Grundlagenstudie zur Sterbehilfe
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AT / Lebensende: Nur noch 35% für assistierten Suizid

IEF, 17.06.2021 – Eine aktuelle Grundlagenstudie bringt neue, fundierte Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Einstellung der Österreicher zur „Sterbehilfe“.

Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut FOCUS Austria hat im Rahmen einer Pressekonferenz am 15. Juni eine neue Grundlagenstudie zur “Sterbehilfe” vorgestellt. Dies ist nun die dritte Studie, die seit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), mit der im Dezember 2020 das Verbot der Beihilfe zum Suizid fiel, durchgeführt und veröffentlicht wurde (das IEF hat berichtet). Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Studienergebnisse zum Teil gravierend.

Nur 35% befürworten Suizidassistenz

Die als erste bekannt gewordene Studie stammt vom Meinungsforschungsinstitut INTEGRAL und wurde von der Österreichischen Gesellschaft für ein Humanes Lebensende (ÖGHL) beauftragt, die wesentlich hinter den Bestrebungen zur Legalisierung von Suizidbeihilfe steht. Laut dieser Studie begrüßten angeblich 80% der Österreicher sowohl die VfGH-Entscheidung als auch „Sterbehilfe“ generell. Gemäß einer umfangreicheren Studie des Ludwig Boltzmann Institute (LBI) befürworteten 61% der Befragten das Urteil des Höchstgerichts. Bei der zuletzt vom Meinungsforschungsinstitut FOCUS Austria in Eigenregie durchgeführten Studie befürworteten nur 35% der Bevölkerung die Möglichkeit des assistierten Suizids und bloß 31% die Tötung auf Verlangen. Auffallend ist, dass bei der FOCUS Austria Umfrage gezielt nach den verschiedenen Formen von „Sterbehilfe“ gefragt wurde, die Entscheidung des VfGH aber nicht explizit bewertet werden sollte.

„Sterbehilfe“ – ein mehrdeutiger Begriff

Wie kommt es zu diesen gravierenden Ergebnisunterschieden? Eine mögliche Erklärung wäre die Fragestellung und Begriffsunterscheidung in Bezug auf die unterschiedlichen Formen der „Sterbehilfe“, so Stephanie Merckens, Juristin und Biopolitikerin am Institut für Ehe und Familie (IEF). Während INTEGRAL mit zum Teil tendenziösen Fragestellungen gearbeitet und das LBI in seiner Studie nicht nach der Zustimmung zum assistierten Suizid, sondern lediglich zur Entscheidung des VfGH gefragt habe, sei FOCUS Austria als einziges Institut auf die unterschiedlichen Formen der Sterbehilfe eingegangen.

Laut der FOCUS Austria-Umfrage würden sich lediglich 11% der Befragten „sehr gut“ über „Sterbehilfe“ informiert fühlen. In der LBI Studie waren es 27%, die angaben, „ausreichend informiert“ zu sein. FOCUS Austria fragte nach dem Kenntnisstand der Befragten in Bezug auf „indirekte Sterbehilfe“, „passive Sterbehilfe“, „Beihilfe zum Suizid“ und „aktive Sterbehilfe“. Die ersten beiden bereits jetzt zulässigen Formen der „Sterbehilfe“ waren den Befragten am ehesten bekannt, wobei Begrifflichkeiten oft verwechselt wurden. Was Suizidassistenz und „aktive Sterbehilfe“ bedeuten, war 52% beziehungsweise 62% der Befragten bekannt. Schließlich erhielten die Befragten die korrekte Definition der jeweiligen Begriffe und wurden dann nach ihrer Meinung zu den einzelnen Formen der „Sterbehilfe“ befragt. Demnach stimmten 58% der „indirekten Sterbehilfe“, die „Behandlungen, die für eine Linderung sorgen, jedoch langfristig eine Verkürzung des Lebens bedeuten“ zu. Gleich viele (58%) sprachen sich auch für die „passive Sterbehilfe“, die „das Beenden von Maßnahmen, die das Leben verlängern können“ beinhaltet, aus. Deutlich weniger Österreicher, nämlich nur 35%, befürworten laut der FOCUS Austria Umfrage die „Beihilfe zum Suizid“, bei der die „Tötungshandlung von Patienten selbst durchgeführt wird, die notwendigen Mittel aber von einem Dritten vorbereitet und bereitgestellt werden“. Die „aktive Sterbehilfe“, bei der es sich um Handlungen und Maßnahmen, die das “Leben eines anderen Menschen beenden“ handelt, fand nur bei 31% der Österreicher Zustimmung.

Die vergleichsweise geringe Zustimmung zur Beihilfe zum Suizid und Tötung auf Verlangen könne sich daraus ergeben, dass bei der ÖGHL Studie, der Begriff der „Sterbehilfe“ nicht klar abgegrenzt war und viele Befragte darunter nur bereits praktizierte und zulässige Formen der „indirekten und passiven Sterbehilfe“ verstanden haben, erläutert Merckens. Wenn einzelne Begriffe nicht im Vorhinein geklärt sind, sei es durchaus möglich, dass die Befragten unterschiedliche Aussagen treffen und Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Außerdem dürfe eine vorauseilende Autoritätswirkung des VfGH nicht unterschätzt werden, meint Merckens. Bei der ÖGHL Studie wurde explizit gefragt, ob man die Entscheidung des VfGH begrüße, womit das Gewicht des Höchstgerichts in die Waagschale geworfen wurde.

Dreiviertel der Österreicher erwarten Missbrauch nach Legalisierung der Suizidassistenz

Interessant sind die Ergebnisse der FOCUS Austria-Studie auch in Bezug auf die Altersverteilung bei der Zustimmung zur “Sterbehilfe”. So seien laut Umfrage 15- bis 29-Jährige am kritischsten gegenüber der Beihilfe zum Suizid (28%) und Tötung auf Verlangen (28%) eingestellt, gefolgt von den über 50-Jährigen (38%  bzw. 28%). Am höchsten sei die Zustimmung bei den 30- bis 49-Jährigen (37% für Beihilfe zum Suizid und 39% für Tötung auf Verlangen). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Missbrauchserwartung der Befragten nach Einführung einer gesetzlichen Regelung der Suizidbeihilfe. Hier gehen 73% der Österreicher davon aus, dass es trotz Regelung zum Missbrauch kommen wird, wobei die Befürchtung wiederum bei den 15- bis 29-Jährigen prozentuell am größten ist (82%).

Erhebung der Parteipositionierung zur „Sterbehilfe“

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner „Sterbehilfe“-Entscheidung den Gesetzgeber aufgefordert, nach der Aufhebung des Verbots der Suizidassistenz Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch vorzusehen und räumte ihm dafür eine Frist bis 31.12.2021 ein. Weil außer dem vom Justizministerium einberufenen „Dialogforum Sterbehilfe“ (das IEF hat berichtet) noch wenig von Seiten der Parlamentsparteien in Richtung einer Neuregelung der „Sterbehilfe“ vorgebracht worden sei, hat sich das Volksbegehren „letzte Hilfe“ vorgenommen, die Positionierung der einzelnen Parteien zu diesem Thema zu erheben. Die Rückmeldungen der Parlamentsklubs sollen demnächst im Rahmen eines ausführlichen Berichtes präsentiert werden. Das IEF wird weiterhin berichten. (AH)

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