Corona-Impfung
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AT / Lebensanfang: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Corona-Impfung und Abtreibung?

IEF, 10.05.2021 – Größte Hoffnung zur Bekämpfung der Pandemie liegt momentan in einer Herdenimmunisierung durch die Corona-Impfung. Umso mehr muss auf Ängste und Unsicherheiten informativ reagiert werden.

Ethische Implikationen bei COVID-19-Impfstoffen

Von Anfang an wird die Corona-Impfung kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert. Zum einen wird die Einführung einer generellen Impfpflicht und mögliche gesundheitliche (Langzeit-)Folgen der im Eilverfahren hergestellten und zugelassenen Impfstoffe diskutiert, zum anderen wird die Verwendung des Gewebes abgetriebener Kinder bei der Produktion von Impfstoffen kritisiert oder die unlängst ergangene Impfempfehlung für schwangere Frauen hinterfragt. Die geäußerten Bedenken sind oft Ausdruck einer generellen Skepsis gegenüber der Pharmaindustrie und einem zum Teil immer undurchsichtigeren Expertenwissen, das in seiner Fülle immer weniger nachvollzogen und überprüft, bzw. manchmal unterschiedlich interpretiert werden kann. Viele Stellungnahmen von verschiedenen Fachgremien wurden zu den einzelnen Problemfeldern bereits abgegeben und es kursiert eine Vielzahl an Gerüchten rund um Corona-Impfungen. Unter anderem im Zusammenhang mit der Instrumentalisierung abgetriebener Kinder. Das IEF hat dies zum Anlass genommen, einzelne Fragen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Werden bei der Entwicklung der Impfstoffe Zelllinien aus dem Gewebe abgetriebener Kinder verwendet?

JA. In den unterschiedlichen Phasen einer Impfstoffherstellung werden tatsächlich seit Jahren immer wieder Zelllinien verwendet, die aus dem Gewebe abgetriebener Kinder gewonnen worden sind. In der Praxis kommen, wie IMABE klarstellt, vier menschliche Zelllinien zur Anwendung, die unter den Namen WI-38, MRC5, HEK-293 und PER.C6 bekannt sind. Diese wurden aus dem Gewebe von vier Kindern gewonnen, die wahrscheinlich alle in den Jahren zwischen 1960 und 1985 zuvor abgetrieben worden waren (bei einem der Kinder lag möglicherweise eine Fehlgeburt vor).

Werden Kinder FÜR die Entwicklung von Impfstoffen abgetrieben?

NEIN, darauf gibt es keine Hinweise. Weder die vier Kinder, aus deren toten Körpern das Gewebe gewonnen wurde, um die vier oben genannten Zelllinien zu entwickeln, noch jene Kinder, deren tote Körper im Vorfeld für die Forschung verwendet wurden, bis man die vier Zelllinien entwickelt hatte, wurden FÜR diese Zwecke abgetrieben.

Enthalten Corona-Impfstoffe Zellen abgetriebener Kinder?

NEIN. Bei den zurzeit in Österreich zugelassenen Impfstoffen von Pfizer/BioNTech, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson (Zulassung in den USA) kommen die oben erwähnten Zelllinien in unterschiedlichen Phasen und in unterschiedlichem Ausmaß zum Einsatz. Eine gute Übersicht dazu bietet das Charlotte Lozier Institute auf seiner Website. Demnach wurde bei den mRNA Impfstoffen Pfizer/BioNTech und Moderna der Impfstoff lediglich an menschlichen Zellen getestet. Für die Herstellung des Impfstoffes wurden keine menschlichen Zellen verwendet. Anders verhält es sich bei den Verktorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson, die mit abgeschwächten Viren arbeiten. Diese setzen menschliche Zelllinien auch zur Impfstofferzeugung ein, indem sie die fetalen Zellen für die Reproduktion des Virus verwenden. Auch da enthält der Impfstoff selbst aber keine Zellen aus ursprünglich fetalem Gewebe.

Es wurden viel mehr Kinder abgetrieben als bloß vier

STIMMT. Aber nicht FÜR die Herstellung von Impfstoffen. Richtig ist, dass bis zur erfolgreichen Entwicklung der vier oben erwähnten Zelllinien die Körper einer viel größeren Zahl an verstorbenen Kindern verwendet wurden, um an ihnen zu forschen. So geht aus einem Fachartikel hervor, dass im Vorfeld der Gewinnung der WI-38-Zelllinie am Gewebe von 19 anderen, zuvor abgetriebenen Kindern geforscht wurde. Es gibt Hinweise dafür, dass dies bei der Entwicklung der anderen Zelllinien ähnlich verlaufen ist.

Worin liegt also die ethisch problematische Frage?

Nach dem Gesagten geht es bei den ethischen Bedenken rund um Corona-Impfstoffe und Abtreibung also nicht darum, dass Kinder extra für die Gewinnung der Impfstoffe abgetrieben wurden. Es geht auch nicht um die Frage, ob nun laufend neue Zellen von weiteren Körpern abgetriebener Kinder für die Impfstoffe verwendet werden. Beide Fragen können nach dem Stand der Datenlage verneint werden, so Stephanie Merckens, Biopolitikerin am Institut für Ehe und Familie (IEF). Ethisch relevant bleibe die Frage, ob man von der Abtreibung eines Kindes indirekt profitieren dürfe, ohne dass man einen Grund oder eine Befürwortung für die Abtreibung selbst gesetzt hat.

Die vatikanische Glaubenskongregation zur Verwendung menschlichen „biologischen Materials“ bei der Impfstoffherstellung

Die Glaubenskongregation hat bereits 2008 in der Instruktion „Dignitas Personae über einige Fragen der Bioethik“ Stellung zu den ethischen Implikationen der Verwendung von fetalen Zelllinien bezogen. Darin heißt es, dass bei der Verwendung „biologischen Materials“ unerlaubten Ursprungs, wie etwa der Leichen menschlicher Föten, seien sie nun vorsätzlich abgetrieben oder nicht, die gleichen Grundsätze, wie bei der Verwendung sterblicher Überreste von anderen menschlichen Wesen beachtet werden müssen. Konkret hieß es, dass Föten nicht Verstümmelungen oder Obduktionen ausgesetzt werden dürfen, solange ihr Tod nicht mit Sicherheit festgestellt wurde, und die Zustimmung der Eltern oder der Mutter eingeholt werden sollte. Darüber hinaus müsse immer die moralische Forderung bestehen bleiben, keine Beihilfe zu einer gewollten Abtreibung zu leisten.

Zu bedenken sei auch die Widersprüchlichkeit zwischen dem Verurteilen von Abtreibungen einerseits und der Annahme des infolgedessen gewonnenen „biologischen Materials“ zu Forschungszwecken. Um nicht den Eindruck einer gewissen Toleranz oder stillschweigenden Akzeptanz von schwer ungerechten Handlungen zu geben, müsste man sich von derartigen Praktiken daher distanzieren. Dies sei auch auf die Verpflichtung zurückzuführen, sich bei der Ausübung der eigenen Forschungstätigkeit von einem schwer ungerechten gesetzlichen Rahmen abzugrenzen und klar den Wert des menschlichen Lebens zu bezeugen.

Die Instruktion spricht jedoch auch von einer differenzierten Verantwortlichkeit. So sei es Eltern beispielsweise gestattet, wegen der Gefahr für die Gesundheit der Kinder auch solche Impfstoffe zu verwenden, bei deren Vorbereitung Zelllinien unerlaubten Ursprungs zum Einsatz kamen. Gleichzeitig seien aber alle verpflichtet, Einspruch dagegen zu erheben und zu fordern, dass die Gesundheitssysteme andere Arten von Impfstoffen zur Verfügung stellen.

Aufgrund einer neuerlichen Diskussion um die Verwendung fetalen Gewebes bei der Impfstoffherstellung im Zusammenhang mit COVID-19 gab die Glaubenskongregation am 21.12.2020 eine neue Stellungnahme heraus, in der es heißt, dass es moralisch zulässig sei, COVID-19-Impfungen in Anspruch zu nehmen, wenn keine anderen ethisch unbedenklichen Impfungen vorhanden sind bzw. Gesundheitsbehörden ihren Bürgern die Wahl der Impfung nicht gestatten. Die Glaubenskongregation legitimiert dies mit dem Argument, dass im Falle der Nutzung einer mit Hilfe von menschlichen Zelllinien hergestellten Impfung, die Teilhabe am Übel der Abtreibung nur eine entfernte sei. Die moralische Pflicht, eine solche passive Mitwirkung zu vermeiden, sei angesichts einer ernsten Gefahr, wie der pandemischen Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus, daher nicht zwingend. Gleichzeitig appelliert die Glaubenskongregation an Forscher und Pharmaunternehmen, „ethisch akzeptable Impfstoffe zu entwickeln, die keine Gewissensprobleme aufwerfen können“, die also Menschen nicht dazu brächten, indirekt von Abtreibungen profitieren zu müssen, erläutert Merckens.

Gibt es auch ethisch unbedenkliche Impfungen?

Zellen werden bei der Impfstofferzeugung generell dazu benötigt, um inaktivierte Viren, die dann verimpft werden, in großen Mengen zu reproduzieren. Es stellt sich daher die Frage nach möglichen Alternativen zum Einsatz menschlicher Zelllinien bei der Impfstoffherstellung. In der Forschung kommen neben Zellen aus menschlichem fetalem Gewebe tatsächlich auch Zellen von Tieren zum Einsatz, darunter beispielsweise von Hamstern, Affen oder Embryonen aus bebrüteten Hühnereiern. Der Grund, warum menschliche Zellen trotz ethischer Bedenken dennoch verwendet werden, ist einerseits, dass die inaktivierten Viren sich schneller in diesen vermehren lassen und somit die Impfstoffherstellung beschleunigen und Tierzellen andererseits Verunreinigungen enthalten können, die eine Allergie-Gefahr oder Überreaktion bergen.

Verwendung menschlicher Zelllinien bei den zurzeit zugelassenen Impfstoffen

Zahlreiche weitere COVID-19-Impfstoffe befinden sich noch in der Entwicklung. Viele von ihnen verwenden weder in der Entwicklungs-, Testungs-, noch in der Produktionsphase menschliche Zelllinien und bieten in Zukunft möglicherwiese ethisch unbedenkliche Alternativen zu den bereits zugelassenen Impfstoffen.

Der Handel mit Organen abgetriebener Kinder

Die vatikanische Instruktion aus dem Jahr 2008 zeigt noch ein weiteres Problem auf, dass nicht nur die Impfstoffherstellung betrifft. Denn die Verwendung von menschlichem „biologischem Material“ geht weit über die Impfstoffherstellung hinaus und betrifft die wissenschaftliche Forschung im Allgemeinen. Hier kommt es immer wieder zu einem regelrechten Handel mit menschlichem Gewebe, das vor allem aus Abtreibungen stammt, wie u.a. verdeckte Ermittlungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Planned Parenthood in den USA ans Licht brachten (das IEF hat berichtet). Damit würden nicht nur Anreize geschaffen werden, die Zahlen von Abtreibungen grundsätzlich in die Höhe zu treiben, wie das etwa auch im Film Unplanned thematisiert wird. Es gebe auch Hinweise, dass Abtreibungen bewusst in eine spätere Phase der Schwangerschaft verzögert würden, um verwertbareres „Material“ zu bekommen, so Merckens. Hier brauche es – ähnlich wie bei den Anstrengungen zur Vermeidung von Kinderarbeit – internationale Initiativen, die sich für eine „no deal with abortion“ Mentalität in der Forschung einsetzten. Ein erster Schritt wäre hier etwa ein Unentgeltlichkeitsgebot für die Freigabe von Körpern abgetriebener Föten, so Merckens. (AH)

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