AU / Gender: Bischofskonferenz erlässt Identitäts- und Gender-Leitfaden für katholische Schulen
IEF, 07.11.2022 – Die Australische Bischofskonferenz reagiert mit Leitfaden „Created and Loved“ auf zunehmende Geschlechtsinkongruenz.
Antwort auf individuelle soziale und seelsorgerische Bedürfnisse von Schülern
Das Dokument Created and Loved: A guide for Catholic schools on identity and gender, welches am 6. September 2022 von der Australischen Bischofskonferenz veröffentlicht wurde, soll katholische Schulen dabei unterstützen, auf die individuellen sozialen und seelsorgerischen Bedürfnisse von Schülern einzugehen. Wie einem Statement der Bischofskonferenz zu entnehmen ist, werde dabei sowohl der theologische, medizinische und rechtliche Kontext berücksichtigt, in dem katholische Schulen wirken.
Mitfühlend an der Seite jedes Schülers stehen
Die zunehmenden Zahlen über die fehlende Übereinstimmung zwischen erlebtem und aufgrund äußerer Geschlechtsmerkmale zugewiesenem Geschlecht („Geschlechtsinkongruenz“) in der australischen Gesellschaft verstanden die Bischöfe als Aufforderung, die in Bibel und christlicher Tradition bezeugte Würde des Menschen neu in Worte zu fassen. So gingen der Veröffentlichung des 12-seitigen Dokuments umfassende Beratungen mit Experten aus dem Bildungsbereich, Schulleitern und Lehrern ebenso wie Gespräche mit Eltern von betroffenen Kindern, Bioethikern sowie weiteren internationalen katholischen Experten voraus.
Wie der Vorsitzende der Kommission für Life, Family and Public Engagement, Erzbischof Peter A. Comensoli, darlegt, gehen „die Katholische Kirche und unsere Schulen von dem Grundprinzip aus, dass jeder Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist und von Gott geliebt wird.“ Dieser Grundsatz liege Created and Loved zugrunde und soll die Schulen unterstützen, „mitfühlend an der Seite jedes Schülers zu stehen“.
Das Dokument versucht der Diskrepanz zwischen christlichem Menschenbild und der gesellschaftlichen Sicht von sozialem Geschlecht gerecht zu werden. So wird die Schöpfung als Mann und Frau und als geliebtes Ebenbild Gottes und ein holistischer Blick auf den Menschen, der ihn nicht auf einen Aspekt seiner Identität reduziert, ins Zentrum gerückt. Gleichzeitig betont die Bischofskonferenz, dürften gesetzliche Bestimmungen nicht verletzt werden. Dies betreffe etwa Toiletten oder Umkleideräume: hier müssten Räume geschaffen werden, die privat seien und deren Nutzung nicht an das biologische Geschlecht geknüpft wäre. Auch sollten Schulen bei den jeweiligen Schuluniformen „Flexibilität“ anbieten. In den Dokumenten sollte zwar das biologische Geschlecht festgehalten, in Einzelfällen jedoch auch der vom Schüler bevorzugte Name und/oder die Pronomen vermerkt werden.
Zwei biologische Geschlechter, aber vielfältige Ausdrucksweisen
Das Dokument stellt klar, dass abgesehen von seltenen Fällen von Intersexualität, jeder Mensch mit einem eindeutigen biologischen Geschlecht, nämlich männlich oder weiblich, geboren werde. Wie ein Mensch sein biologisches Geschlecht auslebe oder ausdrücke, variiere individuell. Starre kulturelle Stereotypen von Männlichkeit und Weiblichkeit seien nicht zu befürworten, weil sie auf Kinder unangemessenen Druck erzeugen könnten, wie sie sich zu verhalten hätten. Der aktuelle gesellschaftliche Ansatz, dass das Geschlecht variabel sei, wird im kirchlichen Dokument eindeutig abgelehnt. Diese Auffassung stehe in Konflikt zum katholischen Verständnis der Schöpfung. Das Dokument weist auch darauf hin, dass laut Studien 80 bis 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die eine Genderinkongruenz erleben, diese langfristig überwinden.
Grundlagentext für Lehrerfortbildung
Wie Jacinta Collins, Geschäftsführerin der australischen National Catholic Education Commission, erläutert, sei das Dokument auch der Grundlagentext für eine Sitzung mit Hunderten katholischen Pädagogen während der National Catholic Education Conference gewesen, die Anfang September in Melbourne stattgefunden hatte. Es bleibe „von entscheidender Bedeutung“, dass katholische Schulen diese Themen in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche ansprechen – sachkundig sowie entsprechend den Grundsätzen des Respekts und der Menschenwürde. Entsprechend der zunehmenden Kritik an dem Gender- affirmativen Ansatz innerhalb der Medizin und Psychologie schlägt das Dokument der Australischen Bischofskonferenz den Biopsychosozialen Ansatz vor, der mit seiner Ganzheitlichkeit „stärker einer katholischen Weltanschauung entspricht“. So sollen Kinder und Jugendliche in einem Biopsychologischen Model psychologisch in ihrem familiären Kontext betreut werden. Dabei werde den Erkenntnissen Rechnung getragen, dass Genderdysphorie oftmals mit familiären Dynamiken zusammenhänge. Im Kontext der Familiengeschichte könnten Therapeuten die empfundene Genderdysphorie der Kinder und Jugendlichen besser verstehen und gegebenenfalls Traumata aufarbeiten. (LL, TSG)