AT / Behinderung: Wien schafft zusätzliche Schulplätze für Kinder mit Behinderung
IEF, 14.04.2023 – Die Stadt Wien investiert zusätzliche 3,6 Millionen Euro in die Bildung für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtete, forderten Ende letzten Jahres im Rahmen einer Bürgerinitiative 35.000 Bürger und Bürgerinnen ein Recht auf ein elftes und zwölftes Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF). Medienberichten zufolge hat Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) jetzt angekündigt, dass es in Wien für nächstes Schuljahr zumindest 100 zusätzliche Schulplätze für Kinder mit SPF geben wird. Darüber hinaus forderte Wiederkehr zusammen mit dem Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer eine Lösung auf Bundesebene.
Kein Rechtsanspruch auf einen längeren Schulbesuch
Wie in der entsprechenden Petition erläutert wurde, gilt in Österreich für alle Kinder eine neunjährige Schulpflicht. Wenn diese absolviert ist, dürfen Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf, ihre Ausbildung an einer sogenannten weiterführenden Schule fortsetzen. Für Kinder mit SPF sind hingegen nur zehn Schuljahre vorgesehen. Es besteht zwar die gesetzliche Möglichkeit zu einem freiwilligen elften und zwölften Schuljahr, sie muss jedoch von der Bildungsdirektion des jeweiligen Bundeslandes bewilligt werden. Dabei sind die Voraussetzungen und Kriterien für eine Bewilligung ebenso wenig geregelt „wie ein Rechtsanspruch auf einen längeren Schulbesuch“. Die Tatsache, dass „Kinder mit Behinderung kein Recht auf ein elftes und zwölftes Schuljahr haben“, Kinder ohne Behinderung jedoch schon, sei, so hieß es in der Petition, „eine Ungleichbehandlung“, die den Richtlinien, zu denen sich Österreich mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2008 verpflichtet habe, nicht entspreche. Viele Behindertenverbände hätten außerdem die Kritik geäußert, dass die Eltern von Schülern mit SPF, die eine längere Schullaufbahn beantragen, zu „Bittstellenden“ degradiert werden würden.
Wiener Stadtrat fordert Rechtsanspruch
In Wien werde versucht, Familien mit Kindern mit SPF zu unterstützen, betonten nun Integrationsstadtrat Wiederkehr und Wiens Bildungsdirektor Heinrich Himmer. Denn es sei essenziell, dass Menschen mit Beeinträchtigungen uneingeschränkt am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Dazu gehöre auch das Schulsystem. Sie forderten einen Rechtsanspruch auf ein elftes und zwölftes Schuljahr für Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Dieser werde derzeit vor dem Verfassungsgerichtshof verhandelt. Durch die fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen gebe es aktuell einen Deckel für sonderpädagogischen Förderbedarf. Dieser liege bei 2,7 Prozent der Schüler. In Wien hätten aktuell aber etwa 5,6 Prozent aller Schüler in Pflichtschulen einen sonderpädagogischen Förderbedarf. „Ohne diesen Deckel hätte Wien Anspruch auf 270 zusätzliche Planstellen für Sonderpädagogen”, erklärte Bildungsdirektor Heinrich Himmer.
100 zusätzliche Plätze im Vergleich zum Vorjahr
Die Stadt Wien gehe das Problem nun selbst an. In einem ersten Schritt investiere man zusätzliche 3,6 Millionen Euro in die Bildung für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Diese sollen die notwendigen räumlichen Anpassungen und das zusätzlich benötigte Personal abdecken. So werde es für nächstes Schuljahr zumindest 100 zusätzliche Schulplätze für Kinder mit sonderpädagogischem Anspruch geben. Im Vergleich zum Vorjahr bedeute das eine Steigerung um 50 Prozent.
Anpassungen auf Bundesebene nötig
Wiederkehr und Himmer sehen Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) gefordert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Neben dem Rechtsanspruch auf ein elftes und zwölftes Schuljahr für Kinder mit sonderpädagogischem Anspruch müsse der Deckel, der derzeit gelte, abgeschafft werden. Es brauche außerdem mehr Personal, sowohl Pädagogen als auch Pflegepersonal, wozu eine Aus- und Weiterbildungsoffensive an den Pädagogischen Hochschulen notwendig sei. (TSG)