AT / Lebensende: Budgeterhöhung für Suizidprävention und Familienberatungsstellen
IEF, 20.12.2021 – Der Ministerrat hat im Rahmen eines Maßnahmenpaketes zur psychosozialen Gesundheit auch eine Aufstockung der Mittel für die Familienberatungsstellen beschlossen.
Mittel für Suizidprävention und psychosoziale Gesundheit
Als Ergebnis der politischen Verhandlungen um das „Sterbeverfügungsgesetz“, das am 16.12.2021 vom Nationalrat beschlossen wurde (das Institut für Ehe und Familie (IEF) hat ausführlich berichtet), wurde tags davor im Ministerrat eine Aufstockung für Suizidprävention und psychosoziale Gesundheit um 2,5 Millionen Euro jährlich entschieden. Der Antrag wurde gemeinsam von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Familienministerin Susanne Raab eingebracht. Einerseits zählten psychische Erkrankungen zu den häufigsten Ursachen krankheitsbedingter Beeinträchtigungen in Europa und Österreich, heißt es im Antrag. Durch die Coronakrise sei ein weiterer Peak an psychosozialen Belastungen und Belastungsreaktionen beim Abflauen der Krise zu erwarten. Die psychosoziale Gesundheit sei pandemiebedingt in vergleichbarem Ausmaß wie die somatische Gesundheit gefährdet und daher dringend genauso in den Fokus der Präventionsmaßnahmen zu nehmen. Andererseits brauche es begleitend zur Umsetzung des Erkenntnisses des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zum assistierten Suizid eine Stärkung der Suizidprävention sowie zusätzliche psychosoziale Hilfestellungen für Betroffene und deren gesamtes Umfeld.
Mehr Budget für Familienberatungsstellen
Von der Aufstockung der Mittel sollen jährlich 600.000 Euro in das Familienberatungsförderungsbudget fließen. In einer Presseaussendung betonte Bundesministerin Susanne Raab, dass die vom Bundeskanzleramt geförderten rund 400 österreichweiten Familienberatungsstellen eine wesentliche Säule der psychosozialen Betreuung und Anlaufstellen in Krisenzeiten seien. Mit der Budgeterhöhung solle der Bedarf an flächendeckenden Beratungen in Zukunft noch besser abgedeckt werden, so Raab. Von Familienberatungsstellen sollen künftig auch begleitende Beratungen angesichts des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses zum assistierten Suizid angeboten werden. „Unabhängig davon, wie wir zum Entschluss des Verfassungsgerichtshofes stehen, müssen den Betroffenen und ihren Familien ausreichende Beratungen und psychosoziale Hilfestellungen angeboten werden“, stellt die Ministerin fest. Es ist die zweite Erhöhung der Mittel für Familienberatungen in diesem Jahr, nachdem im Rahmen des Gewaltschutzpakets bereits eine Erhöhung um 2,9 Millionen Euro beschlossen worden war.
Struktureller Ausbau von Familienberatungsstellen
Auch die Grünen begrüßen die Budgeterhöhung. Durch die Aufstockung der Mittel für die Suizidprävention werde dafür gesorgt, dass die notwendige Hilfe auch flächendeckend und in ausreichendem Maße geleistet werden könne, meint etwa Agnes Prammer, Justiz- und Verfassungssprecherin der Grünen in einer Presseaussendung. Es sei notwendig, dass Menschen mit Suizidgedanken sich niederschwellig an entsprechend ausgebildete Experten wenden könnten. Die Familiensprecherin der Grünen, Barbara Neßler, betont, dass die jährliche Erhöhung des Budgets für Familienstellen einen strukturellen Ausbau ermögliche. Das sei notwendig, da Familienberatungsstellen die erste Anlaufstelle für psychosoziale Betreuung von Familien seien.
Gebremste Freude bei Kriseninterventionszentrum
„Es wird wohl mehr brauchen“, meint Dr. Thomas Kapitany, Psychiater und Leiter des Kriseninterventionszentrums Wien, gegenüber dem IEF. Die Erhöhung sei zwar jedenfalls zu begrüßen und ein Schritt in die richtige Richtung. Angesichts der gesetzlich geregelten Freigabe der Suizidbeihilfe sei es aber höchst notwendig, dass Maßnahmen der Suizidprävention in ausreichendem Ausmaß implementiert und finanziert werden, um betroffenen Personen in seelischen Notlagen rechtzeitig Hilfe und Behandlung und Angehörigen von Suizidwilligen Beratung und Betreuung anbieten zu können. Da es bisher überhaupt keine gesicherte Finanzierung der Suizidprävention gab, sei die Ankündigung einer Dotierung mit 1,9 Millionen pro Jahr auf jeden Fall ein Anfang. Um Menschen mit einer Suizidgefährdung jedoch flächendeckend und niederschwellig – also rasch verfügbar, kostenfrei und ortsnahe – versorgen zu können, werde es deutlich größerer finanzieller Mittel bedürfen, so das Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Suizidprävention.
IEF-Beratungsstelle
Auch am IEF gibt es eine Familienberatungsstelle. Ein Expertenteam aus Ehe-, Familien- und Lebensberatern, Psychotherapeuten und Juristen berät in Präsenz oder online und auf Wunsch anonym in den Bereichen Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Care Management, d.h. Familienberatung für Eltern und Angehörige minderjähriger Kinder mit Beeinträchtigung, Familienrechtsberatung, Familienberatung bei Gericht und Elternberatung im Scheidungsfall. „Die Zusammenhänge zwischen psychosozialer Gesundheit und funktionierenden Familienstrukturen sind evident. Familienberatung trägt dazu bei, die inneren Ressourcen von Paaren bzw. Einzelpersonen zu heben, damit Herausforderungen gemeinsam gelöst werden können. Dazu ist es hilfreich, rechtzeitig externe Beratung in Anspruch zu nehmen, was nur durch flächendeckende Beratungsstellen sichergestellt werden kann. Die weitere jährliche Aufstockung des Förderbudgets ist daher sehr begrüßenswert“, beurteilt Mag. Johannes Reinprecht, Direktor des IEF, die Budgeterhöhung. (TSG)