AT / Beratung: Getrennte Wege nach Ehescheidung – Wer bekommt die Ehewohnung? Teil 1
IEF, 17.04.2023 – Das Aufteilungsverfahren und seine vielfältigen Zuteilungskriterien wurden beim IEF-Berater-Jour Fixe am 17.04. näher beleuchtet.
Zum Auftakt des heurigen Berater-Jour Fixe am Institut für Ehe und Familie (IEF) haben wir uns intensiv mit dem Aufteilungsverfahren nach der Ehescheidung befasst – im Fokus dieses ersten Teils stand insbesondere die Frage, wie die Ehewohnung aufgeteilt wird. Das Interesse an diesem Thema war groß – rund 60 Teilnehmer aus acht Bundesländern nahmen an der familienrechtlichen Fortbildung teil.
“Wenn es um die Aufteilung nach der Ehescheidung geht und man sich untereinander nicht einig wird, kann es aus rechtlicher Sicht schon komplex werden”, sagt Doris Täubel-Weinreich, Richterin am Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Zwar gebe es eine grobe Richtschnur, jedoch seien immer die jeweiligen individuellen Umstände ausschlaggebend. So gebe es viele Aspekte, die bei der Aufteilung berücksichtigt werden müssten: Steht das neu errichtete Haus auf dem vor der Ehe eingebrachten Grundstück? Wurde das Haus vor der Eheschließung gebaut, der Kredit aber während aufrechter Ehe abbezahlt? Wurde von einem Ehepartner Geld in die Ehewohnung investiert und sind bei Aufteilung noch Schulden offen? Die wichtigsten Punkte haben wir für Sie im Folgenden aufgelistet:
Die Ehewohnung – Aufteilungskriterien
Der Begriff der Ehewohnung ergibt sich aus § 81 (2) Ehegesetz (EheG), welcher den Gegenstand der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nach Ehescheidung regelt. Hierbei handelt es sich um bewegliche und unbewegliche körperliche Sachen, die während der aufrechten Ehe dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben. Hierzu zählen unter anderem der Hausrat, die Ehewohnung und Freiflächen, sofern diese eindeutig von der Ehewohnung abgegrenzt sind. Nicht bezugsfertige Wohnungen fallen jedoch nicht in die Aufteilung, sondern gelten als eheliche Ersparnisse.
Bei der Zuteilung der Wohnung werden unterschiedliche Aspekte mit einbezogen. Zum einen muss unterschieden werden, ob es sich um eine gemeinsam angeschaffte oder um eine eingebrachte Ehewohnung handelt. Zum anderen ist das dringende Wohnbedürfnis gemäß § 82 EheG zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang gilt das Bedürfnis des gemeinsamen Kindes als besonders berücksichtigungswürdig und geht weiter als das „angewiesen sein“ des Ehegatten. Bei der Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses wird von Seiten der Rechtsprechung ein strenger Maßstab angelegt. Darüber hinaus werden auch Kriterien, wie etwa die Dauer der Ehe, das Alter und die Gesundheit der Ehepartner sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse einbezogen.
Mietrechte und Übertragung
Auch dingliche Recht können eine Rolle spielen, wenn beispielsweise eine Mietwohnung als Ehewohnung dient. Besonders wichtig ist ebenso zu klären, wie die Übertragung der Mietrechte im Rahmen der Aufteilung erfolgen soll – dies regelt § 87 EheG. Hierbei wird die Mietwohnung einem Ehegatten zugesprochen, der andere Ehegatte wird aus dem Vertrag entlassen.
Die Dienstwohnung
Einen Sonderfall stellt die „Dienstwohnung“ dar, diesbezüglich gelten eigene Regelungen, um eine gerechte Aufteilung zu gewährleisten. Das Gericht darf eine Anordnung hinsichtlich der Benützung einer Dienstwohnung nur mit Zustimmung des Dienstgebers oder des für die Vergabe der Dienstwohnung zuständigen Rechtsträgers treffen, wenn dadurch wesentliche Interessen des Dienstgebers verletzt werden könnten (siehe § 88 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)).
Wohnungseigentum und Ausgleichszahlung
Im Rahmen der Aufteilung kann auch Wohnungseigentum übertragen werden. Erwirbt ein Ehepartner die Ehewohnung, muss er dem anderen dafür eine entsprechende Ausgleichszahlung leisten.
Ausblick auf die nächste Fortbildung im Juni
Beim nächsten Berater-Jour fixe am 05.06.2023 wird es im zweiten Teil des Aufteilungsverfahrens nach Ehescheidung um die Verteilung des Vermögens und der gemeinsamen Ersparnisse gehen.
Sämtliche Informationen zu unseren rechtlichen Fortbildungen finden Sie auf der Website des IEF. Sie können sich jederzeit für die kommende Veranstaltung im Juni anmelden. (DP)