DE / Familie: Vorerst keine Kinderrechte im deutschen Grundgesetz
IEF, 18.06.2021 – Die Regierungsparteien und die Opposition konnten sich auf keine gemeinsame Formulierung einigen.
Beratungen seit 2019
Als eines ihrer Anliegen hatte die Bundesregierung das Vorhaben, Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich zu verankern und damit Kinder im Verfassungsrang als Grundrechtsträger anzuerkennen, in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Wie das IEF berichtet hat, legte Ende 2019 eine aus diesem Anlass gegründete gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes und der Länder einen entsprechenden Vorschlag vor. Darin sprach sich die Arbeitsgruppe für eine normative Verankerung der Kinderrechte in Artikel 6 Grundgesetz aus, da hier bereits das Eltern- und Familiengrundrecht geregelt wurde, mit dem die Kinderrechte in einem engen Zusammenhang stehen. Bereits zuvor hatten Mitte 2019 die Linksfraktion und die Grünen jeweils eigene Gesetzesvorschläge zur Ausgestaltung eines Kindergrundrechts vorgelegt, die im Bundestag in erster Lesung diskutiert und anschließend zur weiteren Beratung dem zuständigen Ausschuss zugewiesen wurden; das IEF hat berichtet. Auf Basis der Ergebnisse der Bund/Länder-Arbeitsgruppe präsentierte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) Anfang 2020 dem Bundestag einen eigenen Gesetzesentwurf, der jedoch keine Mehrheit fand. Anfang 2021 einigten sich Union und SPD erstmals auf einen gemeinsamen Vorschlag zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.
Grüne und Linke forderten weitreichendere Bestimmungen
Wie etwa die Tagesschau berichtet, ist das Vorhaben der Großen Koalition nun vorerst gescheitert: Die Parteien im Bundestag konnten sich nicht auf eine Formulierung für eine entsprechende Verfassungsänderung einigen. Für eine Änderung des Grundgesetzes wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich gewesen. Grüne und Linke hatten noch weitreichendere Möglichkeiten der Mitbestimmung durch Kinder gefordert: Das Kindeswohl sei nicht nur – wie in der Formulierung vorgesehen – „angemessen“ sondern „vorrangig“ zu schützen. Dieser Forderung wollte die Union nicht nachgeben: sie befürchtete eine Schwächung der Familien zugunsten des Staates. Wie die Zeit berichtet, wollte die FDP die Grundgesetzänderung mit einer weiteren Verfassungsänderung verknüpfen und das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 um das Merkmal der „sexuellen Identität“ ergänzen. Die AfD lehnt eine Grundgesetzänderung grundsätzlich ab.
Kritik von Kinderrechtsorganisationen
Kritik am Scheitern des Regierungsvorhabens kam umgehend von der Kindernothilfe: „Die Regierung wird ihr Versprechen nicht halten und hat damit eine riesengroße Chance zur Stärkung der Kinder und ihrer Rechte vertan”, Vorstandsvorsitzende Katrin Weidemann, in einer Aussendung einer der größten christlichen Kinderrechtsorganisationen. Die Sorge von Kritikern einer solchen Regelung, die Freiheit und die Verantwortung der Elternrechte einzuschränken, könne die Kindernothilfe nicht teilen, denn „Kinder haben ein Recht darauf, bei Dingen, die ihr Leben betreffen, einbezogen zu werden.“, so Weidemann. Auch das Aktionsbündnis Kinderrechte, ein Zusammenschluss des Deutsche Kinderhilfswerks, des Kinderschutzbundes und UNICEF Deutschland in Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind, sprach in einer Aussendung von einem „herben Dämpfer“ für Kinder, Jugendliche und Familien.
Erleichterung bei katholischen und evangelischen Kirchenvertretern
Die Sprecherin des Aktionsbündnisses für Ehe und Familie „Demo für alle“, Hedwig von Beverfoerde, sprach von einem großartigen Sieg für das Elternrecht und den Schutz der Kinder vor dem Zugriff des Staates. Die „staatliche Lufthoheit über der Familie sei damit abgewendet“. Knapp 100.000 Personen hatten eine Petition des Aktionsbündnisses gegen Kinderrechte im Grundgesetz unterzeichnet.
Erleichtert zeigte sich auch der Familienbund der Katholiken: „Das geltende Verfassungsrecht schützt Kinder immer noch am besten“, so Präsident Ulrich Hoffmann. Kinder bräuchten keine Verfassungsänderung, sondern eine „engagierte, mit ausreichenden finanziellen Mitteln hinterlegte Familienpolitik“.
Die evangelische Nachrichtenagentur Idea berichtet von einer Stellungnahme des Beauftragten der Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, Uwe Heimowski. Das Grundgesetz solle generell nur dann geändert werden, wenn eine Notwendigkeit dazu bestehe. Reine Symbolpolitik könne die Versäumnisse in der Kinder- und Jugendpolitik nicht kaschieren. „Dass das Familienministerium nach dem Rücktritt von Ministerin Franziska Giffey nicht neu besetzt wurde, ist ein fatales Zeichen in dieser Zeit. Gerade jetzt ist es wichtig, den Fokus auf Kinder und ihre vielfältigen Lebensumstände zu legen.“, so Heimowski.
Thema bleibt aktuell
Für die aktuelle Legislaturperiode ist das Gesetzesprojekt somit gescheitert. Justizministerin Lambrecht (SPD) betonte jedoch, dass sich ihre Partei auch in Zukunft für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz einsetzen wolle. (KL)