holewik, Juristin am Institut für Ehe und Familie (IEF) ist erschreckend, mit welcher Gleichgültigkeit die sich angeblich für Menschenrechte einsetzende Organisation damit den Tod von rund 23 Millionen Mädchen in Kauf nimmt.
Menschenrechtsschutz erst ab der Geburt
Zur Frage des Beginns des menschlichen Lebens wolle AI keine Stellung beziehen, heißt es in dem Positionspapier. Dies sei „eine moralische und ethische Frage, die Einzelpersonen für sich selbst entscheiden müssen“. Für die Organisation seien lediglich internationale Menschenrechtsgesetze und -standards von Bedeutung, die den Schutz der Menschenrechte erst ab der Geburt anerkennen würden.
Als Grundlage für diese Behauptung führt AI die Fortentwicklung der Menschenrechte durch verschiedene UN-Ausschüsse an und verschweigt dabei die Tatsache, dass es sich bei den Aussagen dieser Gremien um unverbindliche Rechtsakte handele, so Holewik. Unerwähnt bleiben hingegen verbindliche internationale Konventionen, die den Menschenrechtsschutz auch für Ungeborene postulieren, wie etwa die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen oder das Verbot der Todesstrafe bei Schwangeren.
Abtreibung mehr als nur eine „Gesundheitsleistung“
In einer Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung der neuen Abtreibungsposition heißt es, dass die Organisation den Zugang zur Abtreibung „nicht mehr nur als eine Frage der Gesundheit“ betrachte. AI betont, dass die Verweigerung einer Abtreibung „einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung aller Menschenrechte haben kann und daher für die Verwirklichung von sozialer, reproduktiver und wirtschaftlicher Gerechtigkeit, sowie Geschlechtergerechtigkeit unerlässlich ist“.
Nichtsdestotrotz sei nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation die Abtreibung auch eine Gesundheitsleistung und so dürfe den Betroffenen der Zugang zu dieser Leistung nicht aus Gewissensgründen verweigert werden. Damit setze sich AI neben dem Recht auf Leben des ungeborenen Kindes über ein weiteres fundamentales Recht der Menschenrechtserklärung hinweg, nämlich das auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie Holewik betont. (AH)