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AT / Lebensende: Justizministerium veröffentlicht Abschlussbericht des „Dialogforums Sterbehilfe“

IEF, 06.07.2021 – NEOS und SPÖ wollen explizit am Verbot der Tötung auf Verlangen festhalten.

Abschlussbericht zeigt wenig Einigkeit bei wesentlichen Fragen

Am Montag, den 28.6, veröffentlichte das Bundesministerium für Justiz den Schlussbericht des „Dialogforums Sterbehilfe“, zu dem Justizministerin Alma Zadić geladen hatte (das IEF hat berichtet). Ziel war es, unter den 25 Teilnehmern aus Wissenschaft, Medizin, Pflege und Religionsgemeinschaften, die diversen Standpunkte und Anliegen zu den anstehenden Fragen einer Regelung der Suizidbeihilfe nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshof, mit dem das Verbot der Suizidbeihilfe gehoben wurde, zu erörtern.

Einig war man sich hierbei nur beim Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung und der Suizidprävention, sowie bei der grundsätzlichen Notwendigkeit geregelter Prozesse zur Absicherung einer freien Willensentscheidung. Bei allen anderen Fragen lagen die Positionen eher weit auseinander. Als wesentliche Knackpunkte einer gesetzlichen Regelung kristallisierten sich etwa die Fragen heraus, welche Rolle Ärzte und Angehörige von Gesundheitsberufen im Rahmen des assistierten Suizids spielen sollten. Während man sich zwar einig war, dass sie im Beratungsprozess eine unerlässliche Funktion hätten, will die eine Position, dass sie auch die Assistenz zum Suizid übernehmen, während die andere Position betont, Suizidassistenz nicht als Leistung eines Gesundheitsberufes zu definieren. Die meisten vertretenen Organisationen inklusive dem Humanistischen Verband Österreich und dem Verein Letzte Hilfe wünschten sich die Suizidassistenz sowohl auf eine schwere Krankheit als auch auf bestimmte Methoden zu beschränken, während dies wiederum von einigen Juristen als mit dem VfGH-Urteil als unvereinbar moniert wurde.

Wie u.a. auch der ORF deutlich macht, bleibt die Richtungsentscheidung der Regierung daher nicht aus. Angesichts der nun politisch eintretenden Sommerpause ist mit einem Entwurf aber frühestens im Herbst zu rechnen, was angesichts der Reparaturfrist bis Ende des Jahres schon jetzt ein durchaus ambitioniertes Entscheidungsverfahren im Parlament bedeuten wird.

Stellungnahmen weiterer Personen und Organisationen

Parallel zum Dialogforum räumte das Justizministerium die Möglichkeit für nicht geladene Organisationen und Privatpersonen ein, Stellungnahmen einzubringen. Diese wurden mit dem Abschlussbericht zusammengefasst publiziert.

Gemeinsamer Tenor aller Stellungnahmen war – wie im Dialogforum – der Ausbau und die Bedeutung der Palliativ- und Hospizversorgung sowie der Suizidprävention wie auch der Ruf nach gesetzlichen Regelungen zur Absicherung einer informierten, freien und dauerhaften Willensentscheidung. Während Befürworter der Suizidbeihilfe betonen, dass diese als Ausfluss des freien Selbstbestimmungsrechtes allen Personengruppen unabhängig von Alter und Erkrankung zustehen sollte, zeigen sich Gegner kritisch gegenüber einer Entscheidungsfähigkeit über Leben und Tod und verweisen auf fatale geschichtliche wie auch aktuelle Entwicklungen.

Bei den Organisationen, die Stellungnahmen eingebracht haben, überwiegen mit 24 zu 2 eindeutig die kritischen Stimmen, die eine möglichst restriktive Regelung in Verantwortung vulnerabler Gruppen fordern. Aber auch jene beiden einbringenden Institutionen, die die Entscheidung des VfGH grundsätzlich begrüßen, fordern eine geregelte Zulassung mit einem mehrstufigen Konsultationsprozess bis hin zu einer lebensbejahenden Beratung.

Auch NEOS und SPÖ eher restriktiv

Auch NEOS und SPÖ äußern sich bei näherer Betrachtung eher restriktiv auf Fragen durch den Verein „Letzte Hilfe“. Beide sprechen sich nicht nur für die Beibehaltung des Verbots der Tötung auf Verlangen aus. Sie tendieren auch eher zu einer Beschränkung der Erlaubnis des assistierten Suizids auf eine schwere Krankheit. Die SPÖ lehnt zudem ausdrücklich Sterbeverfügungen im Sinne einer Vorausverfügung wie die Patientenverfügung ab. Beide Parteien sehen aber Suizidassistenz eher in den Händen von Ärzten.

Suizidbeihilfe als Gretchenfrage

Auffallend ist für Dr. Stephanie Merckens, Leiterin der Abteilung Politik am Institut für Ehe und Familie (IEF), die Häufigkeit, mit der Religionskritik auf der einen Seite und religiöse Überlegungen auf der anderen Seite in die Argumentation einfließen (so etwa auch im Bericht über die Eingaben von Privatpersonen gegenüber dem Justizministerium). „Es erstaunt immer wieder, mit welcher Vehemenz Kritik an der Suizidbeihilfe ins religiöse Eck verbannt werden will.“, verweist Merckens u.a. auf ihre Erfahrung aus dem Dialogforum. Gleichzeitig kann die Juristin, die für die Österreichische Bischofskonferenz am Dialogforum teilgenommen hat, nachvollziehen, dass die Befürworter der Suizidbeihilfe mit dem Hinweis auf “Gottes Schöpfungsplan” wenig anzufangen wissen. Letztendlich ginge es bei den unterschiedlichen Positionen um die Freiheit des Menschen. Aus Sicht der Biopolitikerin differierten die Standpunkte daher eher bei den Fragen, ob und wann der Mensch aus Freiheit entscheidet, welche Verantwortung der Suizidwillige gegenüber anderen und welche Schuldigkeiten die Gesellschaft dem Lebensmüden gegenüber habe. „Es wäre sehr hilfreich, wenn sich die Diskussion um diese Aspekte drehen würde. Suizidbeihilfe auf die Gretchenfrage zu reduzieren, wird den anstehenden Fragen nicht gerecht.“, so Merckens. (StM)

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