DE / Familie: Neue Familienkonstellationen fordern Abstammungsrecht heraus

IEF, 03.04.2019 – Eine Reform des Abstammungsrechts ist bereits seit längerem angedacht. Jetzt legte die deutsche Justizministerin einen entsprechenden Diskussionsentwurf vor.

Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht

Bereits 2017 legte der vom deutschen Justizministerium einberufene Arbeitskreis Abstammungsrecht nach zweijähriger Erörterung einen Abschlussbericht vor, indem er unter anderem die Verhältnisse zwischen Eltern und Kind in den Fällen von Samen- oder Embryonenspende oder auch die Frage der gleichgeschlechtlichen Elternschaft zu klären versuchte. Das IEF hat berichtet.

Der nunmehrige Diskussionsentwurf nimmt auf die Empfehlungen des Arbeitskreises Bezug und schlägt ein neues Regelungswerk vor.

Diskussionsteilentwurf zur Reform des Abstammungsrechts

Im Entwurf heißt es unter anderem, dass die Entwicklung der Fortpflanzungsmedizin neue Familienkonstellationen hervorbringe, die von den gegenwärtigen Gesetzen nicht mitumfasst wären und das Interesse von Kindern und Eltern nicht ausreichend berücksichtigten. Als Beispiele werden die Elternschaft einer Geburtsmutter, die aufgrund einer Eizell- oder Embryonenspende mit dem Baby genetisch nicht verwandt ist oder die gleichgeschlechtliche Elternschaft durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende genannt.

Vaterschaft und Mit-Mutterschaft

Trotz Einführen der gleichgeschlechtlichen Ehe in Deutschland könnten Ehe- oder Lebenspartner nur über die Stiefkindadoption rechtliche Mutter oder rechtlicher Vater des gemeinsam aufgezogenen Kindes werden. Dies würde durch die Anpassung des Abstammungsrechts insofern geändert werden, als analog zu heterosexuellen Paaren die Ehefrau der Mutter automatisch als Mit-Mutter gelten würde.

Das Zwei-Eltern-Prinzip und die multiple Elternschaft

Die Novellierung soll auch Fälle betreffen, in denen „eine verheiratete Frau noch vor Einreichung des Scheidungsantrags mit ihrem neuen Partner ein Kind bekommt oder wenn sowohl der rechtliche, aber nicht genetische Vater als auch der genetische Vater eine enge Bindung zum Kind haben und um die Position als rechtlicher Vater konkurrieren.“

Durch die neue Regelung des Abstammungsrechts sollen die bestehenden Gesetze jedoch nicht völlig verworfen werden, vielmehr wolle man bewährte Element, wie das Zwei-Eltern-Prinzip, weiterhin beibehalten. Hauptanknüpfungspunkt für die abstammungsrechtliche Zuordnung solle auch weiterhin die genetisch-biologische Verwandtschaft, die ein wichtiges Band zwischen Eltern und Kindern darstelle und für die überwiegende Mehrzahl der Familien zutreffe, bleiben.

Künstliche Befruchtung tritt an die Stelle des natürlichen Zeugungsaktes

Gleichzeitig jedoch sollen auch vermehrt soziale und voluntative Kriterien bei der Bestimmung der (rechtlichen) Elternschaft herangezogen werden. So soll bei der künstlichen Befruchtung die Person, die gemeinsam mit der Mutter in die künstliche Befruchtung einwilligt und somit die Verantwortung für die Entstehung des Kindes trägt, als Vater bzw. Mit-Mutter anerkannt werden, vorausgesetzt der Samenspender verzichtet auf die Elternrolle.

Festhalten an der Geburtsmutter

Keine Änderung soll es hinsichtlich der Geburtsmutter geben. Demnach soll auch weiterhin jene Frau, die das Kind geboren hat, rechtlich als Mutter gelten. Diese Primärzuordnung durch Geburt soll auch im Nachhinein nicht abänderbar sein, auch nicht bei Embryonentausch. Damit wird der Schwangerschaft weiterhin ein besonderes rechtliches Moment zugesprochen, das nicht durch Willkür geändert werden könne, erklärt Dr. Stephanie Merckens, Juristin am Institut für Ehe und Familie (IEF). Dies sei insbesondere auch wichtig in der Diskussion um Leihmutterschaft. Während es also rechtlich mehrere zusätzliche Elternoptionen wie eine Mit-Mutter geben soll, möchte der derzeitige Diskussionsentwurf scheinbar am Prinzip „mater semper certa est“ weiter festhalten, so Merckens.

Spenderregister

Jedes Kind habe ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung. Der Diskussionsentwurf misst dem Recht eine große Bedeutung zu und schlägt eine Erweiterung des bereits vorhandenen Klärungsanspruchs vor. Der Anspruch auf Klärung der genetischen Abstammung gegenüber dem mutmaßlich genetischen Vater oder der mutmaßlich genetischen Mutter solle dem Kind ab dem vollendeten 16. Lebensjahr zustehen, unverzichtbar sein und weder der Verwirkung noch einer Frist unterliegen. Zudem solle das Gesetz um einen Klärungsanspruch für den mutmaßlich genetischen Vater erweitert werden.

FDP will Mehr-Eltern-Familien

Wie die Stuttgarter Nachrichten berichten, begrüßt die FDP zwar die Reformvorschläge der Justizministerin Katarina Barley zum Abstammungsrecht, hält das Festhalten am Zwei-Eltern-Prinzip jedoch für verfehlt, zumal Mehr-Eltern-Familien längstens Teil unserer Gesellschaft seien. Die FDP fordere deshalb, dass bei geleichgeschlechtlichen Paaren neben den Rechten der Mütter und Mit-Mütter auch die Rechte der biologischen Väter berücksichtigt werden.

Gesetzesentwurf der Grünen

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Mitte 2018 ebenfalls einen Gesetzesentwurf zur Anpassung des Abstammungsrechts bei geleichgeschlechtlichen Ehen vorgelegt, über den kürzlich im Rechtsausschuss des Bundestags beraten wurde. Ziel des Entwurfs ist es „Kinder, die in eine lesbische Partnerschaft hineingeboren werden, mit solchen, die in eine heterosexuelle Partnerschaft hineingeboren werden, im Abstammungsrecht“ gleichzustellen. Die neue Regelung würde vor allem die Übertragung der gesetzlichen Fiktion, wonach der Ehemann der Mutter automatisch der zweite rechtliche Elternteil des Kindes ist, auf gleichgeschlechtliche Paare vorsehen. Die Ehefrau der Mutter wäre damit automatisch Mit-Mutter des Kindes. Außerdem soll analog zur Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches auch eine Mutterschaftsanerkennung eingeführt werden.

Situation in Österreich

Österreich hat sich dieser Thematik bereits m Zuge der letzten Reform des Fortpflanzungsmedizinrechts gestellt, mit der auch lesbischen Paaren ermöglicht wurde, künstliche Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Die Partnerin der Mutter kann seither anderer Elternteil des Kindes werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes eingetragene Partnerin der Mutter ist, das Kind anerkennt oder gerichtlich als Elternteil anerkannt wird. Allerdings nur, wenn die Mutter mittels künstlicher Befruchtung empfangen hatte. Der österreichische Gesetzgeber hat sich bewusst für die Begriffe „Elternteil“ und „Elternschaft“ entschieden und keine neuen Begriffe wie „Co-Mutter“ oder „Mit-Mutter“ eingeführt. (AH)

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