Suizidbeihilfe für Gesunde
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CH / Lebensende: Keine Suizidbeihilfe für gesunde Menschen

IEF, 31.05.2022 – Die überarbeiteten Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften schließen Suizidbeihilfe für Gesunde explizit aus. Währenddessen warnen kanadische Mediziner vor den negativen Auswirkungen von assistiertem Suizid und Tötung auf Verlangen auf die Palliativmedizin.

Schweizerische Richtlinien werden Bestandteil der ärztlichen Standesordnung

Zuletzt wurden die medizin-ethischen Richtlinien zum Themenbereich Lebensende der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) 2018 aktualisiert. Die 2021 genehmigte überarbeitete Version wurde nun erstmals Bestandteil der ärztlichen Standesordnung der „Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH)“.

Ärztliche Rolle: Symptomlinderung und Begleitung

In den Richtlinien wurde explizit die Suizidbeihilfe für gesunde Menschen ausgeschlossen, was implizit auch schon in den Richtlinien 2018 enthalten war. Es wird betont, dass die ärztliche Rolle des Arztes im Umgang mit Sterben und Tod darin bestehe, Symptome zu lindern und den Patienten zu begleiten.  Es gehöre weder zu seinen Aufgaben, von sich aus Suizidhilfe anzubieten, noch sei er verpflichtet, diese zu leisten. Suizidhilfe sei zudem keine medizinische Handlung, auf die Patienten einen Anspruch erheben könnten, auch wenn es sich dabei um eine rechtlich zulässige Tätigkeit handelte. Die ärztliche Suizidassistenz könne medizinisch-ethisch vertretbar sein, wenn Urteilsfähigkeit, autonomer Wille und schweres Leiden seitens des Patienten vorlägen sowie Alternativen erwogen worden seien.

Psychiatrische Erkrankungen nicht per se Ausschlusskriterium

Weiter enthält die Fassung 2021 eine Ergänzung in Bezug auf Personen mit Sterbewunsch, die an einer psychischen Krankheit leiden: „Ist davon auszugehen, dass der Suizidwunsch ein aktuell vorliegendes Symptom einer psychischen Störung ist, darf der Arzt keine Suizidbeihilfe leisten und muss dem Patienten die Behandlung der Krankheit anbieten.“ Damit ist umgekehrt klar, dass bei urteilsfähigen Personen nicht allein aufgrund einer bestehenden psychiatrischen Vorgeschichte ein ärztlich assistierter Suizid grundsätzlich ausgeschlossen werden dürfe, sofern alle medizin-ethisch geforderten Bedingungen erfüllt seien.

Um in jedem Fall sicherzustellen, dass der Sterbewunsch wohlerwogen und dauerhaft ist, schreiben die aktualisierten Richtlinien vor, dass der Arzt mindestens zwei ausführliche Gespräche im Abstand von mindestens zwei Wochen mit der betroffenen Person zu führen hat. Eine Abweichung ist in begründeten Ausnahmefällen jedoch möglich.

Kanada: Qualität der Palliativmedizin leidet unter medizinisch assistiertem Suizid

Die seit 2016 in Kanada legalisierte und seither stetig ausgeweitete „Sterbehilfe“ schadet der Palliativmedizinischen Versorgung des Landes. Wie der Catholic News Service berichtet, machen verschiedene Palliativmediziner darauf aufmerksam. Sie warnen davor, dass immer mehr Menschen den früheren Tod durch Suizid wählen würden, weil die palliativmedizinische Versorgung unzureichend ausgebaut sei. Nur 30 bis 50 Prozent der Kanadier, die palliativmedizinische Betreuung bräuchten, hätten Zugang zu dieser und nur 15 Prozent hätten Zugang zu spezialisierter palliativmedizinischer Behandlung. Wenn schwerkranke Patienten jedoch nicht die notwendige palliativmedizinische Versorgung bekämen, könne das zu Depressionen, Hoffnungslosigkeit und dem Gefühl eine Belastung zu sein, führen, machten die Palliativmediziner aufmerksam. Genau diese Faktoren erhöhten dann wiederum das Risiko, dass die Patienten einen Todeswunsch entwickelten, der durch medizinisch assistierten Suizid verwirklicht werden könne.

Organisatorische Trennung von Palliativmedizin und „Sterbehilfe“ gefordert

Die Palliativmediziner fordern außerdem die örtliche und organisatorische Trennung von palliativmedizinischer Versorgung und medizinisch assistiertem Suizid. Es sei nicht praktikabel, wenn ein und derselbe Arzt auf ein und derselben Station einerseits palliativmedizinisch tätig sei und beim Suizid assistierte oder die tödliche Handlung setze. Zeitlich nähmen die administrativen Erfordernisse des medizinisch assistierten Suizids außerdem Kapazitäten des medizinischen Personals in Beschlag, die wiederum für die palliativmedizinische Behandlung fehlten. Es käme auch vor, dass die ohnehin knappen Palliativbetten mit Sterbewilligen belegt werden würden. Teilweise würden Patienten, die palliativmedizinischen Aufnahme verweigern, da sie Angst hätten, dass sie gegen ihren Willen getötet werden würden.

Derzeit gebe es in Kanada ein Recht auf medizinisch unterstützten Suizid, jedoch kein Recht auf medizinische Unterstützung beim Leben, bringt es die leitende Palliativmedizinerin der Queens University in Kingston, Ontario, Dr. Leonie Herx, auf den traurigen Punkt. „Es muss ein universales Gesundheitsrecht in Kanada werden, Zugang zu qualitativer Palliativer Versorgung zu haben“, fordert Herx. (TSG)

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