Elternteil
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AT / Familie: VfGH prüft weitere Gleichstellung lesbischer Paare

IEF, 27.09.2021 – Die Besserstellung jener lesbischer Paare, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung in Anspruch nehmen, könnte verfassungswidrig sein.

Mit Erkenntnis von Ende Juni hat der Verfassungsgerichtshof ein Gesetzprüfungsverfahren eingeleitet, in dem die Frage geklärt werden soll, ob es bei gleichgeschlechtlichen Paaren, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, zur Eintragung beider Partner als Elternteile eines Kindes einer vorausgegangene medizinisch unterstützten Fortpflanzung bedarf.

Standesamt verweigert Eintragung der Partnerin als Elternteil

Das seit 2018 in einer eingetragenen Partnerschaft lebende lesbische Paar hatte nach Geburt eines – nicht im Wege der künstlichen Fortpflanzung gezeugten – Kindes die Geburt am Standesamt angezeigt. Als „Mutter“ wurde begehrt, die leibliche Mutter, als „Vater“ deren Partnerin und spätere Beschwerdeführerin einzutragen. In weiterer Folge hatte das Magistrat der Stadt Wien den Antrag der Beschwerdeführerin auf Eintragung als Elternteil in das zentrale Personenstandsregister abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin sich zum Zeitpunkt der Geburt zwar in einer eingetragenen Partnerschaft mit der biologischen Mutter des Kindes befunden habe, ein Nachweis darüber, dass bei der Mutter eine medizinisch unterstütze Fortpflanzung im Sinn des § 2 Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) durchgeführt wurde, sei jedoch nicht erbracht worden. Eine solche sei jedoch gemäß § 144 Abs. 2 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) Voraussetzung für die Eintragung als „Elternteil“.

Medizinisch unterstützte Fortpflanzung als Voraussetzung

Die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien als Berufungsinstanz ab. Rechtliche Grundlage sei, wie von der Behörde festgestellt, § 144 Abs. 2 ABGB, wonach innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden sein muss, damit die Partnerin der leiblichen Mutter unter gewissen Voraussetzungen als „Elternteil“ eingetragen werden kann. Das Verwaltungsgericht äußerte in seinem Erkenntnis keine Bedenken zur Verfassungskonformität des § 144 Abs. 2 ABGB. Die Beschwerdeführerin erhob in weiterer Folge Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen der Verletzung in den nach den Art. 14 iVm Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 2 StGG verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten der Achtung des Familienlebens, des Verbots der Benachteiligung sowie des Gleichheitsgrundsatzes.

Ehemann der Mutter ist ex lege Vater des Kindes

Begründend brachte die Beschwerdeführerin insbesondere vor, dass ein Mann, der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet sei, gemäß § 144 Abs. 1 Z 1 ABGB ex lege als Vater gelte und zwar unabhängig davon, ob er das Kind gezeugt habe oder eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden sei, wie das Vorbringen im Erkenntnis der Verfassungsgerichtshof vom 24.6.2021 zitiert wird. In den Materialien zur Gesetzesbestimmung des § 144 Abs. 2 ABGB verweise der Gesetzgeber „vor allem auf das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung, das in § 20 Abs 2 FMedG abgesichert sei und dem vor allem bei Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern besondere Bedeutung zukomme“, denn in diesen Fällen „stelle sich schon dem äußeren Anschein nach jedenfalls die Frage nach seiner biologischen Abstammung“. „Damit“, so wurde seitens der Beschwerdeführerin vorgebracht, „messe der Gesetzgeber aber dem Recht auf Kenntnis seiner biologischen Abstammung abhängig von der sexuellen Orientierung der Eltern unterschiedliches Gewicht zu“. Durch die Vermutung der Vaterschaft ex lege, wie in § 144 Abs. 1 ABGB normiert, „nehme der Gesetzgeber in Kauf, dass das Kind genetisch nicht vom Ehemann der Mutter abstamme und es womöglich nie Kenntnis vom leiblichen Vater haben werde“. Damit werde die rechtlich-soziale Familie gegenüber der biologischen geschützt. Ergänzend wurde festgestellt, dass im Anwendungsbereich des FMedG das Recht des Kindes an der Kenntnis der genetischen Abstammung nicht stark ausgeprägt sei, „zumal ein Anspruch des Kindes auf Auskunft, in welcher Krankenanstalt die Zeugung stattfand, vom Recht der Mutter auf Wahrung ihrer Privatsphäre verdrängt werden könne.“

VfGH leitet Gesetzesprüfungsverfahren ein

In seinem Erkenntnis bestätigt der Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Verbots der Diskriminierung nach der sexuellen Orientierung durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen. Ebenso verstoßen diese gegen die aus Art 8 EMRK bzw Art 7 Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) abgeleiteten Rechte des in eine eingetragene Partnerschaft zweier Partnerinnen durch natürliche Fortpflanzung geborenen Kindes, dem die Zuordnung zur Partnerin der Mutter als „anderer Elternteil“ auch dann verwehrt werden dürfe, wenn der biologische Vater seine Verantwortung der Elternschaft nicht übernehmen wolle.

Mögliche Rechtfertigung: Schutz vor „hineindrängendem“ biologischen Vater

Eine potentielle, im Gesetzesprüfungsverfahren auf ihre Eignung zu prüfende Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung heterosexueller und homosexueller Paare nahm der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis bereits vorweg. Im Falle einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung sei die soziale Familie durch die Rechtsordnung vor einem „sich hineindrängenden“ biologischen Vater insoweit geschützt „als ein, die nach § 144 Abs. 1 ABGB feststehende Vaterschaft „durchbrechendes Anerkenntnis“ des biologischen Vaters nur mit Zustimmung des Kindes möglich sei“. Im Falle einer Zeugung etwa durch „Heiminsemination“ sei ein solcher Schutz nicht möglich. (KL)

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