DE / Pränataldiagnostik: Bundestags-Debatte über pränatalen Bluttest auf Krankenkasse
EF, 10.4.2019 – Der Deutsche Bundestag diskutiert am 11.4, ob die gesetzlichen Krankenkassen künftig die Kosten für einen Bluttest für Schwangere übernehmen, mit dem u.a. Down Syndrom beim Ungeborenen diagnostiziert werden kann.
Diesen so genannten nichtinvasiven molekulargenetischen Test (NIPT) gibt es bereits seit einigen Jahren, derzeit sind die Kosten von mehreren hundert Euro aber von den Schwangeren selbst zu tragen. Gegner der Kostenübernahme dieser Tests durch die Krankenkasse befürchten, dass es durch die routinemäßige Untersuchung zu mehr Abtreibungen kommt.
Breite Diskussion über den Nutzen von pränatalen genetischen Bluttests gefordert
Die Diskussion war im vergangenen Jahr von mehr als 100 Bundestagsabgeordneten partei- und fraktionsübergreifend gefordert worden. (Das IEF hat berichtet). Laut ihrem Positionspapier „Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?“ gelte es „die problematischen Aspekte der Tests genau zu analysieren und über die richtigen Schlussfolgerungen zu diskutieren“. Dabei kritisierten die Abgeordneten u.a., dass „eine Debatte darüber, was denn eigentlich der ‚Nutzen‘ solcher Tests ist, der eine Finanzierung über die gesetzlichen Krankenkassen nötig macht“, bislang nicht erfolgt sei. Auch die Perspektive von Menschen mit Down-Syndrom sei zu wenig einbezogen worden, im Gegenteil, laut dem Papier werde etwa in „Aufklärungsbögen vor pränataldiagnostischen Untersuchungen ein Leben mit Down-Syndrom in der Regel als etwas zu Vermeidendes dargestellt“. Weiter heißt es in der Stellungnahme, dass davon auszugehen sei, „dass sich immer mehr werdende Eltern für solche Tests entscheiden werden, sollten sie als Regelversorgung etabliert werden und damit diejenigen immer stärker unter Rechtfertigungsdruck geraten, die sich gegen einen Test und ggf. für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom entscheiden.“
Verfahren zur Einführung ethisch umstrittener Verfahren gefordert
Die Abgeordneten forderten im Zusammenhang mit der aktuell zur Frage stehenden Aufnahme der Bluttests in den Krankenkassenkatalog auch eine allgemeine Debatte über die Einführung ethisch umstrittener Diagnostik- und Therapieverfahren. Es müsse diskutiert werden, wie ein solches Zulassungsverfahren auszusehen habe, durch welche Instanz und in welchem Rahmen solche ethischen Fragestellungen behandelt werden müssen und was der Staat tun könne, um Vorurteilen über das Leben mit Behinderung wirksam entgegen zu treten.
Stellungnahmen von Ärzten, Wissenschaftlern und Ethikern eingeholt
Im Vorfeld der gestrigen Debatte hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen, Mitte März das Stellungnahmeverfahren zu den „geplanten Anwendungsmöglichkeiten nichtinvasiver molekulargenetischer Tests (NIPT) zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 bei Risikoschwangerschaften“ eröffnet. Demnach seien 13 wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Bundesärztekammer, der Deutsche Ethikrat, die Hersteller von Medizinprodukten, die Gendiagnostik-Kommission sowie zwei Hebammenverbände aufgefordert worden, die vorgesehenen Änderungen der Mutterschaftsrichtlinien fachlich zu prüfen. Als Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen sollen NIPT laut der Presseaussendung des G-BA nur bei besonderen Risiken oder zur Abklärung von Auffälligkeiten im Einzelfall infrage kommen. Ein ausschließlich statistisch begründetes Risiko für eine Trisomie – beispielsweise aufgrund des Alters der Schwangeren – sei demnach nicht ausreichend, um den Test zulasten der Solidargemeinschaft der Versicherten in Anspruch nehmen zu können.
Bedenken der Pränatalmediziner: „Ausufernde Anwendung der Tests“
Niedergelassene Pränatalmediziner äußerten bereits im Vorfeld zur Erklärung des G-BA die Sorge, dass das unreflektierte Angebot und auch die simplifizierende Werbung der Industrie ethische und moralische Fragen aufwerfen, die einen gesellschaftlichen Diskurs sowie rechtliche Rahmenbedingungen erfordern. Laut einem Positionspapier des Berufsverbands niedergelassener Pränatalmediziner (bvnp) sei „zu befürchten, dass es im Bereich der Anwendung von Pränataldiagnostik zu einer unreflektierten und ausufernden Anwendung dieses Tests kommen könnte“. In einer aktuellen Erklärung gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen, zu diesem Thema kompetenten medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden, hält der bvnp fest, dass der aktuell vorliegende Beschlussentwurf des G-BA und der Entwurf zu den tragenden Gründen grundlegend überarbeitungsbedürftig sei.
Test in Kombination mit Beratung
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hingegen hat sich bereits dafür ausgesprochen, die Bluttests zur Kassenleistung zu machen. „Wenn jetzt ein Test kommt, der quasi kein Risiko mehr hat, dann müssen die Kassen das zahlen“, sagte Spahn im Gespräch mit der deutschen „Bild„-Zeitung. Bislang wurde bei Verdacht auf Trisomie eine Fruchtwasseruntersuchung durchgeführt, die allerdings für das werdende Kind ein Risiko birgt. Laut verschiedenen Medienberichten, etwa in der F.A.Z. oder rbb 24 könnten sich einige auch vorstellen, den Bluttests mit einer verbindlichen Beratung zu koppeln, bei der werdende Eltern eine Vorstellung davon bekämen, wie das Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 aussieht.
Empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist die kürzlich erschienene, umfangreiche Analyse von Kim Björn Becker zur aktuellen Debatte unter dem Titel „Todsicher Trisomie“ in der Online-Ausgabe der F.A.Z. oder auch der Bericht in Spiegel online sowie der Filmbeitrag einer Mutter eines Kindes mit Down Syndrom. (ER)