DE_CH / Lebensende: Bundesärztekammer stellt Suizidassistenz frei
IEF, 25.05.2021 – Die deutsche Ärztekammer hat ihre Berufsordnung an das „Sterbehilfe“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts angepasst.
Beim 124. Ärztetag entschied die Mehrheit der Delegierten das Verbot des assistierten Suizids aus der Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer zu streichen. Wie in einer Pressemitteilung zum Ärztetag zu lesen ist, lautet der § 16 in Zukunft: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten.“ Der letzte Satz: „Ärztinnen und Ärzte dürften keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ entfällt fortan.
Suizidassistenz weiterhin keine ärztliche Aufgabe
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, betonte in seiner Abschlussrede beim Ärztetag, dass trotz Änderung der Berufsordnung, Suizidassistenz nicht zu einer ärztlichen Aufgabe und normalen Dienstleistung werden dürfe. Primäres Ziel eines Arztes sei weiterhin „Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken“. Der Ärztetag sprach sich auch dagegen aus, dass Ärzte für Nichterkrankte eine Indikation oder Beratung anbieten oder sie gar bei der Durchführung eines Sterbewunsches unterstützen dürften.
Fokus auf Suizidprävention
Ferner forderte das Ärzteparlament die Unterstützung und den Ausbau der Suizidprävention und appellierte an den Gesetzgeber diese in den Vordergrund zu rücken. Wie das Ärzteblatt berichtet, kritisierten die Abgeordneten des Ärztetags die Fokussierung der politischen und gesellschaftlichen Debatte auf die Regelung der Suizidassistenz. Dieser Zugang würde sich vor allem auf Menschen in Krisensituationen negativ auswirken, die aufgrund von Konflikten, Einsamkeit und der psychosozialen Folgen von Vielfacherkrankungen, vorschnell zum Recht auf assistierten Suizid greifen könnten. Was diese Menschen tatsächlich benötigten, sei jedoch nicht Suizidassistenz, sondern Suizidprävention.
Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Anpassung der Berufsordnung erfolgte aus Anlass der Freigabe der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung durch das Bundesverfassungsgericht im Februar letzten Jahres (das IEF hat berichtet). Das ärztliche Berufsrecht sei zwar nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gewesen, doch die Höchstrichter hätten insofern das Verbot der Suizidbeihilfe kritisiert, als es der Bereitschaft, Suizidhilfe zu leisten „weitere Grenzen jenseits oder gar entgegen der individuellen Gewissensentscheidung des einzelnen Arztes“ gesetzt hätte.
Schweizer Kanton will Heime zum Zulassen von assistierten Suiziden verpflichten
Während in Deutschland der Bundestag noch über die Ausgestaltung der künftigen Regelung des assistierten Suizids berät, wird in der Schweiz die Gewissensfreiheit von Organisationseinheiten immer weiter ausgehöhlt. Laut einem IMABE-Bericht sollen nach einem von den Jusos eingebrachten Gesetzesvorschlag die Alters- und Pflegeheime im Kanton Graubünden zukünftig dazu verpflichtet werden, „Sterbehilfe“-Vereinen den Zutritt zu ihren Räumlichkeiten zu gestatten. Greifen würde die geplante Gesetzesänderung jedoch erst in zwei Jahren.
Bisher würden Träger gemeinsam mit der Heim- oder Pflegeleitung darüber entscheiden, ob „Sterbehilfe“ innerhalb ihrer Einrichtungen erlaubt sein soll oder nicht. Graubünden ist jedoch nicht der einzige Kanton, in dem die Frage der Unabhängigkeit von Heimen thematisiert wurde. Neuenburg hat bereits 2014 ein Gesetz erlassen, mit dem staatlich (mit-)finanzierte Institutionen verpflichtet wurden, Suizidbeihilfe durch externe Organisationen in ihren Räumlichkeiten zuzulassen. (AH)