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CA / Familie: Kanadischer Richter erkennt erstmals drei Personen als Eltern eines Kindes an

IEF, 25.6.2018 – Zwei Männer und eine Frau führen seit 2015 eine polyamouröse Beziehung. 2017 brachte die Frau ein Kind auf die Welt – ohne zu wissen wer von den beiden Männern der Vater ist. Nun wurden alle drei als Eltern anerkannt.

Wie die Financial Post berichtet, wurden erstmals in Kanada mehr als zwei Personen als die gemeinsamen Eltern und Familie eines Kindes anerkannt. Der Richter Robert Fowler vom Labrador Supreme Court begründete seine Entscheidung vor allem mit dem Kindeswohl. Da die Beziehung zwischen den drei Personen bereits seit 2015 bestünde (sic!), sähe er in ihr einen stabilen und dem Kind zu Gute kommenden Rahmen. Dies sei exakt das, was man als „stabile und liebevolle Familie“ bezeichne, die für sichere und fürsorgliche Verhältnisse sorgen könne, so der Richter in dem Urteil. Den drei Personen das Elternrecht zu verwehren, wäre letztlich nicht im Interesse des Kindes, so die Begründung. Denn letztlich dürfe nicht das Kind darunter leiden, dass sich die Gesellschaft verändere und sich damit auch Familienformen veränderten.

Während in Kanada Polygamie oder Bigamie – also die Ehe zwischen mehr als zwei Personen – verboten sind, ist Polyamorie – verstanden als eine bloße Liebesbeziehung zwischen mehr als zwei Personen – nicht nur nicht verboten, sondern kann auch rechtliche Konsequenzen entfalten. In diesem Fall zogen die zwei Männer mit der Mutter des Kindes vor Gericht, weil die Regionalverwaltung darauf beharrte, dass lediglich zwei Personen als Eltern eines Kindes eingetragen werden können, so TheStar. Bereits zuvor hätte es aber Entscheidungen gegeben, bei denen mehr als zwei Personen als Eltern eines Kindes rechtlich anerkannt wurden. So habe etwa bereits 2007 ein Gericht in Ontario zwei Frauen die Elternschaft für ein Kind zugesprochen, obwohl außerdem auch schon ein Mann als Vater anerkannt worden war. Bislang war es jedoch nie der Fall, dass die drei Personen auch in einer laufenden Beziehung und einem Haushalt gemeinsam lebten.

Auch Familienrichterin Tracy Bannier begründete das Urteil damit, dass die ursprüngliche Regelung, dass nur zwei Personen als Eltern eines Kindes anerkannt werden könnten, nicht die Absicht gehabt hätte, Kinder daran zu hindern, mehr als zwei Elternteile zu haben, sondern diese Familienformen einfach nicht bedacht worden seien.

Zu bedenken gibt Adam Black, Richter aus Toronto, jedoch, dass es zu unklaren Situationen kommen könne, wenn die Beziehung zerbräche. Die gewohnten Modelle und Vorgehensweise ließen sich dann nur noch schwer auf diese neue Situation anwenden, gerade wenn es beispielsweise um Sacheigentum und Sorgerecht geht. Das seien komplett ungeklärte Fragen, so Black.

Der Originaltext des Judikats lag dem Institut für Ehe und Familie (IEF) zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht vor. Auffällig sei jedoch schon aus den Medienberichten, dass sich die Richter in ihrer Argumentation scheinbar vornehmlich auf „neue Formen“ des Familienlebens stützten, meint Dr. Stephanie Merckens, Juristin am IEF. Tatsächlich sei das vereinzelte Zusammenleben mehrere Personen in einem Haushalt und/oder auch in einer polyamurösen Beziehung in keiner Weise ein „neues“ Phänomen. „Neu“ sei bloß, dass dies qualifizierte Rechtsexperten dazu verleite, die rechtliche Elternschaft immer mehr von der leiblichen zu entfremden und damit ein künstliches Konstrukt zu nähren, dass sich mangels Bezug zu den natürlichen Voraussetzungen kaum als nachhaltig erweisen werde, bemerkt Merckens. Auch in Deutschland und in Österreich werden – nicht zuletzt aufgrund der Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin – immer öfter Fragen der rechtlichen Elternschaft diskutiert. Merckens empfiehlt, gerade im Hinblick auf das Wohl des betroffenen Kindes für klare Regeln zu sorgen, bei denen die rechtliche Elternschaft möglichst auch die leibliche Elternschaft reflektieren soll. Einzelne Obsorgerechte  und -pflichten zusätzlich involvierter erwachsener Bezugspersonen könnten im jeweils konkreten Fall durch das Jugendamt eingeräumt werden, insofern dies das Kindeswohl verlange, so die Juristin. Ähnliche Überlegungen veröffentlichte auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht des deutschen Justizministeriums in seinem Abschlussbericht vom Juli 2017, indem insbesondere auch empfohlen wird, dass als (rechtliche) Mutter des Kindes immer die gebärende Frau gelten solle – und zwar unveränderbar. Eine Empfehlung, die gerade in Zeiten einer wachsenden Praxis von Leihmutterschaftsverträgen immer mehr an Bedeutung gewinne, betont Merckens.

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