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DE / Lebensende: Gesundheitsminister Spahn präsentiert Entwurf zur Erhöhung von Organspenden

IEF, 2.4.2019 – Zusammen mit SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach präsentierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 1.4.2019 einen Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Organspende in Deutschland. Dem Entwurf nach sollen alle über 16-Jährigen als Spender registriert werden, außer sie widersprechen der Organentnahme ausdrücklich.

10.000 Menschen warten auf Organ – unter 1.000 Spender im Jahr 2018

Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtete, kündigte Minister Spahn die mögliche Einführung der doppelten Widerspruchslösung bereits vergangenen Herbst an. Hintergrund sei die dauerhaft niedrige Anzahl an verfügbaren Organspenden. So warteten im Dezember 2018 9.400 Menschen auf ein Spenderorgan, während im Jahr 2018 insgesamt 995 Organegespendet wurden. Die Widerspruchslösung soll künftig die Organspenden erhöhen. Demnach würde eine Organentnahme immer dann zugelassen werden, wenn der Spender zu Lebzeiten oder dessen Angehörige nach seinem Tod der Spende nicht ausdrücklich widersprochen hätten (doppelte Widerspruchslösung). Derzeit müssen Personen in Deutschland einer Organspende aktiv zustimmen (Entscheidungsregelung). Nur rund 36 % der Bürger besitzen einen Organspendeausweis, obwohl Umfragen zufolge die Mehrheit der Deutschen Organspende befürworten. In den meisten EU-Ländern gilt die Widerspruchslösung, so auch in Österreich.

Spahn: Gerechtfertigter Eingriff in die Freiheit

In der ARD Sendung „Hart aber fair“ vom 1.4.2019 diskutierten Befürworter und Gegner der geplanten Reform von Organspenden. Gesundheitsminister Jens Spahn sprach von einem Eingriff in die persönliche Freiheit, die aber in der aktuellen Situation gerechtfertigt sei.  Insbesondere, da jeder Bürger unkompliziert seinen Widerspruch einlegen könne. Laut Die Zeit bezeichnete Karl Lauterbach die geplante Widerspruchslösung als „ethisch unbedenklich“. „Es ist weiter völlig okay, nicht zu spenden“, sagte er. Wer nicht spenden wolle, müsse das aber künftig erklären. „Mit einer kleinen Pflicht schaffe ich großen Nutzen für die Gesellschaft.“, so Lauterbach.

Fraktionsübergreifender Alternativvorschlag

Eine fraktionsübergreifende Gruppe an Politikern, darunter die Abgeordneten Heribert Hirte (CDU), Karin Maag (CDU), Stephan Pilsinger (CSU), Hilde Mattheis (SPD), Ulla Schmidt (SPD), Christine Aschenberg-Dugnus (FDP), Otto Fricke (FDP), Kathrin Vogler (Die Linke), Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), spricht sich gegen die Widerspruchlösung aus und präsentiert einen Alternativvorschlag. Wie das Nachrichtenmagazin idea berichtet, verfechten die Abgeordneten die Beibehaltung der Entscheidungsregelung, jedoch die Einführung eines bundesweiten Online-Registers für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende. So solle eine Registrierungsmöglichkeit geschaffen werden, die einfach und sicher erreichbar sei und gleichzeitig den Krankenhäusern im Bedarfsfall einen Zugriff gewähre. Die Bürger sollten unter anderem von Hausärzten über das Register und die Folgen einer Eintragung informiert werden. Wer sich nicht eintragen lasse, werde auch nicht als Organspender geführt. Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper sei ein zentrales Element menschlicher Würde. Die Organspende nach dem Tod müsse deshalb eine bewusste und freiwillige Entscheidung des Spenders sein und dürfe nicht durch den Staat erzwungen werden, so die Abgeordneten.

Kritik: Freiwilligkeit der Spendenbereitschaft in Gefahr

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor der Aufgabe des Prinzips der Freiwilligkeit. Von Spende könne keine Rede mehr sein, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch in einer Pressemitteilung. Es sei ethisch besonders wertvoll, einem anderen Menschen sein Organ und damit mehr Lebenszeit zu schenken. Doch dieses Geschenk könne nicht mit der Brechstange erzwungen werden, so Brysch.
Peter Dabrock, Vorsitzender des deutschen Ethikrates bezeichnete in einem Interview Organspende prinzipiell als Akt der Solidarität. Die Einführung einer Widerspruchslösung halte er jedoch für „unnötig und schädlich“. Ein solches Vorgehen sei übergriffig und habe nicht mehr den Charakter einer Spende, so Dabrock.

Imabe: Organspende unter bestimmten Voraussetzungen ethisch zulässig

Das Wiener Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (Imabe), ein Fachinstitut der Österreichischen Bischofskonferenz,  beurteilt Organtransplantation bei Lebenden als vertretbar, wenn sie freiwillig und ohne dem Körper einen ernsthaften Schaden zuzufügen, erfolge. Die Organentnahme von Toten könne ebenfalls nur unter Beachtung des Willens des eben Verstorbenen geschehen. Wer sich unter den obengenannten Bedingungen für eine Organspende entscheide, tue Gutes und setze ein Zeichen der Solidarität. Nach diesen Maßstäben beurteilt, sind sowohl die Entscheidungsregelung wie auch die in Österreich seit 1982 geltende Widerspruchslösung ethisch  vertretbar. (TSG)

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