Oberösterreichisches Landesverwaltungsgericht urteilt zu drittem Geschlecht
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AT / Gender: „Drittes Geschlecht“ – nach Urteil noch immer keine Klarheit

IEF, 30.03.2020 – Das oberösterreichische Landesverwaltungsgericht stellte fest, dass eine vorherige Entscheidung noch nicht umgesetzt wurde.

Die Diskussion um den Personenstandseintrag eines „Dritten Geschlechts“ ist um eine Facette reicher. Das Oberösterreichische Landesverwaltungsgericht in Linz stellte in einem neuerlichen Urteil fest, dass ein Erlass des Innenministeriums keine ausreichende Umsetzung der Vorgaben durch den Verfassungsgerichtshof sei. Im Anlassverfahren hatte ein Oberösterreicher geklagt, dessen Geschlechtsmerkmale uneindeutig sind und der sich selbst daher weder dem einen, noch dem anderen Geschlecht zugeordnet wissen möchte. Er hatte bereits einmal zuvor vor dem Landesverwaltungsgericht geklagt, welches der Klage stattgab und entschied, dass sein Geschlechtseintrag im Zentralen Personenstandsregister von „männlich“ auf „inter“ zu ändern sei. Eine Revision des Bundesinnenministers vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Urteil wurde abgelehnt. Zuvor bestätigte auch der Verfassungsgerichtshof das Recht auf Anerkennung der persönlichen Geschlechtsidentität (das IEF hat berichtet).

Erlass von Bundesminister Kickl führte zu weiterem Verfahren

Als Reaktion auf das Urteil war zwar keine Änderung des Personenstandsgesetzes nötig, dennoch ergab sich administrativer Handlungsbedarf, da der VfGH den Begriff „Geschlecht“ in § 2 Abs 2 Z 3 Personenstandsgesetz (PStG 2013) dahingehend interpretierte, dass er nicht nur die binären biologischen Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ umfasse, sondern auch die Möglichkeit der Intersexualität als eine Variante der Geschlechtsentwicklung (VdG), die eine Einordnung des Menschen in männlich und weiblich nicht eindeutig zulasse.

Daraufhin erließ das österreichische Innenministerium unter Bundesminister Kickl einen Erlass, der regelt, dass zum einen bei der Geburt die Geschlechtseintragung „offen“ eingetragen werden kann, wenn dem Arzt oder der Hebamme eine eindeutige medizinische Zuordnung zu einem Geschlecht bei der Geburt nicht möglich ist. Zum anderen wurde als dritte Eintragungsmöglichkeit „divers“ eingeführt, welche für Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung auf Basis eines einschlägigen medizinischen Gutachtens durchgeführt werden kann. Für die Erstellung dieser Gutachten wurde eine spezielle medizinische Expertengruppe, die sogenannten „VdG-Boards“ eingerichtet (das IEF hat berichtet).

Gegen die daraufhin von der Stadt Steyr ausgestellte Geburtsurkunde mit der Eintragung „divers“, legte der Betroffene beim Oberösterreichischen Landesverwaltungsgericht Beschwerde ein und forderte die Neuausstellung der Urkunde mit der Eintragung „inter“.

Oberösterreichisches Landesverwaltungsgericht entscheidet erneut

Im neuerlichen Verfahren begehrte der Beschwerdeführer nun zum einen die Änderung der Geschlechtseintragung im Zentralen Personenstandsregister von „divers“ zu „inter“ und zum anderen die Ausstellung einer Geburtsurkunde mit der Eintragung „inter“.

Am 18. Februar 2020 entschied das Gericht in Linz wie folgt: Der erste Beschwerdepunkt wurde abgelehnt, mit der Begründung, dass in der Sache durch das vorherige Urteil bereits entschieden sei. Durch die Änderung der Eintragung von „männlich“ auf „divers“ sei keine Änderung auf Sachebene eingetreten und ein Erlass sei „nicht in der Lage Rechte und Pflichten für die Rechtsunterworfenen zu begründen“. Die Möglichkeit „die Rechtskraft der Entscheidung zu durchbrechen“ sei lediglich einer Verordnung vorbehalten gewesen.

Im zweiten Punkt gab das Gericht der Beschwerde statt, mit der Begründung, dass die Ausstellung der Geburtsurkunde mit der Eintragung „inter“ immer noch zu erfolgen habe sobald die notwendige Eintragung im Zentralen Personenstandsregister geschehen sei.

Folgen des Urteils noch nicht abzusehen

Die Folgen des erneuten Urteils des Oberösterreichischen Landesverwaltungsgerichts sind unterdessen noch nicht abzusehen. Auf Anfrage beim Bundesministerium für Inneres heißt es, dass der Erlass des Bundesinnenministers durch das Urteil des Landesverwaltungsgerichts nicht aufgehoben ist.

Das Gericht selber gibt in seinem Urteil an, dass ihm „generell keine Möglichkeit zukommt Eintragungen im Zentralen Personenstandsregister vorzunehmen oder Geburtsurkunden auszustellen.“

Dr. Stephanie Merckens, Juristin am Institut für Ehe und Familie (IEF) erklärt die Situation wie folgt: Im Fall des Beschwerdeführers könne als Geschlechtseintrag „inter“ eingetragen werden, da die Entscheidung des Gerichts für seinen Fall bindend ist. Diese gerichtliche Entscheidung ist aber keine generelle Umsetzung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs durch den Gesetzgeber, sondern gilt nur für den Beschwerdeführer. Um allgemeine Rechtwirkung gegenüber den Bürgern zu entfalten, müsse der Gesetzgeber eine Verordnung erlassen, wie nun im Fall der Inter- oder auch Transsexualität vorgegangen werden solle. Der bisherige ministerielle Erlass entwickelt keine bindende Rechtskraft gegenüber Gerichten, wohl aber gegenüber den dem Ministerium unterstellten Behörden. Für diese behalte er auch weiterhin Gültigkeit.

Die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision an den Verfassungsgerichtshof wie auch an den Verwaltungsgerichtshof wurde zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass angesichts der derzeitigen Situation auch in diesem Fall die Rechtsmittelfristen unterbrochen sind. (MM)

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