INT / Abtreibung: Der Kampf um sexuelle und reproduktive Rechte
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IEF, 24.07.2020 – Während der Austritt der USA die Abtreibungsagenda der WHO schwächt, beruft der UN-Menschenrechtsausschuss eine profilierte Abtreibungsärztin als Sonderberichterstatterin zum Recht auf Gesundheit
Ein Austritt mit Konsequenzen für die sexuelle und reproduktive Gesundheit
Wie der Standard berichtet, haben die USA Anfang Juli offiziell ihren Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation bekanntgegeben. Als einen der Gründe für die Entscheidung brachte der bis dahin zahlungsstärkste Mitgliedstaat schwere Versäumnisse der Organisation im Umgang mit der Corona-Pandemie vor. Der Austritt soll im Juli 2021 in Kraft treten, die Zahlungen hat Trumps Regierung bereits im April dieses Jahres eingefroren.
Die Entscheidung, aus der WHO auszutreten, stieß auf zahlreiche Kritik, darunter auch des Guttmacher Institute. Die Forschungseinrichtung und frühere Abteilung der Planned Parenthood Federation beklagte in einem Kommentar, dass der Austritt der USA das Vorantreiben der „sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ schwächen wird. Die Weltgesundheitsorganisation sei eine treibende Kraft beim Erstellen zahlreicher Leitlinien in dem Bereich und das Einstellen der Zahlungen und das Ausscheiden der USA aus der UN-Sonderorganisation werde den im Laufe der letzten Jahrzehnte erzielten Fortschritt bei der Gewährleistung der „sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ untergraben. Dadurch würden weniger Menschen die Gesundheitsfürsorge erhalten, die sie wollen und brauchen, so das Guttmacher Institute.
Viele Lebensschützer in den USA zeigen sich mit der Entscheidung von Trumps Regierung indes zufrieden. Die WHO würde unter dem Deckmantel von „sexuellen und reproduktiven Rechten“ eine radikale Abtreibungsagenda betreiben. Sie verweisen dabei unter anderem auf die zu Beginn der Pandemie von der WHO abgegebenen Erklärung, wonach alle Abtreibungen als essentielle medizinische Leistungen eingestuft wurden (das IEF hat berichtet).
Eine Konferenz ohne Abschlussdokument
Die strittige Politik in Sachen „sexuelle und reproduktive Rechte“ führte auch dazu, dass die 53. Sitzung der Kommission für Bevölkerung und Entwicklung der Vereinten Nationen ohne Abschlussdokument blieb. Laut einem Bericht von C-Fam musste der Entwurf, der einige Verweise auf „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ beinhaltete, aufgrund des Widerstands der Delegierten aus den USA und einigen anderen Ländern vom Kommissionsvorsitzenden zurückgenommen werden.
Die Gegner des Dokuments argumentierten einerseits damit, dass der in Punkt 15 des Dokumentenentwurfs geforderte universelle Zugang zu „sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten“ (SRHR), entgegen dem auf der Bevölkerungskonferenz in Kairo erzielten internationalen Konsens, vielfach als ein “Recht auf Abtreibung” ausgelegt werde (das IEF hat berichtet). Sie setzten sich daher dafür ein, dass die kontroversen Passagen aus dem Dokument entfernt werden. Einige Staaten forderten während der Verhandlungen zudem den Zusatz, dass die im Entwurf erwähnten Abschlussdokumente früherer Konferenzen „im Einklang mit nationalen Gesetzen und international beschlossenen Menschenrechten“ zu lesen sind.
Da unter den Kommissionsmitgliedern keine Einigung bezüglich der strittigen Punkte erzielt werden konnte, entschied der Vorsitzende letztendlich, die Sitzung ohne eine Abschlusserklärung zu schließen.
Abtreibungsärztin als UN–Sonderberichterstatterin zum Recht auf Gesundheit
Weniger erfreut zeigten sich Lebensschutzorganisationen über die Ernennung einer ehemaligen Abtreibungsärztin, Tlaleng Mofokeng, aus Südafrika zur neuen UN-Sonderberichterstatterin zum Recht auf Gesundheit. Wie C-Fam schreibt, hat Mofokeng während ihrer Laufbahn als Ärztin über zehn Jahre lang Abtreibungen durchgeführt und ihr Einsatz im Bereich der Menschenrechte gelte vor allem den „sexuellen und reproduktiven Rechten“.
Die Stelle des Sonderberichterstatters existiert seit dem Jahr 2002. Der Sonderbeauftragte zum Recht auf Gesundheit wird vom UN-Menschenrechtsrat ernannt und ist mit einem sechsjährigen Mandat ausgestattet. Zu seinen Aufgaben zählen u.a. die Erarbeitung von Studien und Leitlinien zur Verbesserung der Menschenrechtslage in dem ihm übertragenen Bereich, Länderbesuche auf Einladung von Staaten und die Abgabe von Empfehlungen.
Obwohl die Aussagen und Berichte der in die UN-Spezialverfahren involvierten Sonderbeauftragten nicht den gleichen Prozess wie andere offizielle UN-Dokumente durchlaufen müssen, werden diese häufig von UN-Teilorganisationen und -agenturen sowie Aktivisten zitiert und von manchen Mitgliedstaaten gar wie ausverhandelte und im Konsens beschlossene internationale Dokumente behandelt. Das IEF hat berichtet. (AH)