DE / Sexualerziehung: TeenSTAR-Kurs an bayerischer Grundschule abgebrochen
IEF, 13.07.2022 – Das bayerische Kultusministerium ließ einen Sexualkunde-Kurs von TeenSTAR Deutschland abbrechen. Die Begründungen von Ministerium und Schulamt gehen auseinander.
In der vierten Klasse einer bayerischen Grundschule im Bistum Regensburg sollte der Verein „TeenSTAR Deutschland“ einen mehrteiligen Kurs über Sexualität mit dem Titel „Ich und mein Körper. Meine Entwicklung verstehen – stark werden für die Jugendzeit“ halten. Wie der Bayerische Rundfunk (BR) in einem Online-Artikel berichtet, wurde der Kurs nach der ersten Einheit abgesagt. Eltern hatten sich “über diskriminierende Inhalte beklagt”.
Absage eine Frage der Richtlinien oder inhaltlicher Differenzen?
Wie das Kultusministerium mitteilte, sei laut den Richtlinien zur Familien- und Sexualerziehung aus dem Jahr 2016 ein Einsatz von außerschulischen Experten im Unterricht gar nicht vorgesehen. Aus diesem Grund habe keine „Prüfung der Programminhalte“ stattgefunden, sondern die Absage des Kurses sei aus formalrechtlichen Gründen geschehen. Laut den Recherchen des BR trifft dies in der Praxis allerdings nicht zu, da sowohl der Verein “My Fertility Matters (MFM)” und “Profamilia” auf Nachfrage bestätigt hätten, Kurse an Grundschulen durchzuführen. Wie ein Sprecher des Bildungsministeriums gegenüber der katholischen Zeitung Die Tagespost erklärte, dürften außerschulische Experten den Sexualkundeunterricht an Grundschulen nicht halten, sehr wohl aber an weiterführenden Schulen oder an Privatschulen. Über diese Abgrenzung herrsche vielfach Verwirrung, gab der Sprecher zu. Weder TeenSTAR noch der einladenden Grundschule sei die Regelung klar gewesen.
Im Gegensatz zur Begründung des Ministeriums führte der Leiter des Schulamtes von Stadt und Landkreis Regensburg, Clemens Sieber, aus, dass es bei TeenSTAR Differenzen zum Lehrplan gebe. Er sprach davon, dass ein „sehr streng konservatives Bild über Sexualität“ bei der Durchführung der Kurse vorhanden sei, und „nicht eine offene Haltung, wie sie eigentlich der Lehrplan beinhaltet“. Er nannte Themen wie Homosexualität, Transgender und Diversität.
TeenSTAR entkräftet Vorwürfe
Gegenüber dem BR widersprach die TeenSTAR Deutschland-Vorsitzende Elisabeth Luge den Vorwürfen: „Nach einer nochmaligen inhaltlichen Überprüfung der von TeenSTAR für die 4. Klasse angebotenen Programmpunkte mit den aktuellen bayerischen Richtlinien von 2016 zeigt sich, dass das TeenSTAR-Programm diese in allen Punkten erfüllt.“
Darüber hinaus konnte Luge im Gespräch mit dem BR auch im Raum stehende Vorwürfe zu den Themen Selbstbefriedigung und angeblicher Homophobie entkräften. „Es besteht keinerlei inhaltlicher Bezug der Angriffe zu unserem Unterricht und auch keine Kritik unseres Unterrichts. Die Angriffspunkte Homophobie und Selbstbefriedigung sind nicht und waren nie Thema in unseren Juniorkursen in den 4. Klassen“, so Luge gegenüber der Tagespost. In den Grundschulkursen gehe es darum, die Kinder stark zu machen für die Teenager-Zeit. Inhaltlich gehe es um Veränderungen des eigenen Körpers, des Körpers vom anderen Geschlecht und der Entstehung und Entwicklung des Babys, erklärt die TeenSTAR-Vorsitzende.
TeenSTAR-Prinzip: Jedem Mensch mit Achtung begegnen
In einem weiteren Bericht glich die Tagespost die erhobenen Vorwürfe mit der Bayerischen Verfassung ab. Die Verfassung halte fest, dass „Ehe und Familie die natürliche und sittliche Grundlage der menschlichen Gemeinschaft“ seien und „unter dem besonderen Schutz des Staates“ stünden. In § 131 sei ausdrücklich die Rede davon, dass „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne“ oberste Bildungsziele seien.
Dem Verein Homophobie und Fundamentalismus vorzuwerfen, unter anderem aufgrund von Aussagen wie jener aus der Broschüre des Vereins, dass zwei Männer oder zwei Frauen nicht auf natürlichem Wege Kinder bekommen und eine Familie gründen könnten, entbehrt also jeder Grundlage.
„Wir wissen um die gesellschaftlichen Realitäten und werden gemäß unseres christlichen Menschenbildes unserem Prinzip, jedem Menschen mit Achtung zu begegnen, treu bleiben. In dem Sinn arbeiten wir weiter“, hält Luge fest. Wie es sich für einen seriösen Verein gehöre, werde man sich selbstverständlich „mit dem neuen Wissen an die Vorgaben des Kultusministeriums halten“.
In Österreich Akkreditierung von Anbietern sexualpädagogischer Programme
Auch in Österreich gab es in der Vergangenheit Vorwürfe gegen TeenSTAR, gegen die der Verein offen aufgetreten ist (das IEF hat berichtet). Seit einigen Jahren wurde vom Bildungsministerium eine Akkreditierung sämtlicher Sexualpädagogik-Anbieter im schulischen Bereich angekündigt. Bislang wurden in dieser Hinsicht allerdings noch keine konkreten Richtlinien veröffentlicht. TeenSTAR Österreich ist weiterhin aktiv – sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich.
Derzeit werden laut Information von TeenSTAR Österreich die Unterlagen für die nächsten Kursleiterausbildungsseminare ab Herbst final überarbeitet und auf den neuesten Stand der Forschung gebracht. „Dabei bleiben wir selbstverständlich den christlichen Werten treu, auf denen nicht nur die TeenSTAR-Kurse, sondern die gesamte westliche Gesellschaft beruht“, so Geschäftsführer David Postolache.
Erschreckende Berichte aus Sexualkundeunterricht an österreichischen Schulen
Wie wichtig diese Akkreditierung ist, zeigen aktuelle Berichte aus Österreich, die von der Kronen Zeitung recherchiert und zusammengefasst wurden. Der Krone liegen über 30 überprüfte Fälle vor, in denen Eltern davon berichten, dass ihre Kinder durch den stattgefundenen Sexualkundeunterricht diverser Vereine verstört worden seien. In einem konkreten Fall aus einer niederösterreichischen Volksschule etwa sollten achtjährige Schüler an Sektgläsern das Überziehen eines Kondoms üben.
Im Artikel werden noch verschiedene Fälle aus anderen Bundesländern genannt und beschrieben, in denen die Schamgrenzen der Kinder und Jugendlichen verletzt worden seien. So wurde etwa an einer Salzburger Volksschule von einem Vertreter eines sexualpädagogischen Vereins laut Kronen Zeitung Pornografie auf die Ebene eines bloßen Actionfilmes gestellt und in einem steirischen Gymnasium Schüler aufgefordert, auf einen Zettel zu schreiben, wie oft sie sich selbst befriedigen würden – ein Schüler, dessen Zettel von Mitschülern gelesen wurde, wurde dem Gelächter preisgegeben. Das Bildungsministerium weiß laut Krone von den Vorfällen und verwies darauf, dass zum einen die Lehrkräfte verpflichtet seien, während des Unterrichts im Raum zu bleiben, und zum anderen die Eltern stärker eingebunden werden sollten.
In Zusammenhang mit dem Verein TeenSTAR hingegen liegen weder aktuell noch aus den letzten Jahren Berichte über verstörte Kinder und Jugendliche nach dessen sexualpädagogischen Programmen vor. Helga Sebernik, die Obfrau des Vereins TeenSTAR Österreich, berichtet von laufendem positiven Feedback von Eltern, deren Kinder an Teen STAR-Kursen teilgenommen haben. (MM)