Werbeverbot
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DE / Abtreibung: Deutschland streicht Werbeverbot

IEF, 28.06.2022 – Die Ampelkoalition hat beschlossen, Werbungen für Abtreibungen künftig zu erlauben.

Der Deutsche Bundestag hat am 24.06.2022 mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der Linken entschieden, das Werbeverbot für Abtreibungen gemäß § 219a dtStGB zu streichen. Union und AfD stimmten gegen die Abschaffung. Neben der Streichung von § 219a sieht der Bundestagsbeschluss vor, dass Urteile gegen Ärzte, die seit 3. Oktober 1990 auf Basis des Paragrafen ergangen sind, aufgehoben werden. Damit wird das Lebensrecht der Ungeborenen in Deutschland weiter ausgehöhlt.

Jahrelange Debatte

Die Debatte um das Werbeverbot gemäß § 219a dtStGB hatte Fahrt aufgenommen, als die Gießener Frauenärztin Kristina Hänel im Dezember 2017 zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt wurde, weil sie auf ihrer Homepage über Abtreibung informierte. Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtete, wurde das Urteil, das im Oktober 2018 in zweiter Instanz bestätigt worden war, vom Oberlandesgericht Frankfurt im Juli 2019 in letzter Instanz aufgehoben.

Reformierung des Paragrafen reichte nicht aus

Aufgrund der breiten öffentlichen Diskussion wurde der § 219a im Jahr 2019 reformiert. Wie das IEF berichtete, wurde der Paragraf um einen zusätzlichen Absatz ergänzt, der eine Ausnahme vom Werbeverbot vorsah, um Informationssicherheit für Frauen zu schaffen. Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen durften seither über Schwangerschaftsabbrüche informieren und auf detailliertere Angaben neutraler Stellen hinweisen. Verboten war weiterhin, spezielle Abtreibungsmethoden zu bewerben, die in Arztpraxen, Kliniken und Einrichtungen, die Abtreibungen durchführen, zum Einsatz kommen. Seit der Reform erstellt die Bundesärztekammer außerdem eine monatlich aktualisierte Liste mit den Kontaktdaten von Arztpraxen, Kliniken und Einrichtungen in Deutschland, die Abtreibungen durchführen. Die Liste, die auch die jeweils angebotenen Methoden ausweist, kann auf der Homepage der Bundesärztekammer eingesehen und von ihr heruntergeladen werden.

Vorgeschobenes Argument: Informationsfreiheit für Frauen

Die seither gewährleistete Informationsmöglichkeit war der Ampel-Koalition jedoch nicht genug. Hierbei muss erwähnt werden, dass auch vor der Reformierung des Werbeverbots kein Informationsdefizit bestand. Das zeigen die rund 100.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr in Deutschland (bei rund 800.000 Lebendgeburten). Die Streichung des Werbeverbots ist vielmehr als eine Etappe auf dem Weg zur Legalisierung von Abtreibung – also zur Entfernung des Abtreibungstatbestands aus dem Strafrecht – zu sehen.

Durch das Werbeverbot werde betroffenen Frauen zum einen der ungehinderte Zugang zu sachgerechten fachlichen Informationen über den sie betreffenden medizinischen Eingriff und zum anderen das Auffinden eines geeigneten Arztes erschwert. Dies behindere den Zugang zu fachgerechter medizinischer Versorgung sowie die freie Arztwahl und beeinträchtige das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung der Frau, so die Begründung im beschlossenen Gesetzesentwurf. Laut zeitonline dankte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) in der Bundestagdebatte den vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die jahrelang für freie Informationen zu dem Thema gestritten hätten. Sie denke voller Empathie an alle Frauen, die jahrzehntelang unter den Folgen des sogenannten Werbeverbotes gelitten hätten. Der § 219a habe „ein zutiefst menschliches Verhalten, nämlich eine ungewollte Schwangerschaft, unmenschlich sanktioniert und bestraft“, sagte die Ministerin. Laut Justizminister Marco Buschmann (FDP) sei die Abschaffung des Werbeverbots überfällig gewesen – das Werbeverbot sei „aus der Zeit gefallen, das ist ungerecht und deshalb beenden wir diesen Zustand.“

Opposition: Abtreibung ist keine normale Gesundheitsleistung

Union und AfD hatten erfolglos versucht, die Streichung des § 219a zu verhindern. In der bisherigen Rechtslage werde sichergestellt, dass die Rechte des ungeborenen Kindes „auch gegenüber der Frau eingebracht werden“. Das Bewusstsein für das Lebensrecht des Kindes müsse auch im allgemeinen Bewusstsein der Gesellschaft erhalten bleiben, betonte die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Dafür sei das Werbeverbot ein wesentlicher Faktor. Durch die Streichung des Werbeverbots werde künftig auch Werbung für Schwangerschaftsabbrüche in Zeitungen und im Internet möglich gemacht. Und das suggeriere, dass es sich um eine ganz normale ärztliche Behandlung handle, bei der es nur um das Wohl der Patientin gehe. Die „Erzählung, dass es ein Informationsdefizit“ gebe, sei „Unsinn“, sagte die CDU-Politikerin. Die Bundesregierung könnte etwa auch selbst Informationen zum Schwangerschaftsabbruch bereitstellen.

Teiletappe auf Weg zur Legalisierung von Abtreibung

Die Streichung des Werbeverbots kommt nicht überraschend. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung kündigten die Parteien bereits konkret an, das Werbeverbot zu streichen. Weiter betonten die regierenden Parteien, dass „die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung gehört.“ Daher müssten Schwangerschaftsabbrüche auch Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden. Die Streichung des Werbeverbots und das Verbot von „Gehsteigbelästigungen“ können insofern als Teiletappen verstanden werden, denn laut Koalitionsvertrag beschäftigt sich eine Kommission damit, wie der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden könne. Das IEF hat bereits darüber berichtet.

Pro-Life: Schwächung des Lebensschutzes

Mit dem Beschluss des Bundestags wird das Lebensrecht Ungeborener weiter beschnitten. Für die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben e. V. (CDL), Susanne Wenzel, zeigten die Wortmeldungen aus den links-grünen Parteien nicht nur deutlich eine fehlende Empathie für Frauen im Konflikt und deren ungeborener Kinder, sondern auch, dass grundlegende Aspekte in der Diskussion um die Abtreibung von ihren Vertretern nicht verstanden worden seien. So spreche etwa der Bundesjustizminister Marco Buschmann von der Abtreibung als einer „Schwangerschaftsunterbrechung“ (1. Lesung) und offenbare damit mindestens ein erhebliches Realitätsdefizit. Es sei bezeichnend, dass in keiner Wortmeldung aus den Ampel-Parteien die Rede vom Kind und dessen Recht auf Leben gewesen sei. Die Abtreibungszahlen in Deutschland im ersten Quartal 2022 seien im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent gestiegen. Das mache laut Wenzel klar, dass nicht eine Streichung des Werbeverbots notwendig sei, sondern eine „großangelegte Kampagne für das Lebensrecht des Kindes“.

Pro-Life: Werbung vermittelt Normalität

Cornelia Kaminski, Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle e. V. (ALfA), ist sich sicher, dass die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen „das in Teilen der Gesellschaft unterentwickelte Bewusstsein für das Lebensrecht ungeborener Menschen“ weiter untergraben werde. „Denn es ist praktisch niemandem zu vermitteln, dass eine Handlung, für die geworben werden darf, rechtswidrig und prinzipiell strafbar sein soll“, so Kaminski laut Presseaussendung. Buschmann streue „den Wählern Sand in die Augen“, wenn er behaupte, das Werbeverbot hätte nichts mit dem Schutzkonzept des Lebensschutzes Ungeborener zu tun. Betont werden müsse vielmehr, dass das das Grundgesetz laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Staat zu einem Schutzkonzept des ungeborenen Lebens verpflichte, hält Kaminski fest.

Der Beschluss des Bundestags fiel am selben Tag wie das bahnbrechende Urteil des US-Supreme Courts, das die Regelungskompetenz in Abtreibungsfragen nach mehr als 50 Jahren zurück in die Hände der bundesstaatlichen Gesetzgeber legte. Entgegen lauter Pro-Choice Stimmen wurde die Demokratie dadurch gestärkt. >> Hier können Sie den IEF-Bericht über das Urteil lesen. (TSG)

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