DE / Pro-Life: Bundestagsdebatte um §219a – Werbeverbot für Abtreibungen
IEF, 26.2.2018 – Der Deutsche Bundestag befasste sich am 22.2.2018 mit dem 1933 eingeführten Paragrafen 219a StGB, der für jene Strafen vorsieht, die „öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ihres Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Es drohen bis zu zwei Jahre Haftstrafe. Hintergrund der Vorstöße der Fraktionen ist das Urteil gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel von November 2017, über das das Institut für Ehe und Familie (IEF) bereits berichtete. Hänel wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie im Internet Informationen über Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis veröffentlicht hatte.
FDP für Modifizierung, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen für Streichung
Während der Gesetzentwurf der FDP eine Einschränkung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche vorsieht, sehen die Gesetzentwürfe von Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen dessen Streichung vor.
Die Linken betonten in ihrem kurz vor dem Urteil gegen Hänel vorgelegten Gesetzentwurf, der Paragraf habe die verschiedenen Reformdebatten zu den strafrechtlichen Regelungen von Schwangerschaftsabbrüchen überdauert und sei selbst dann in Kraft geblieben, als 1976 Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen straffrei gestellt wurden. Damit bestehe heute die widersprüchliche Rechtslage, dass Ärzte zwar unter den in Paragraf 218 geregelten Bedingungen Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, jedoch diese Leistung nicht öffentlich anbieten dürften.
Aus Sicht der Grünen fehle es an einem Strafgrund. Der Paragraf müsse daher aufgehoben werden. Schwangeren müsste der Zugang zu Informationen über straflose Schwangerschaftsabbrüche möglich sein.
Die FDP wolle angesichts des „weitgehenden Tatbestands“ den Paragrafen so anpassen, dass nur noch Werbung unter Strafe gestellt werde, die in grob anstößiger Weise erfolge. Zudem solle der Straftatbestand der Werbung für einen strafbaren Schwangerschaftsabbruch ergänzt werden. Gegen eine komplette Streichung spreche der hohe Wert ungeborenen Lebens und die hohen Sensibilität breiter Teile der Bevölkerung, die Schwangerschaftsabbrüche moralisch kritisch sähen.
Die Sozialdemokraten möchten § 219a ebenfalls streichen lassen, aber Mediziner dann bestrafen, wenn sie in „aggressiver Weise“ für Abtreibungen werben. Wie die Berliner Zeitung berichtet, hatte die SPD ihren Antrag kurzfristig wieder zurückgezogen und ringe bislang um eine Einigung über den Koalitionsvertrag mit der Union. SPD-Vize-Fraktionschefin Eva Högl bezeichnete die Abstimmung als „Gewissensentscheidung“, weswegen eine Aufhebung des Fraktionszwangs angebracht sei. „Es ist ein ganz sensibles Thema“, sagte sie im Plenum. Frauen würden durch den § 219a im Strafgesetzbuch in ihrer Möglichkeit „unzumutbar beschränkt“, einen Arzt auszusuchen. Der Paragraph führe außerdem in seiner derzeitigen Form zu Rechtsunsicherheit bei Ärzten, kritisierte Högl. Er greife ihrer Ansicht nach in die Berufsfreiheit von Ärzten ein, „denn sie sind nicht mehr in der Lage, objektiv zu informieren“.
CDU/CSU und AfD für Beibehaltung des Werbeverbots
„Werbung steht im Widerspruch zur Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“, betonte die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, im Bundestag. Das Werbeverbot nach § 219a sei wichtiger Bestandteil des Schutzes für das ungeborene Leben, erklärte Winkelmeier-Becker. Menschenwürde und Lebensrecht stünden dem Ungeborenen von Anfang an zu und begründeten eine Schutzpflicht des Staates. „Dieser Gedanke fehlt in den Anträgen zur Aufhebung oder Einschränkung des Werbeverbotes“, so die Politikerin.
CDL, ZdK und ALfA für Beibehaltung des § 219a
Die Aktion Lebensrecht für alle e.V. (ALfA) forderte bereits als Reaktion auf den o.g. Gesetzesentwurf der Linkspartei vom 22.11.2017 „den Erhalt des § 219 a, umfassende und korrekte Aufklärung von Frauen ohne verschleierndes Vokabular und eine deutliche Ausweitung des Engagements, dem Selbstbestimmungsrecht der Frau wie dem Lebensrecht des Kindes im Sinne der Menschenwürde wirklich gerecht zu werden“. „Würden, falls laut Gesetzentwurf nur noch ‚anstößige Werbung‘ verboten bliebe, Werbeanzeigen wie ‚Unbeschwert abtreiben – Sonderangebot, nur 399,- Euro, nur bis Freitag!‘ als anstößig gesehen werden oder als faires Angebot für finanzschwache Frauen, die sich eine Abtreibung sonst nicht leisten können?“, fragt die Bundesvorsitzende von ALfA Alexandra Maria Linder.
Auch die Christdemokarten für das Leben e.V. (CDL) positionieren sich klar gegen die Aufhebung oder Modifizierung des Werbeverbots. In der Pressemitteilung vom 16.2.2018 fragt die Bundesvorsitzende der CDL Mechthild Löhr: „Wem aber dient oder nutzt eigentlich die hier intendierte Änderung bzw. Abschaffung des § 219a StGB?“ Die Neufassung eines Gesetzes solle generell von der politischen Absicht getragen sein, eine Verbesserung für die Bürger herbeizuführen. Eine Aufhebung des Werbeverbots jedoch werde die Zahl der Abtreibungen nicht senken, sondern eher noch erhöhen. „Abtreibungsinformationen bekommt heute jede Schulklasse regelmäßig ungefragt auf den Tisch“, das Informationsargument in der Debatte sei also laut Löhr nicht überzeugend. Die Werbung wirke vielmehr „umsatzfördernd bei Abtreibungsspezialisten und marginalisiert das Drama der Abtreibung und die Verminderung der Lebensqualität für Frauen, die unter den Belastungen einer Abtreibung zu leiden haben“, so die CDL-Vorsitzende.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sprach sich am 21.2.2018 ebenfalls dafür aus, „den umfassenden Schutz des ungeborenen Lebens [zu] bewahren“. „Das Verbot der Werbung für Abtreibung ist Teil des umfassenden gesetzlichen Schutzkonzepts für das ungeborene Leben. Es ist, anders als von den Initiatoren der vorgelegten Gesetzentwürfe dargestellt, kein für das Schutzkonzept folgenloser Eingriff, wenn das Werbeverbot fällt“, so Sternberg. Durch eine Aufhebung des Werbeverbots werde der Schwangerschaftsabbruch auf eine Stufe mit anderen ärztlichen Dienstleistungen gestellt, was dem Geist der Beratungsregelung widerspreche. Auch Sternberg sei der Überzeugung, dass „Frauen im Schwangerschaftskonflikt alle notwendigen Informationen über die Konfliktberatungsstellen zur Verfügung stehen“.
Ärztekammer Berlin fordert Abschaffung der Strafbarkeit von sachlicher Information
Die Ärztekammer Berlin forderte am 22.2.2018 „die Abschaffung der Strafbarkeit einer sachlichen Information über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Arztpraxen und andere ärztliche Einrichtungen“. Das Verbot für eine Arztpraxis oder andere ärztliche Einrichtung, sachlich über das eigene Leistungsspektrum auch in Bezug auf die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren, kollidiere mit dem Informationsanspruch der betroffenen Frauen. Eine sachliche Information berge nicht die vom Gesetzgeber seinerzeit in den Blick genommene Gefahr, dass dadurch der Entschluss der Frau zum Schwangerschaftsabbruch erst hervorgebracht oder gefestigt werde. Durch sachliche Informationen sei nach Meinung der Ärztekammer auch keine Kommerzialisierung der Notlage der Frau zu befürchten. Die Möglichkeit der betroffenen Frauen, sich unbeschränkt über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs informieren zu können, unterstütze im Gegenteil eine informierte und abgewogene Entscheidung der Frau und diene damit dem Lebensschutz, so die Argumentationslinie der Ärztekammer.
Situation in Österreich
Ein Werbeverbot wie in Deutschland gibt es in Österreich bislang nicht. Ein Werbeverbot für Abtreibungen – im Gegensatz zu einem allumfassenden Informationsverbot – wäre im Sinne einer Entschärfung der Drucksituation auf Frauen für Österreich durchaus überlegenswert, meint dazu Dr. Stephanie Merckens, Biopolitikerin am Institut für Ehe und Familie (IEF). Unabhängig der Meinung zur Fristenregelung, dürfe nicht vergessen werden, dass diese maßgeblich auf der Entscheidungsfreiheit der Frau begründet sei. Wenn eine Frau in einem Schwangerschaftskonflikt als Lösung nur die Abtreibung präsentiert bekomme, sei dies eine unzulässige Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit, so die Juristin. Die reine Angabe auf einer Website eines Gynäkologen, dass er Abtreibungen im Rahmen des Gesetzes durchführt, sollte nach Meinung von Merckens aber nicht unter das Werbeverbot für Abtreibungen fallen, da es im Sinne einer gewünschten Transparenz sei. „Ein Werbeverbot für Abtreibungen im Sinne von Plakaten oder Internetwerbung ist jedoch aufgrund der Anreizvermeidung jedenfalls zu befürworten“, stellt Merckens klar.