AT / Lebensende: Justizausschuss segnet Neuregelung der Sterbehilfe ab
IEF, 07.12.2021 – Parlamentarischer Justizausschuss stimmt mit breiter Mehrheit für die Regierungsvorlage zur Sterbehilfe
Nachdem die Regierung am 18.11 die Vorlage für eine rechtliche Regelung der Sterbehilfe ins Parlament eingebracht hat (das IEF hat berichtet), befasste sich am 7.12 der zuständige parlamentarische Justizausschuss mit der Thematik. Trotz zahlreicher Kritik während des vorparlamentarischen Begutachtungsverfahrens wurde dabei am Titel einer „Sterbeverfügung“ festgehalten.
Das nunmehr angedachte Prozedere zur Inanspruchnahme einer assistierten Suizidbeihilfe stehe demnach all jenen Personen offen, die „an einer unheilbaren bzw. schweren Krankheit im Sinne des Sterbeverfügungsgesetzes leiden“ wie es in der entsprechenden Parlamentskorrespondenz vom 7.12. heißt. Darin wird auch das vorgesehene Verfahren im Detail beschrieben: „Die sterbewillige Person muss über Alternativen aufgeklärt werden, und zwar von zwei ärztlichen Personen, von denen eine über eine palliativmedizinische Qualifikation verfügt. Eine krankheitswertige psychische Störung schließt die Entscheidungsfähigkeit aus. Bei Zweifeln, ob der Sterbewunsch in einer solchen Störung begründet liegt, muss zusätzlich eine Abklärung durch eine/-n PsychiaterIn oder eine/-n klinische/-n PsychologIn erfolgen. Die sterbewillige Person wird über die Dosierung und Einnahme des zum Tod führenden Präparats und dessen Auswirkungen sowie über konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch und suizidpräventive Beratung aufgeklärt.
Jene ärztliche Person, die über die Behandlungsalternativen aufklärt, muss bestätigen, dass die sterbewillige Person entweder an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen sie in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen. In beiden Fällen muss die Krankheit einen für die sterbewillige Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen.
Nach Verstreichen einer Bedenkzeit ist auf zweiter Ebene eine Sterbeverfügung bei einem Notar oder einer Notarin bzw. einem oder einer rechtskundigen MitarbeiterIn der Patientenvertretungen zu errichten. Auch bei diesem Gespräch ist die Entscheidungsfähigkeit zu beurteilen und zu dokumentieren, ein umfassendes Gespräch über die im Aufklärungsgespräch thematisierten Punkte durchzuführen, auf Alternativen hinzuweisen und die sterbewillige Person insbesondere über die rechtlichen Auswirkungen ihrer Entscheidung zu belehren. Eine Sterbeverfügung kann nur wirksam errichtet werden, wenn die sterbewillige Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat oder österreichische Staatsangehörige ist. Unmittelbar nach der Errichtung einer Sterbeverfügung ist diese an das Sterbeverfügungsregister zu melden.
Nach Vorlage einer wirksamen Sterbeverfügung dürfen gelistete Apotheken das letale Präparat in der in der Sterbeverfügung angegebenen Dosierung kontrolliert abgeben. Sie müssen die Abgabe an das Sterbeverfügungsregister melden.“
Die Entscheidungsfähigkeit der suizidwilligen Person muss zudem zweifelsfrei gegeben sein – und zwar nicht nur im Zeitpunkt der Aufklärung, sondern auch im Zeitpunkt des Suizids selbst, betont Dr. Stephanie Merckens, Juristin am IEF.
Auch ohne „Sterbeverfügung“ ist Suizidbeihilfe möglich
Aber auch ohne die Errichtung einer Sterbeverfügung ist ab 1.1. straffreie Suizidbeihilfe in Österreich möglich, erläutert Merckens. Denn das Strafrecht wurde weitreichender geregelt als das Sterbeverfügungsgesetz. Demnach ist straffreie Beihilfe zum Suizid immer dann möglich, wenn es sich bei der suizidwilligen Person um eine volljährige Person handelt, die an einer Krankheit im Sinne des Sterbeverfügungsgesetzes leidet und entsprechend der im Sterbeverfügungsgesetz vorgesehenen ärztlichen Aufklärung aufgeklärt wurde, so die Beihilfe nicht aus verwerflichen Gründen erfolgt. Die Errichtung einer Sterbeverfügung ist demnach nicht zwingend, im Sinne der Rechtssicherheit für den Beihelfer allerdings ratsam.
Inwiefern im Justizausschuss noch Änderungen zur Regierungsvorlage erörtert wurde, war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe noch nicht bekannt. (StM)