
AT / Lebensende: Frist für Sterbehilfegesetz läuft bald aus
IEF, 21.07.2021 –Ende 2021 ist die Beihilfe zum Selbstmord nicht mehr strafbar. Die Parteien äußern Wünsche zum neuen „Sterbehilfe“-Gesetz.
Vor knapp einem halben Jahr, am 11. Dezember 2020, verkündete der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH), dass die Beihilfe zum Selbstmord (§ 78 2. Tatbestand StGB) von nun an in Österreich nicht mehr strafbar sein werde (das IEF hat berichtet). Dabei räumte der VfGH dem Gesetzgeber eine Frist von einem Jahr ein, um eine gesetzliche Regelung zu erwirken. Bisher ist es noch zu keinem Gesetzesvorschlag gekommen. Die Frist endet mit Ablauf des Jahres 2021.
Sobotka plädiert für Verfassungsbestimmung
„Gerade die Frage nach der aktiven Sterbehilfe muss mit Sicherheit in die Verfassung aufgenommen werden“, äußerte sich etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Sterbehilfe-Debatte. Auf eine mögliche Ausgestaltung einer Verfassungsbestimmung ging Sobotka nicht ein. Klar wäre jedoch, dass der Nationalrat eine neue Lösung vorlegen müsse, so der Nationalratspräsident. Auch die österreichische Bischofskonferenz forderte etwa, das weiterhin bestehende Verbot der aktiven Sterbehilfe in Verfassungsrang zu heben.
Verfassungsministerin will Werbeverbot für „Sterbehilfe“
Enge Grenzen solle es auch nach dem VfGH-Spruch zur Sterbehilfe geben, betonte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. „Ich will nicht, dass mit dem Tod geworben wird, ich will auch nicht, dass mit dem Tod ein Geschäft gemacht wird“, sprach sich Edtstadler gegen die Kommerzialisierung des assistierten Suizids aus. Nach dessen Urteil sei es auch im Sinne des VfGH, eine einfachgesetzliche Regelung zu schaffen, die dafür sorgt, dass der ernsthafte Wille, zu sterben, festgehalten und kontrolliert werde. Für einen ersten Gesetzesentwurf sei nun das Justizministerium am Zug, Edtstadler sei aber jederzeit verhandlungsbereit.
ÖVP setzt auf Gewissensfreiheit und Alternativmöglichkeiten
Der ÖVP sei es nach wie vor wichtig, dass man keinen Arzt zwingen könne, sich an einer „Sterbehilfe“ zu beteiligen oder sie durchzuführen. Weiters müsse der ernste Wille für den Selbstmord abgesichert und dokumentiert werden. Ein Ausbau der Alternativangebote wie etwa der Hospiz- und Palliativversorgung sei unbedingt vonnöten, betonte Edtstadler. Es gäbe nämlich viele Möglichkeiten, auch Schwerstkranken am Lebensende noch eine Aussicht zu geben und Lebensfreude zu ermöglichen. „Ich will nicht, dass die Würde des Lebens von Menschen, die pflegebedürftig sind, selbst in Frage gestellt wird“, so die Ministerin.
NEOS sehen Menschheitsentwicklung zu mehr Selbstbestimmung
Eine „Husch-Pfusch-Regelung“ solle um jeden Preis vermieden werden, meinte unterdessen der Justizsprecher der NEOS, Johannes Margreiter, mit Hinweis auf den immer größer werdenden Zeitdruck. „Dann lieber vorerst keine Regelung“, so Margreiter. Derzeit laufe auch bei den NEOS eine Diskussion über das zukünftige Gesetz. Im Herbst wolle Margreiter dann einen eigenen Gesetzesentwurf im Namen der NEOS mit einer ganz klaren Botschaft vorlegen: so viel Selbstbestimmung wie möglich. „Ich werde sehr stark darauf drängen, dass wir unserem liberalen Anspruch gerecht werden und nicht vor irgendwelchen Lobbys in die Knie gehen“, kündigte der Justizsprecher der NEOS an. Denn das letzte Recht des Menschen sei es, über sein Leben disponieren zu können. Die Beihilfe zum Suizid solle daher möglichst breit zugänglich gemacht werden, nicht nur für schwer kranke Menschen in der letzten Phase ihres Lebens. Bei nicht tödlichen Erkrankungen müsse sich der Sterbewillige allerdings zwingend beraten lassen und eine „Cooling-down-Phase“ von zwölf Wochen abwarten. Die Beratung wolle Margreiter dabei auf höchstmöglichem Niveau wissen.
Tötung auf Verlangen als nächster Schritt
Die Einbindung von Ärzten, die das tödliche Medikament verschreiben sollen, solle außerdem Missbrauch vorbeugen, führte Margreiter weiter aus. Dass die Ärztekammer dem entgegenstehe, sehe der ausgebildete Rechtsanwalt nicht weiter als Hindernis. Es gäbe schließlich viele Ärzte, die der Ärztekammer in diesem Punkt widersprechen würden. Im Übrigen werde wohl auch die derzeit noch verbotene Tötung auf Verlangen bald auf dem Tagesplan stehen. Auch für diesen nächsten Schritt sei Margreiter bereit. (TS)