DE / Reproduktionsmedizin: Wenn ein privater Samenspender Vater sein will
IEF, 20.07.2021 – Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) spricht einem privaten Samenspender auch nach Adoptionsfreigabe ein Umgangsrecht mit dem leiblichen Kind zu.
„Mütter“ wollten Umgang verwehren
Im zuletzt beim deutschen Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe anhängigen Verfahren zur Geschäftszahl XII ZB 58/20 hatte der Mann, der sein Kind mittels privater Samenspende gezeugt und zur Stiefkindadoption durch die leibliche Mutter sowie deren eingetragene Lebenspartnerin freigegeben hatte, auf ein Umgangsrecht geklagt, da die beiden Frauen ihm ein solches verwehren wollten. Seit der Geburt des Kindes 2013 hatte der Vater Kontakt zu seinem leiblichen Kind, das von dessen Vaterschaft wusste. Als der Mann den Kontakt 2018 schließlich intensivieren wollte, hatten die Frauen ihn gänzlich abgebrochen. Daraufhin klagte der Mann zuerst beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, das die Klage abwies. Auch die Berufung an das Kammergericht Berlin blieb erfolglos. Erst der BGH entschied zu Gunsten des Klägers und stellte fest, dass dem Kläger als leiblichem Vater grundsätzlich ein Umgangsrecht zukommen kann, so dies dem konkreten Kindeswohl nicht widerspricht. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde aufgehoben. Das Verfahren wurde aber zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht rücküberwiesen, da nun geklärt werden müsse, ob im konkreten Fall der Umgang mit dem Samenspender dem Kindeswohl nicht zuwider laufe.
Private Samenspende versus offizielle Samenspende
Für die Entscheidung war wesentlich, dass die Samenspende „privat“ erfolgt war. Während bei Samenspenden über eine offizielle Samenbank ausgeschlossen werden kann, dass der Samenspender seine Stellung als leiblicher Vater später geltend machen kann, sei laut BGH die private Samenspende rechtlich wie ein stattgefundener Geschlechtsverkehr mit der leiblichen Mutter zu bewerten. Auch die Einwilligung in eine Adoption stünde grundsätzlich einem Umgang mit den leiblichen Eltern nicht entgegen, so der Gerichtshof.
Dient der Umgang dem Kindeswohl?
Der Kläger konnte seinen Anspruch nicht auf die Bestimmung des § 1684 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die den Umgang des Kindes mit seinen Eltern normiert, stützen, da das dort abgeleitete Umgangsrecht nur den rechtlichen Eltern zukommt. Auch die Norm des § 1685 BGB, die den Umgang des Kindes mit anderen Bezugspersonen regelt, hatte im vorliegenden Fall keine Durchschlagskraft, da aufgrund der zeitlichen Begrenzung der stets von den Eltern begleiteten Kontakte eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind nicht begründet werden konnte, wie es in der Pressemitteilung des BGH heißt. Dagegen sei ein Anspruch gemäß § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB, der das Umgangsrecht des leiblichen Vaters selbst normiert, grundsätzlich möglich. Nach dieser Bestimmung hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Die Einwilligung in die Adoption schließe ein Umgangsrecht vielmehr nur aus, „wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist“, urteilte das Gericht. Daran fehle es jedenfalls dann, „wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte.“ Dies stehe auch im Einklang mit adoptionsrechtlichen Wertungen. „Denn das Adoptionsrecht sieht für die sogenannte offene oder halboffene Adoption zunehmend auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor.“
Nach der Zurückverweisung des Verfahrens habe das Kammergericht in Berlin nunmehr zu prüfen, ob und inwiefern der Umgang im vorliegenden Fall dem Kindeswohl diene, und „hierfür auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anzuhören.“, stellte der Bundesgerichtshof fest.
Auch Österreichs Gerichte könnten zu entscheiden haben
Bereits 2018 hatten in einem ähnlich gelagerten Fall ein Samenspender und seine Eltern in England das Recht darauf erstritten, weiterhin Kontakt zum eigenen Sohn/Enkel haben zu dürfen, das IEF hat berichtet. Auch das österreichische Recht sieht einen Ausschluss väterlicher Rechte nur im Rahmen einer nach dem FMedG erfolgten Fremdsamenspende vor. Laut § 11 Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) darf eine Fremdsamenspende nur an einer der zugelassenen Krankenanstalten erfolgen, bei der die Samenspenden registriert werden. Da eine Samenspende jedoch technisch sehr leicht möglich ist, insbesondere wenn in Folge keine In-Vitro-Fertilisation in Anspruch genommen wird, greifen Frauen, die sich ein Kind wünschen, auch oft zu „privaten“ Spendern und der – eigentlich nicht erlaubten – „Bechermethode“. Wird ein Kind auf dieses Weise gezeugt, so bleibt der Samenspender auch der rechtliche Vater mit allen Rechten und Pflichten. Wie bereits 2018 betont, könnten sich nach Ansicht der Juristin Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF) ähnlich gelagerte Fälle daher so auch jederzeit in Österreich abspielen. (KL)