CA / Lebensende: Tod als „Win-Win-Situation“?
IEF, 28.01.2023 – Immer mehr Patienten, die „Sterbehilfe“ beantragen, spenden ihre Organe. Kanada nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein.
Organspendemarkt profitiert von der „Sterbehilfe“
Immer mehr Patienten, die „Sterbehilfe“ beantragen, spenden ihre Organe. Dies geht aus einem internationalen Bericht hervor, der im Dezember 2022 veröffentlicht wurde. Im Zeitraum von 2005 bis einschließlich 2021 seien in Kanada, Belgien, den Niederlanden und Spanien (alles Länder, in denen die Organspende nach assistiertem Suizid/Tötung auf Verlangen erlaubt ist) insgesamt 1136 Organe von „Sterbehilfe“-Toten entnommen worden. Dabei habe es sich bei fast der Hälfte der insgesamt 286 Organspender um Personen aus Kanada gehandelt.
Tod als „Win-Win-Situation“?
Arthur Schafer, Direktor des Zentrums für berufliche und angewandte Ethik an der Universität Manitoba, sei stolz darauf, dass Kanada bei der Organspende von „Sterbehilfe“-Toten international führend sei. Im Jahr 2021 seien laut dem kanadischen Institut für Gesundheitsinformationen sechs Prozent aller Transplantationen mit Organen von „Sterbehilfe“-Toten durchgeführt worden. Dies sei eindeutig ein Zeichen dafür, dass man den Tod in eine „Win-Win-Situation“ umwandeln könne, so Schafer. Auch betrachte er die Möglichkeit zur Organspende als eine „wundervolle Gelegenheit für jemanden, der dem Tod ins Auge blickt, aus dem eigenen Lebensende etwas Bedeutendes zu machen“.
Trudo Lemmens, Professor für Gesundheitsrecht in Toronto, teilt diese euphemistische Einstellung nicht. Vielmehr äußert er die Sorge, dass suizidwillige Personen, die ohnehin laut Statistiken oft das Gefühl hätten, eine Belastung für andere zu sein und oft mit einem Mangel an Selbstwertgefühl zu kämpfen hätten, die Organspende als Möglichkeit sehen könnten, „etwas zu bedeuten“.
Warum ist Kanada bei der Organtransplantation von „Sterbehilfe“-Toten führend?
Wie der kanadische Arzt Sam Shemie erklärt, würden suizidwillige Personen in Kanada ihre Zustimmung für eine Organspende bei vollem Bewusstsein geben und zwar erst nachdem sie sich für den assistierten Suizid/ die Tötung auf Verlangen entschieden hätten. Alles andere sei ethisch nicht vertretbar.
Einer der Gründe, weswegen in Kanada vergleichsmäßig viele suizidwillige Personen ihre Organe spenden, sei, so Shemie, dass Sterbewillige in Quebec und Ontario proaktiv über die Möglichkeit der Organspende informiert werden würden. Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtete, ist Ontario weltweit die erste Provinz gewesen, in der man auf mögliche Sterbewillige zugehen durfte, um sie über die Möglichkeit der Organspende im Rahmen eines assistierten Suizids/Tötung auf Verlangen aufmerksam zu machen.
Ein anderer Grund sei, dass in den Niederlanden oder in Belgien der Anteil der „Sterbehilfe“-Toten mit Krebs im Endstadium größer sei als in Kanada. Krebskranke Patienten dürften aber keine Organe spenden. In Kanada würde also ein größerer Anteil der Patienten schon a priori für eine Spende in Frage kommen. Laut dem Bericht handelte es sich bei den meisten „Sterbehilfe“-Spendern um Personen mit irreversiblen degenerativen Erkrankungen, wie zum Beispiel der amyotrophen Lateralsklerose oder der Parkinson-Krankheit.
Nicht nur was die Anzahl an „Sterbehilfe“-Spendern anbelangt, nimmt Kanada eine Vorreiterrolle ein. Während bis vor kurzem nur diejenigen Personen spenden durften, die einem assistierten Suizid/Tötung auf Verlangen im Krankenhaus zustimmten, entwickle man gerade Leitlinien, die es suizidwilligen Personen ermöglichen würden, das tödliche Präparat zu Hause einzunehmen oder verabreicht zu bekommen, um dann in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht zu werden, wo die Organe entnommen werden. Die Leitlinien sollen in naher Zukunft allen Ländern, die eine Ausweitung der „Sterbehilfe“ und Organtransplantation in Erwägung ziehen, zur Verfügung gestellt werden. (SM)